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Energiefalle Führungskraft

Ben Schulz, Unternehmensberater und SPIEGEL-Bestseller-Autor, skizziert die
schleichende Erschöpfung von Personen in Führungsposition und zeigt
verschiedene Ursachen dafür auf:

„In mittelständischen Unternehmen zeigt sich zunehmend ein Phänomen, das auf den ersten
Blick unscheinbar wirkt, aber tiefgreifende Folgen für Strategie, Leistung und Zukunftsfähigkeit
haben kann: die ‚Energiefalle Führungskraft‘. Entscheiderinnen und Entscheider spüren sie
vielleicht als bleierne Schwere im Alltag, als ständiges Funktionieren oder als das leise
Flüstern von ‚Ich kann nicht mehr.‘ Dauerverfügbarkeit, der Preis der Angst und das
Ausbleiben wirksamer Selbstführung sind keine ästhetischen Begriffe, sondern existentielle
Stolpersteine in Strategie und Transformationsprozessen. Viele Geschäftsführer mittlerer
Unternehmen haben über Jahre Verantwortung getragen – für Mitarbeitende, für Finanzen und
für Märkte, die schnelllebig und krisenanfällig geworden sind. Die letzte Dekade war
gekennzeichnet von einer Permakrise. Es gab und gibt noch immer Lieferkettenprobleme,
wirtschaftliche Unwägbarkeiten, Energiepreisschocks und geopolitische Spannungen. Doch
noch problematischer als jede einzelne Krise ist das dauerhafte Grundrauschen der
Unsicherheit. Führungskräfte reagieren dann meistens. Sie laufen auf Reserve, schalten ab,
wenn Gelegenheiten zur Reflexion bestehen, und sie schlagen in Kommunikations- und
Entscheidungsprozessen zunehmend Alarm. Dauerverfügbarkeit wird zur Norm und Nicht-
Erreichbarkeit zum Tabu. Doch dieser Zustand fordert einen hohen Preis in Form von
permanenter Erschöpfung, schwindender Klarheit, abnehmender Innovationskraft oder
Risikoaversion – und letztlich droht die destruktive Wirkung auf Teams, Kultur und
Performance.„Stopp“ als elementarer Bestandteil
Der Preis der Angst ist ein Schlüsselbegriff in diesem Kontext: vor Fehlern, vor Abweichungen
und die Angst davor, den Kurs nicht halten zu können in Umbruchszeiten. Sie führt dazu, dass
Führungskräfte ihre Schwächen verbergen und Entscheidungen verschleppen. Die Angst
lähmt Kreativität und Veränderungsbereitschaft. Strategische Initiativen bleiben Stückwerk
und Visionen verlieren – leise, aber stetig – ihren Halt. Folgen fallen emotional und auch
operativ sowie finanziell aus. Strategien verflachen, Wachstumsmöglichkeiten bleiben
ungenutzt, Potenziale unerschlossen und die Mitarbeitenden orientierungslos. Denn
Orientierung entsteht nicht allein durch Anweisungen, sondern durch Beispiel, Transparenz
und Empathie. Ein weiterer Aspekt dieser Energiefalle ist die mangelnde Selbstführung. Viele
Führungskräfte sind Meister darin, Verantwortung nach außen zu tragen, für Ergebnisse zusorgen und ihr Team zusammenzuhalten. Doch dabei vernachlässigen sie das eigene innere
Management – Pausen, Grenzen, Reflexion, ehrliches Innehalten. Wer sieht noch die Macht,
die darin liegt, bewusst Stopp zu sagen? Wer akzeptiert, dass nicht alles kontrollierbar ist? Es
kommt zu stiller Erschöpfung, die aber kein Zeichen von Schwäche ist. Sie ist ein Signal für
ein schon gefährlich aus dem Gleichgewicht geratenes System.

Führungskraft wird Perspektivmacher

Strategische Transformationsprozesse wie Digitalisierung, Kulturwandel oder neue
Geschäftsmodelle setzen nicht nur auf Strukturen, Prozesse und Technologie. Sie fordern
Führungsstärke, die sich nicht nur auf Effizienz und Zielerreichung bezieht. Es kommt auf
Resilienz, Sinnstiftung und Zuversicht an. Entscheider, die in unsicheren Zeiten Perspektive
bieten, die Fragen zulassen statt alle Antworten vorzugeben, fördern die Hoffnung – und diese
Hoffnung ist kein Gefühl, sie ist ein praktisches Instrument, das Teams stärkt und Veränderung
ermöglicht. Wer erkennt, dass Führungskraft sein auch heißt, Perspektivmacher zu werden,
der arbeitet nicht gegen den Strom – er nutzt dessen Kraft. Denn in der Krise allein liegt nicht
das Problem: Es ist die Unfähigkeit, sie nicht nur zu überstehen, sondern gemeinsam zu
gestalten. Ein Strategievorsprung entsteht genau dort, wo Führungskräfte lernen,
Verantwortung auch für sich selbst zu übernehmen. Selbstführung macht dann einen
elementaren Teil der Führungs-Identität aus. Grenzen werden gezogen bei Zeitressourcen,
mentaler Belastung und Kommunikationskanälen. Nicht-Erreichbarkeit gilt dann als gesunder
Schutz. Fehler fungieren als Brücken zu Innovation.“

Weitere Informationen finden Sie unter www.benschulz-partner.de

Foto: Uwe Klössing – Ben Schulz & Partner AG ·