Dr. phil. Peter Guttkuhn: „Missglückte Judenmission Anno 1742 in Moisling“
Auch heute setzen wir in hier-luebeck die Vorstellung der Publikationen des in Lübeck arbeitenden Privatgelehrten und Historiker Dr. Peter Guttkuhn in der Reihe „Sonntags-Beiträge“ fort. Dazu schreibt er selbst „…anbei erhalten Sie einen sowohl theologisch als auch volkskundlich hochinteressanten Beitrag, zu dem Sie sich gratulieren können. Ihren Lesern allerdings auch.“
Foto (RB): Dr. Peter Guttkuhn
Missglückte Judenmission Anno 1742 in Moisling
Das Hallenser Institutum Judaicum (gegründet 1728) stand unter Leitung des pietistischen Theologen Johann Heinrich Callenberg (1694-1760), der eine gut organisierte Missionierung der Juden – die erste ihrer Art – im deutschsprachigen Europa betrieb.
Sein bester und wirkungsvollster Missionar, Stephanus Schultz (1714-1776), berichtet von seiner ersten Europa-Reise in einem umfangreichen Buch mit dem Titel:
„Der Leitungen des Höchsten nach seinem Rath auf den Reisen durch Europa, Asia und Africa. Erster Theil.
Aus eigener Erfahrung beschrieben; und auf vieles Verlangen dem Druck übergeben von M. Stephanus Schultz vormaligen zwanzigjährigen reisenden Mitarbeiter bey dem Callenbergischen Instituto Iudaico, jetzigen Prediger bey St. Ulrich in Halle, und Director der besagten Anstalt. Halle im Magdeburgischen, verlegts Carl Hermann Hemmerde, 1771″.
Im siebenten Kapitel, Seite 171 ff., führte ihn im Juni 1742 die Missions-Tour von Hamburg nach Dänemark:
„Den 8ten Junii giengen wir nach Wansbeck, wo sich auch viele Juden aufhalten, mit welchen wir sprachen, und Bücher austheilten. Weil eben Retour-Wagen von Hamburg nach Lübeck giengen, so setzten wir uns auf einen derselben; der Fuhrmann nahm uns freundlich auf; kurz vor dem neuen Krug, wo wir gegen Abend anhielten, hatte ich meinen Stock verlohren; der Knecht hatte ihn gefunden und brachte ihn mir wieder; weil er kein Trinkgeld verlangte, so reichte ich ihm das kleine Tractätlein: „Sicherer Glaubens-Weg“.
Darüber der Mensch so erschrack, als ob ich ihm siedend Wasser ins Gesicht gegossen hätte; und aller unserer Vorstellungen ohngeachtet, wollten sie uns nun nicht mehr auf ihrem Wagen leiden, weil sie glaubten, wir wären Herrnhuter. Also musten wir zu Fuß bis Meislingen bey Lübeck gehen, wo wir den 9ten ankamen; und bis zum 11ten uns mit den Juden beschäftigten.
Weil Lübeck nahe war, so besuchten wir daselbst die Freunde des Instituti, als, Herrn Otte, Kaufmann und Rathsherrn, wie auch Herrn Pastor Schartow, des Vormittags, blieben auch zum Mittag-Essen, des Nachmittags aber hielten wir uns in Meislingen auf; wurden mit einem Pfeiffen-Fabricanten Herrn Meyer bekant, welcher zugleich in der Chymie sehr erfahren ist. In seiner Fabric werden die besten holländischen Tobacks-Pfeiffen verfertiget, und in grossen Fässern weit und breit verfahren“.
Die Missionare aus Halle an der Saale hatten bei den toratreuen Landjuden der Moislinger Gemeinde keinen Erfolg mit ihren schwärmerischen Bemühungen. Und der Lübecker evangelisch-lutherische Fuhrknecht, der wohl ein Anhänger des (spät-)orthodoxen Luthertums war, dem hatte man seit seiner Kindheit eingetrichtert, dass sowohl Pietisten und auch Herrnhuter als abtrünnige Sonderlinge gemieden, unterdrückt und bekämpft werden müssten.
Die Mehrheit der Bevölkerung im Staate Lübeck war 1742 an der Aufrechterhaltung der alten religiösen Ordnung interessiert. Hierin traf man sich mit den Absichten und Zielen der orthodoxen Moislinger Juden.
Dr. Peter Guttkuhn
hier-Luebeck bedankt sich bei Dr. Peter Guttkuhn für die freundliche Bereitstellung auch dieses Beitrages.
Dr. Peter Guttkuhn:
Der Wissenschaftler forscht seit Jahren zur deutsch-jüdischen Geschichte der Hansestadt. Auf nationaler und internationaler Ebene hat er nahezu 190 Titel zu diesem Forschungsgebiet publiziert. Seine Vorträge im In- und Ausland sind sehr gefragt und tragen in erheblichem Maß zur Aufarbeitung der Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland bei.