Rezensionen

Die Geschichte der Juden in Moisling und Lübeck

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1999 erschien in der Veröffentlichungsreihe des Stadtarchivs Lübeck die erste Auflage des Buches von Peter Guttkuhn über die Geschichte der Juden in Moisling und Lübeck. Dieses Buch füllte schon da eine lange bestehende Lücke in der Lübeckischen Geschichtsschreibung. Da es zwischenzeitlich vergriffen ist, hat das Stadtarchiv dieses Standardwerk zur deutsch-jüdischen Geschichte der Hansestadt neu aufgelegt.Peter Guttkuhn, Jahrgang 1935, war von 1963 bis 1997 als Lehrer für Deutsch und Geschichte im schleswig-holsteinischen Schuldienst tätig, zuletzt unterrichtete er an der Ernestinenschule in Lübeck und ist heute als Historiker tätig.
Zum Inhalt: Die ersten jüdischen Familien, die sich 1656 im Dorf Moisling – außerhalb der Lübecker Landwehr gelegen – niederließen, waren vor den Pogromen des ukrainischen Kosakenaufstandes (1648 – 57) aus dem multinationalen Großreich Polen-Litauen geflohen. Der Eigentümer von Dorf und Gut Moisling, der Lübecker Bürgermeister von Höveln, der die aschkenasischen (deutschen) Juden aus ökonomischen Erwägungen ansiedelte, stieß damit auf starken Widerstand bei Rat und Bürgerschaft, die bis dahin eine jüdische Ansiedlung sowohl im Lübecker Stadt- als auch Landgebiet verhindert hatten.

1667 unterstellte von Höveln sein Dorf holsteinisch-dänischer Territorialhoheit. Der Erbe, sein Schwiegersohn von Wickede, erlangte 1686 und 1697 auf Grund königlich-dänischer Konzessionen das Niederlassungsrecht für die Juden in Moisling und deren unbeschränkte Handels- und Verkehrsfreiheit im dänischen Gesamtstaat. Doch die holsteinischen Landjuden bedurften, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten, für ihre Handelstätigkeit des Lübecker Marktes. Der aber blieb ihnen bis 1852 weitgehend verschlossen.

Nach 1702 und 1762 gehörte das Dorf gottorfischen und dänischen Eigentümern. Dies war eine Zeit relativer Ruhe und Sicherheit für die jüdischen Einwohner. Die innerjüdische Zivil- und Zeremonialgerichtsbarkeit in Moisling stand dem Altonaer Oberrabbiner zu. 1762 wurden Dorf und Gut lübeckisches Privateigentum, so dass Lübeck seinen Einfluss auf die dortigen Juden in negativer Weise direkt geltend machen konnte. Per Staatsvertrag mit Dänemark erlangte Lübeck 1806 die Landeshoheit über Moisling, dadurch wurden die 300 Moislinger Landjuden zu Lübecker Staatsangehörigen. Ihr ungeregelter und schlechter Rechtsstatus blieb bis 1848 unverändert.

Die in der napoleonischen Phase (1811 bis 1813) erreichte bürgerliche Gleichstellung der Juden, die auch zur Folge hatte, dass die Hälfte der Moislinger jüdischen Gemeinde nach Lübeck gezogen war, nahm der Senat 1814 zurück und vertrieb die Juden aus der Stadt. Im abseitigen Moislinger Zwangsgetto ernährten sich die verarmenden Juden hauptsächlich vom Hausierhandel in benachbarten Territorien.

Die traditionell gesetzestreue Gemeinde stellte 1825 einen altfrommen polnischen Rabbiner auf Lebenszeit an, konnte 1827 eine neue Synagoge weihen und 1837 eine Elementarschule einrichten. In der internen Auseinandersetzung um die Reform des Judentums obsiegten die Traditionalisten. Ihre politisch-rechtliche Emanzipation erlangten die Juden 1848 im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Modernisierungsprozesses der freien Hansestadt Lübeck. Die soziale und wirtschaftliche Emanzipation bekräftigte abschließend und unwiderrufen ein 1852 verkündetes Gesetz.

Bibliographie:
Peter Guttkuhn: Die Geschichte der Juden in Moisling und Lübeck. Von den Anfängen 1656 bis zur Emanzipation 1852
Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck
Hrsg. vom Archiv der Hansestadt, Reihe B Bd. 30. Lübeck 1999. 270 Seiten, mehrere Schwarzweiß-Abbildungen. 2. verbesserte Auflage. 15 Euro
Verlag Schmidt – Römhild