Politik & Wirtschaft

Brancheneinschätzung regionaler Arbeitsmarktakteure

  • Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt kontinuierlich
  • Experten gehen von weiterem, wenn auch gedämpftem Beschäftigungswachstum aus

Seit 2010 steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bezirk der Agentur für Arbeit Lübeck kontinuierlich an. Der Wachstumstrend setzte sich selbst während der Corona-Pandemie moderat fort, da mit Hilfe der Kurzarbeit viele Arbeitsplätze in der Region gesichert und das eingearbeitete Personal in Unternehmen gehalten wurde. Zum Stand der aktuellsten Auswertung Ende März 2025 waren 169.649 Frauen und Männer zwischen Fehmarn und Lübeck beschäftigt, ein Plus von 699 oder 0,4 Prozent zum März 2024. Innerhalb der letzten zehn Jahre betrug der Anstieg 25.856 oder 18,0 Prozent.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht von einem verstärkten Einfluss der Demografie auf die Arbeitsmarktentwicklung aus. Das Erwerbspersonenpotenzial geht zurück, weil die Zahl der Personen, die aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, zum Beispiel weil sie in den Ruhestand gehen, größer ist, als die Summe derer, die dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung stehen. Dadurch wird das Beschäftigungswachstum gebremst. Dennoch steigt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung weiter an, wenn auch langsamer als in den früheren Jahren. Der Anstieg wird insbesondere auf der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung beruhen, während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten sinkt. Bundesweit rechnet das IAB mit einem Plus von 42.000 Personen in 2025 und einem weiteren Anstieg um 43.000 in 2026.

Doch wie sieht die regionale Entwicklung aus? „Während zentrale Daten sich rein auf statistische Werte und Indikatoren stützen, fließen in die Bewertung vor Ort regionale Erkenntnisse mit ein. Für diese Einschätzung nutzen wir die Kompetenz externer Expertinnen und Experten“, erläutert Markus Dusch, Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit Lübeck.

Vertreter*innen der Handwerkskammer Lübeck, der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, der Wirtschaftsförderung Lübeck, der Entwicklungsgesellschaft Ostholstein mbH EGOH, der Arbeitgebervereinigung Lübeck-Schwerin e.V., des Unternehmensverbandes Ostholstein-Plön e.V., des Verwaltungsausschusses der Arbeitsagentur, der Jobcenter Lübeck und Ostholstein sowie der Arbeitsagentur Lübeck tauschten sich in einer Sitzung zu den Chancen und Risiken des regionalen Arbeitsmarktes aus.

Mit Hilfe des Arbeitsmarktmonitors, einer Netzwerkplattform der Bundesagentur für Arbeit, wurden die 20 größten Branchen einzeln unter die Lupe genommen und die Entwicklungen diskutiert.

Für die Mehrheit der Branchen werden Zuwächse angenommen. In einigen wenigen Bereichen, wie dem Einzelhandel, Großhandel, Lagerei, Post- und Kurierdienste, Finanzdienstleistungen oder Arbeitnehmerüberlassung werden Beschäftigungsrückgänge erwartet. Die Konsumentwicklung zeigt sich gedämpft. Die konjunkturelle Unsicherheit trägt weiter dazu bei, dass die Sparneigung hoch bleibt, so dass die Konsumnachfrage nur schwach von Einkommenssteigerungen profitiert. Der Ausbau des Onlinehandels, Digitalisierung, Konsolidierungsmaßnahmen und Schließung von Filialen im Bankensektor, Automatisierung von Dienstleistungen, wie zum Beispiel automatisierte Kassensysteme, oder Personalbindung über Direkteinstellungen statt über Zeitarbeitsfirmen zeigen hier ihre Wirkung.

In wachsenden Bereichen – wie etwa soziale Dienstleistungen, Gesundheitsweisen – sind Arbeitskräfte enorm knapp. Auch technische Fachkräfte in Bereichen wie Infrastruktur, Energie und Rüstung werden für die Transformation dringend gebraucht.

Die stärksten Beschäftigungszuwächse werden im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen, öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht, Heime, Herstellung von Nahrungsmitteln sowie von medizinischen Apparaten und Materialien erwartet. Der Ausbau offener Ganztagsschulen und Kindertagesstätten, der Bedarf an Schulbegleitung und Sprachkursen lässt Personalbedarfe wachsen. Die Beliebtheit der Lübecker Bucht als Wohnort und Zuzug älterer Menschen, aber auch die Alterung der Gesellschaft und wachsende Zahl an Pflegebedürftigen sorgen im Gesundheits- und Sozialwesen für einen stetigen Personalbedarf. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften stößt jedoch an ihre Grenzen, so dass verstärkt Rekrutierung im Ausland genutzt wird. Investitionen im Bereich Verteidigung und Rüstungsbau lassen auch in der Region positive Effekte erwarten.

Mit Fachkräfteengpässen hat auch das Baugewerbe zu kämpfen. Hinzu kommen hohe Bauzinsen und Materialpreise, die den Privathausbau belasten. Dennoch wird, ebenso wie im Bereich der Energie- und Wasserversorgung, mit einem moderaten Beschäftigtenanstieg gerechnet, unter anderem aufgrund der Umsetzung der Energiewende und dem Ausbau erneuerbarer Energien.

Die Lübecker Bucht ist nach wie vor ein beliebtes Reiseziel mit einem Bedarf an Fachkräften im Gastgewerbe, die jedoch im Inland Mangelware sind. Betriebe werben verstärkt Mitarbeitende und Nachwuchskräfte im Ausland an. Der Zuzug wird durch fehlende Unterkünfte begrenzt, so dass von einem unveränderten Beschäftigtenstand ausgegangen wird. Inwieweit sich die geplante Reduzierung der Mehrwertsteuer sowie der Anstieg des Mindestlohns auswirken werden, bleibt abzuwarten.

Insgesamt gehen die Expert*innen 2026 branchenübergreifend von einem Zuwachs von rund 580 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Lübeck und Ostholstein aus. Handlungsmöglichkeiten werden in der Integration geflüchteter Menschen, Aktivierung der Stillen Reserve, Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte und der Qualifizierung gesehen.

„Unser Arbeitsmarkt ist weniger exportabhängig und hat weniger Höhen und Tiefen als andere Arbeitsmärkte in Deutschland. Er entwickelt sich langsamer als anderenorts, aber auch stetiger und stabiler. Es sind die vielen kleinen mittelständischen Unternehmen, die unsere Region prägen. Doch auch in kleineren Unternehmen gewinnen strukturelle Ursachen an Bedeutung. Das Ausscheiden der Babyboomer wird durch nachrückende geringere Geburtenjahrgänge nicht mehr vollständig ausgeglichen. Fachkräftebedarf kann nur zu einem Teil aus dem Pool der Arbeitslosen gedeckt werden, da es häufig einen Mismatch zwischen den Qualifikationsniveaus der Arbeitslosen und den Anforderungen der Stellen gibt. Hier unterstützen wir gerne bei der Qualifizierung und Einarbeitung. Damit können auch Potenziale bei Menschen mit Migrationshintergrund gehoben werden. Neben Arbeitslosen sollten Unternehmen auch ihre Beschäftigte in den Fokus nehmen. Gerade, wenn berufliche Tätigkeiten durch Technologien ersetzt werden oder in sonstiger Weise vom Strukturwandel betroffen sind, ist Qualifizierung eine gute Möglichkeit, Personal zu halten. Gerne steht der Arbeitgeber-Service Ihnen als Partner rund um alle Fragen zur Nachwuchs- und Personalgewinnung sowie Qualifizierung zur Seite“, bietet Dusch Unternehmen an.

Bilder: Agentur für Arbeit Lübeck