Politik & Wirtschaft

Travemuende resümiert Erfolg mit „neuem“ Konzept des Jazz- und nun auch Shanty-Weekends. Berechtigt?

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Text: Reinhard Bartsch

Als gelungenes Experiment und stimmungsvolles Pfingstprogramm soll das Internationale Jazz- und Shanty-Weekend am Pfingstwochenende die Herzen der Gäste im Travemünder Brügmanngarten erobert haben. So jedenfalls die „fröhliche“ Pressemitteilung der Verantwortlichen. War es wirklich so? Auch ein wenig später sollte darüber nachgedacht werden.In diesem Jahr „gesellten“ sich zu den zahlreichen Jazzbands auch bekannte Shanty-Chöre aus Norddeutschland und den Niederlanden. Nicht ohne Einladung natürlich. Insgesamt standen zwölf Jazzbands und Shantychöre auf dem viertägigen Programm, das mehr als 6.000 Jazzfreunde und Shantyliebhaber aus Nah und Fern trotz Regen und zwischendurch sogar Gewitter gleichermaßen begeistert hat. So das Fazit der Veranstalter: Die musikalische Spannbreite reichte vom klassischen New Orleans-Jazz über modernen Dixieland bis hin zu stimmungsvollen Seemannsliedern und Hits von der Waterkant. Gut, wenn es denn so ist. Aber kann man wirklich eine solche Bandbreite verantworten? Sorry – was haben Shanty und Jazz gemeinsam? Klar, in anderen Ländern oder Staaten wie den USA ist es angeblich kein Problem, Musikschnitte zu verbinden. Ist ja auch in Ordnung. Aber den Jazzfans Shanties zuzumuten, bleibt eine berechtigte Frage. Spirituels wären wohl die nötige Variante. Da sollte man schon einen klugen Programmbruch vornehmen.

Egal – oftmals ist eine Bandbreite über den Tellerrand auch Mut. Aber in diesem Fall muss man wissen, dass einer der bisherigen „Mitorganisatoren und -macher“, Dr. Jazz aus Lübeck, offensichtlich bereits bei den Vorplanungen anderer Meinung war. Auch Geld spielt immer eine Rolle. Aber kann es sein, dass Dr. Jazz endlich einmal klare Worte gesprochen hat? Zumal für andere „Events“ (scheußliches Wort) oftmals Geld keine Rolle zu spielen scheint. So hat man sich eben trotz vorheriger Erfolge getrennt.

Jedenfalls klar, dass Dr. Jazz immer noch ein Garant für Qualität im Lande und auch darüber hinaus – ist. Munter angekündigt auf dem Presse – Vortermin auf der Passat. Leider wusste Kurdirektor Uwe Kirchhoff da längst, dass das nicht mehr Realität war. Schade, zumal die Wahrheit keine Peinlichkeit sein muss. Vermeidet allerdings oftmals nachhakende Fragen.

Publikumsliebling war wie zu vernehmen die Gruppe „De Stormvogels“ mit über fünfzig Sängern und dem Schlagzeuger Klass, der mit seinen 85 Jahren der älteste Schlagzeuger weit und breit war. Stolzes Fazit in der Pressemitteilung der Kurverwaltung: Fast eine halbe Stunde gaben „De Stormvogels“ am Pfingstsonntag Zugaben, bis das Publikum sie schweren Herzens von der Bühne gehen ließ. Das bleibt nun unkommentiert, was den Jubel betrifft. Denn wenn Dr. Jazz oder Gruppen ähnlicher Qualität Zugaben gibt, ertönen auch Pfiffe, wenn sie „endlich“ versuchen, anderen Gruppen ihren Auftritt zu ermöglichen. Das ist durchaus normal und verständlich: Zumal niemand wirklich weiß, was dann kommt. Aber der Erfolg „Jazz vor Shanties“ zeigt eindeutig, dass da das Publikum ein Problem hatte und ein gewisser Kreis gar nicht erst gekommen ist.

„Kurdirektor Uwe Kirchhoff freute sich über den Zuspruch“, heißt es weiter im Pressetext. Und über das große Interesse des Publikums: „Die ungewöhnliche Kombination von Jazz und Shanty hat ihre Feuertaufe bestanden, die Musikfans beider Richtungen zeigten sich begeistert“ mag man sich auch Gedanken machen. Ist das Konzept der Veranstaltung wirklich ist aufgegangen und sollte damit auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden, bleibt die offene Frage. Denn was bleibt dem Publikum denn übrig, wenn es keine Alternativen gibt?

„Die am Festival beteiligten Travemünder Gastronomen zeigten sich ebenfalls angetan vom Publikumserfolg und der guten Stimmung im Brügmanngarten“. Auch klar. Jürgen Schlicht, Gastronom der Strandoase, hat wohl dazu gesagt: „Für die beteiligte Gastronomie war die Veranstaltung trotz des wechselhaften Wetters eine gelungene Kooperation mit dem Kurbetrieb Travemünde, an die wir gerne im nächsten Jahr anknüpfen werden.“

Und der Organisator des musikalischen Programms, Dieter Peschel, war überglücklich über den reibungslosen Verlauf des umfangreichen Veranstaltungsprogramms und die Begeisterungsfähigkeit des Publikums vor Ort, das ganz im Gegensatz zu der viel beschworenen „norddeutschen Zurückhaltung“ völlig aus sich herauskam. Kann er auch sein. Was aber, wenn das „Event“ der Qualität der Vorjahre erreicht hätte?

Projektleiter Jan Ehrich vom Kurbetrieb Travemünde ist derweil schon mit der Planung des nächsten Jazz- und Shanty-Festivals beschäftigt, das vom 09. bis 12. Mai 2008 ebenfalls am langen Pfingstwochenende im Brügmanngarten stattfinden wird. Bewerbungen von Bands und Kontaktinfos nimmt er ab sofort unter Tel. 04502/804-107 gern entgegen. Er hat die Chance, wieder etwas Vernünftiges daraus zu machen.

Stellt sich also die Frage, was der „Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat“, nämlich Dr. Jazz, falsch gemacht hat. Oder hat er endlich einmal „Fraktur“ geredet? Auch Travemünde muss aufwachen: Denn Dr. Jazz ist beispielsweise „drüben“ mehr als willkommen. Und weiter weg heißt auch manchmal „weiter“.