Politik & Wirtschaft

IHK-Konjunkturumfrage: Schleswig-Holsteins Wirtschaft in der Krise

Wirtschaftsklima angespannt: Konjunkturklimaindex für Schleswig-Holstein liegt mit
87,2 Punkten weiter deutlich unter der 100er-Marke.

Zunehmende Geschäftsrisiken: hohe Energie- und Rohstoffpreise (48 Prozent),
Fachkräftemangel (55 Prozent), hohe Arbeitskosten (54 Prozent) und eine schwache
Inlandsnachfrage (52 Prozent) belasten. 65 Prozent der Unternehmen sehen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen
als größtes Geschäftsrisiko.

In rund zweieinhalb Wochen wählt Deutschland einen neuen Bundestag – und die Unsicherheit
in der Wirtschaft ist groß, wie die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Schleswig-Holstein zeigt.
„Die Unternehmen brauchen schnellstmöglich stabile Regierungsverhältnisse und eine
entschlossene Wirtschaftspolitik. Deutschland steckt in einer tiefgreifenden konjunkturellen und
strukturellen Krise, und die Politik darf nicht weiter zögern“, sagte Hagen Goldbeck, Präsident der
IHK Schleswig-Holstein, bei der heutigen Konjunkturpressekonferenz.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren in einer Rezession. Auch der aktuelle
Konjunkturklimaindex für Schleswig-Holstein liegt bei 87,2 Punkten und damit weiterhin deutlich
unter dem langjährigen Durchschnitt von 100 Punkten. Ein echter Aufschwung ist nicht in Sicht.
Zwar hat sich der Wert im Vergleich zum Vorquartal (86,4 Punkte) leicht verbessert, doch die
Lage bleibt angespannt. Die Geschäftserwartungen für 2025 sind äußerst pessimistisch: Nur
noch neun Prozent der Unternehmen erwarten in den nächsten zwölf Monaten eine
Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation (Vorquartal: elf Prozent). Jedes dritte Unternehmen
(34 Prozent) rechnet mit einer weiteren Verschlechterung (Vorquartal: 36 Prozent).
Die wirtschaftliche Schwäche zeigt sich über fast alle Branchen hinweg. Besonders kritisch ist die
Lage im Baugewerbe, in der Industrie und im Handel, wo eine schwache Inlandsnachfrage für
schlechte Geschäfte sorgt. Nur das Dienstleistungsgewerbe und das Gastgewerbe zeigen sich
einigermaßen stabil. Die Unsicherheit über die künftige Wirtschaftspolitik und die schlechten
Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Unternehmen ihre Investitionen und
Beschäftigungspläne zurückfahren: 65 Prozent der Betriebe rechnen mit gleichbleibenden
Beschäftigungszahlen. 23 Prozent erwarten einen Rückgang der Beschäftigung (Vorquartal:
21 Prozent). Nur noch 13 Prozent wollen neue Stellen schaffen (Vorquartal: 15 Prozent).

Auch die Investitionsneigung bleibt schwach: Der Anteil der Unternehmen, die weniger
investieren wollen, stieg von 35 auf 36 Prozent, während 23 Prozent steigende Investitionen
planen (Vorquartal: 24 Prozent). Hagen Goldbeck: „Die für das Wachstum wichtigen
Kapazitätserweiterungen werden immer seltener als Hauptmotiv für Investitionen genannt. Was
uns besorgt, ist, dass zwei von drei Unternehmen nur noch in den Ersatzbedarf investieren.
Unsere Betriebe verlieren an wirtschaftlicher Substanz.“
Regelmäßig befragt die IHK ihre Unternehmen zu den größten Geschäftsrisiken. Die
Unternehmen sehen sich im Durchschnitt mit 3,1 Geschäftsrisiken gleichzeitig konfrontiert – ein
sehr hoher Wert. Die größten Herausforderungen sind: Fachkräftemangel (55 Prozent), hohe
Arbeitskosten (54 Prozent), schwache Inlandsnachfrage (52 Prozent) sowie hohe Energie- und
Rohstoffkosten (48 Prozent). Dramatisch ist, dass 65 Prozent der Unternehmen die
wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als großes Risiko sehen – ein Allzeithoch für viele
Branchen. „Politische Machtkämpfe und eine instabile Regierung sind Gift für die Wirtschaft. Wir
brauchen eine lösungsorientierte Wirtschaftspolitik, die Unternehmen Sicherheit gibt und
Investitionen wieder attraktiv macht“, mahnt Goldbeck.
Die Standortqualität Deutschlands habe in den letzten Jahren massiv gelitten. Kapital fließt ab,
Unternehmen zögern mit Investitionen. Die Politik des vergangenen Jahrzehnts habe die Lage
vieler Unternehmen unterschätzt, warnt die IHK: „Reformen wurden verschleppt, statt mutig
angegangen zu werden. Nun stehen wir vor einem Veränderungsnotstand“, so Goldbeck.
Die IHK Schleswig-Holstein fordert deshalb in ihrem Positions- und Forderungspapier zur
Bundestageswahl von der kommenden Bundesregierung:

Einen entschiedenen Bürokratieabbau: Deutschland ist zu kompliziert geworden,
Unternehmen brauchen weniger Vorschriften und Dokumentationspflichten.

Weniger Steuern und Abgaben für Unternehmen: Die Belastung muss sinken, um die
Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Energiepreise auf wettbewerbsfähigem Niveau: Unternehmen brauchen langfristige
Planungssicherheit und Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel: Qualifizierte Arbeitskräfte sind das Rückgrat der
deutschen Wirtschaft, ein geregelter Zuzug ist unbedingt sicherzustellen.

Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zeigen: Die wirtschaftliche Lage ist kritisch, die
Aussichten düster. Goldbeck: „Die Unsicherheit ist groß – und mit der anstehenden
Bundestagswahl besteht die Chance auf einen wirtschaftspolitischen Neustart. Deutschland
muss einfacher, flexibler und wirtschaftsfreundlicher werden. Die nächste Regierung muss
zeigen, dass sie das Unternehmertum nicht als Problem, sondern als Lösung begreift. Denn
wirtschaftliche Stärke ist die Basis für politische Stabilität und sozialen Wohlstand.“

Für die Konjunkturumfrage im vierten Quartal 2024 haben die IHKs Flensburg, Kiel und Lübeck
rund 3.400 Unternehmen in ihren Bezirken angesprochen. 965 haben sich an der Umfrage
beteiligt und ihre Einschätzungen geteilt. Das entspricht einer Rücklaufquote von 28 Prozent.
Weitere Informationen und immer die aktuellen IHK-Konjunkturberichte finden Sie unter:
www.ihk.de/sh/konjunkturbericht
Das Positions- und Forderungspapier der IHK Schleswig-Holstein finden Sie unter:
www.ihk.de/sh/positionen