Dr. phil. Peter Guttkuhn: „Direktors Geburtstag“
Auch heute setzen wir in hier-luebeck die Vorstellung der Publikationen des in Lübeck arbeitenden Privatgelehrten und Historiker Dr. Peter Guttkuhn in der Reihe „Sonntags-Beiträge“ fort. Heute: Dr. phil. Peter Guttkuhns Publikation „Direktors Geburtstag“ und damit aus seinem eigenen Erleben als „Gymnasial-Lehrer“ in Lübeck:
Foto (RB): Dr. Peter Guttkuhn
Dr. Peter Guttkuhn: Direktors Geburtstag
Der 17. September, das war Direktors Geburtstag. Das Ritual bekannt und häufig unter Herzklopfen erwartet. Denn da gab es so etwas wie Zeugnisse für das Kollegium. Es waren die berühmt-berüchtigten kleinen rosa-roten Zettelchen, aber auch die DIN-A-5-formatigen Vordrucke, die der Hausmeister während der ersten Schulstunde in den Fächern der Lehrer ablegte. Beide hatten es in sich. Genauer: Es kam auf die Anrede des Einzuladenden an. „Sehr geehrter … oder Lieber …“, das war hier die Frage.
Wer als „Sehr geehrter …“ während seiner Freistunde ins Direktor-Zimmer einbestellt wurde, der oder die wusste sehr genau, dass Kurt Haß während des vergangenen Jahres viel auszusetzen gehabt hatte an seiner/ihrer Amtsführung. Wer hingegen als „Lieber Herr, Frau, Fräulein …“ tituliert worden war, konnte erhobenen Hauptes durchs Vorzimmer von Frl. Grimm ins Heiligtum von Herrn Haß – in der Ernestinenschule zu Lübeck gelangte man nur und ausschließlich durch Grimm zu Haß – gelangen.
Man gratulierte höflich-artig und wohl formuliert, setzte sich aufs Direktor-Sofa, bekam ein kleines Glas Sekt und durfte 1 – 3 Salzstangen vom runden Tisch entnehmen. Das Gespräch lief steif und stockend. Es musste ja derjenige Teil des Kollegiums durchgeschleust werden, der am 17. September eine Freistunde und möglichst keine Pausenaufsicht hatte.
Nach einer Viertelstunde war die Prozedur durchgestanden bzw. -gesessen und man wusste abermals die Verhältnisse einzuschätzen. Doch wenn jemand auch nur ein „Sehr Geehrter“ gewesen war, so konnte er / sie’s im nächsten Jahr durchaus zum / zur „Lieben“ bringen.
hier-Luebeck bedankt sich bei Dr. Peter Guttkuhn für die freundliche Bereitstellung auch dieses Beitrages.
Dr. Peter Guttkuhn:
Der Wissenschaftler forscht seit Jahren zur deutsch-jüdischen Geschichte der Hansestadt. Auf nationaler und internationaler Ebene hat er nahezu 190 Titel zu diesem Forschungsgebiet publiziert. Seine Vorträge im In- und Ausland sind sehr gefragt und tragen in erheblichem Maß zur Aufarbeitung der Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland bei.