Lübeck 10 Jahre ohne Fernverkehr? Grüne warnen vor den Folgen und fordern alternative Maßnahmen
Ab dem nächsten Fahrplanwechsel verliert Lübeck seinen Fernverkehrsanschluss und wird damit die größte Stadt Deutschlands ohne IC- oder ICE-Halt. Betroffen sind täglich über 33.000 Fahrgäste, die künftig auf überfüllte Regionalzüge oder Umstiege in Hamburg ausweichen müssen. Ursache ist der Bau der Fehmarnbeltquerung, im Zuge dessen die Bahn das Angebot streicht. Kritik kommt von den Grünen: Steffen Hamer fordert kurzfristig mehr Kapazitäten und dichtere Takte im Regionalverkehr, um Pendler und Touristen nicht im Stich zu lassen.
Dazu Steffen Hamer, stv. Mitglied im Bauausschuss:
„Der Lübecker Hauptbahnhof ist gemessen an der Zahl der Passagiere, mit durchschnittlich über 33.000 Fahrgästen pro Tag, der Größte in Schleswig-Holstein – noch vor Kiel mit 27.000 Fahrgästen pro Tag. Gerade zu den Hauptverkehrszeiten, den Sommerwochenenden und zur Ferienzeit sind die Züge oft sehr stark überlastet. An diesen Tagen bekommt man häufig nur Stehplätze. Die Reise mit dem Rad und mit Gepäck ist erheblich erschwert.
Für verschiedene Personengruppen, wie Tourist*innen, Menschen mit Einschränkungen oder Geschäftsreisende ist der Fernverkehr oftmals die einzige sinnvolle Reiseoption. Doch seit dem Bau der festen Fehmarnbeltquerung wird der Fernverkehr für Lübeck und die Region Ostholstein immer weiter eingekürzt, und jetzt sogar komplett gestrichen. So ist Lübeck ab dem nächsten Fahrplanwechsel die größte Stadt in Deutschland ohne Fernverkehrsanbindung, mit entsprechenden negativen Folgen für Standort- und Lebensqualität.
Ein Blick nach Rostock zeigt, wie es sein sollte: Dort gibt es zwei Fernverkehrsbahnhöfe, einen in Warnemünde mit acht Zugfahrten täglich im Fernverkehr und den Rostocker Hauptbahnhof mit mindestens 13 Zugfahrten täglich im Fernverkehr. Verhältnisse, von denen man in Lübeck nur träumen kann.
Natürlich wäre es möglich Lübeck im Kernnetz des Fernverkehrs im Zwei-Stundentakt zu bedienen und dazu wenige Einzelleistungen anzubinden, ähnlich wie Kiel. Gerade mit dem neuen ICE L gäbe es die Möglichkeit auch Ostholstein, mit seinen touristisch wichtigen Orten wie Timmendorf oder Scharbeutz zu bedienen, da dieser mit der richtigen Lokbespannung auch ohne Oberleitung fahren kann. Doch Land und Bund scheinen diese Region nicht als wichtig genug zu erachten, um hier Abhilfe zu schaffen. Man akzeptiert anscheinend sogar die Begründungen der Bahn für die Abschaffung, ohne diese genauer zu hinterfragen.”
Arne-Matz Ramcke, verkehrspolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion ergänzt:
„Eine Fernverkehrsanbindung steigert die Attraktivität einer Großstadt als Wohn- und Arbeitsort sowie als touristische Destination. Daher ist es für Lübeck von zentraler Bedeutung, die Anbindung an den Fernverkehr nicht zu verlieren.
Ohne Fernverkehr werden zudem mehr Fahrgäste in überfüllte Regionalzüge gedrängt. Diese verlieren dadurch wiederum an Attraktivität und jene, die die Möglichkeit haben, steigen dann wieder auf das Auto um. Die Folge wären eine Zunahme der Verkehrsbelastung und erhöhte CO2 Emissionen.
Als zweitgrößte Stadt Schleswig-Holsteins, als starker Wirtschaftsstandort und touristische Ostseedestination kann Lübeck nicht langfristig auf eine Anbindung an den Fernverkehr verzichten. Unser dringender Appell richtet sich daher indirekt an die Landesregierung mit der Bitte um Unterstützung und direkt an das Bundesministerium für Verkehr sich das Potential der Region Lübeck nochmal genauer anzuschauen.
Mindestens erwarten wir erhöhte Anstrengungen, die fehlende Fernverkehrsanbindung einigermaßen zu kompensieren, um größeren Schaden für den Standort Lübeck abzuwenden. So muss es dringend eine kurzfristige Kapazitätserhöhung und Taktverdichtung auf den Bahnstrecken von Lübeck nach Hamburg, Büchen, Neustadt und Travemünde geben. Nur so kann die Attraktivität auch ohne IC/ICE-Anschluss in der Region gewährleistet werden. Zudem wird so den Bemühungen für einen nachhaltigen Tourismus und der Verkehrswende nachgekommen. Das Warten auf eine Fertigstellung der festen Fehmarnbeltquerung bis zur Verbesserung ist nicht hinnehmbar.“
