Wissenschaft

Günter-Grass-Haus mit neuer Ausstellung wiedereröffnet – Nobelpreisträger wird im Oktober 80 Jahre alt

GrassHLogo
Aus Anlass des achtzigsten Geburtstags von Günter Grass am 16. Oktober 2007 wurde das Günter Grass-Haus nun mit einer neuen Dauerausstellung, einer Sonderausstellung und einem neu angelegten Museumsgarten wiedereröffnet.

Heute kann das Haus mit einem eintrittsfreien Tag der offenen Tür besucht werden.
Kultursenatorin Annette Borns, die Vorsitzenden des Stiftungsrates der Hansestadt Lübeck, Oliver Fraederich und Frank-Thomas Gaulin, sowie der Geschäftsführende Direktor der Lübecker Museen, Prof. Dr. Hans Wißkirchen, präsentierten bereits die neu gestalteten Räume. Die wissenschaftliche Leiterin des Günter Grass-Hauses, Stefanie Wiech, führte in die Ausstellung ein.

Senatorin Borns dankte den anwesenden Förderern, der Possehl-Stiftung, vertreten durch Renate Menken, und der Geschäftsführerin der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein, Brigitte Hohmann, sowie Prof. Dr. Hans Arnold, dem Vorsitzenden des Freundeskreises des Günter Grass-Hauses, für die Unterstützung. Dank ging auch nach Berlin: „Dass sich neben dem Land auch der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien für das Haus engagieren, unterstreicht die weit über Lübeck hinausgehende nationale Bedeutung dieser Ausstellungs- und Forschungsstätte.“ Die Lübecker Bürger könnten stolz sein, das Haus in der Stadt und den Künstler Grass in ihrer Mitte zu haben. „Die Erweiterung und Neueröffnung ist zugleich unser Geschenk an Günter Grass zu seinem achtzigsten Geburtstag.“

Brigitte Hohmann lobte für die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein die gelungene Neugestaltung. „Unsere Aufgabe ist es, das kulturelle Erbe zu sichern und zugleich die kulturelle Entwicklung und neue Präsentationsformen zu fördern. Auf sichtbare Weise kommt im Günter Grass-Haus beides zusammen.“
Mit Blick auf die fünfjährige Geschichte des Günter Grass-Hauses betonte Prof. Dr. Hans Wißkirchen die enge Zusammenarbeit mit dem Heinrich und Thomas Mann gewidmeten Buddenbrookhaus. Ende des Jahres komme nun mit dem Willy-Brandt-Haus ein weiteres Haus für einen weiteren Nobelpreisträger aus Lübeck hinzu. „Eine glückliche Fügung hat es ermöglicht, dass dieses neue Haus mit dem Günter Grass-Haus über einen Museumsgarten verbunden werden konnte. Hier ergeben sich für die Zukunft neue Möglichkeiten nicht nur der räumlichen, sondern auch der engen inhaltlichen Zusammenarbeit, zumal auch daran gedacht ist, den Garten durch einen Zugang zu den benachbarten Lübecker „Bürgergärten“ mit weiteren Kultureinrichtungen und Museen zu verknüpfen und für das Publikum zu öffnen“, so Prof. Wißkirchen. Der neu gestaltete Garten bietet Platz für Skulpturen. Bereits jetzt beherbergt er ein Geschenk, für das Wißkirchen dem Ehepaar Erika und Frank-Thomas Gaulin sowie Günter Grass dankte, die so genannte „Aua“, ein liegender dreibrüstiger Torso aus Bronze, 200 Kilogramm schwer, entstanden in diesem Jahr.

Kuratiert wurden die neuen Ausstellungen von der Kunsthistorikerin Stefanie Wiech, die dabei von Hilke Ohsoling, Sekretariat Günter Grass, Prof. Hans Arnold und Grass‘ Galeristen Frank-Thomas Gaulin beratend unterstützt wurde. Mit der Sonderausstellung „Der frühe Grass – Die 50er Jahre“ blickt das Haus auf die künstlerischen Anfänge des Literaturnobelpreisträgers und Bildkünstlers zurück. Dabei zeigen sich überraschende Aspekte: Bevor Grass mit dem Roman „Die Blechtrommel“ zu Weltruhm gelangte, begriff er sich vor allem als Lyriker und Theaterautor. „Seine Dramen lassen sich dem Absurden Theater zuordnen und spiegeln in grotesken Szenen menschliche Verhaltensweisen wieder“, erklärte Wiech. Neben den Dramen stehen frühe Lyrik und das experimentelle Entwickeln eigener Ausdrucksformen in der Grafik im Mittelpunkt und zeigen eher unbekannte Seiten des Künstlers Grass. In dieser Sonderausstellung werden zum größten Teil Grafiken gezeigt, die die Öffentlichkeit so noch nie zu Gesicht bekommen hat. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Gedichte und Grafiken zu „Die Vorzüge der Windhühner“, mit denen Grass seine ersten Erfolge feierte. Als bildender Künstler suchte Grass, der nach dem Krieg zunächst ein Praktikum als Steinbildhauer gemacht und dann in Düsseldorf und Berlin Kunst studiert hatte, seinen eigenen Stil: Dabei entschied er sich gegen den Trend der Zeit für eine gegenständlich Kunst, der er Zeit seines Lebens treu blieb. Die Ausstellung zeigt Manuskripte und Grafiken, Fotografien der Uraufführungen der Dramen, Skulpturen, Akt- und Porträtstudien sowie Aquarelle.

Die neue Dauerausstellung hingegen stellt unter dem Titel „Bildwelten des Günter Grass“ zentrale Elemente als Konstanten seines künstlerischen Schaffens dar. Der Begriff der „Bildwelten“ sei dabei nicht auf die bildende Kunst allein bezogen zu verstehen, erläuterte Wiech, sondern trage der Tatsache der künstlerischen Mehrfachbegabung Günter Grass‘ auch auf der gestalterischen Ebene Rechnung. So gehe es um die Wechselwirkung von Kunst und Literatur, aber auch das Medium Film habe jetzt seinen Platz in der neuen Präsentation. „Wir haben versucht, in der neu konzipierten Dauerausstellung die Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre produktiv werden zu lassen“, so Wißkirchen. In der neuen Ausstellung findet sich erstmals ein umfangreicher Komplex zu dem Roman „Die Blechtrommel“ – dem Buch, das den Ruhm von Günter Grass begründet hat.

Auch die oscarprämierte Verfilmung durch Volker Schlöndorff ist präsent. Insbesondere Schülern bietet dieser Komplex einen sehr guten Einstieg in das Werk von Günter Grass. Das gilt auch für die Ausstellungsbereiche, die sich mit „Mein Jahrhundert“ und der Novelle „Im Krebsgang“ beschäftigen. Hier kann man die Arbeitsweise von Günter Grass an zwei konkreten Beispielen verfolgen. Aber auch die „Experten“ sollen in der neuen Ausstellung auf ihre Kosten kommen: So kann etwa das vertraute „Bestiarium“ von Günter Grass – Ratte, Butt betrachtet werden.

Zu den bereits vorhandenen Hörstationen sind weitere multimediale Elemente hinzugekommen. Der Besucher kann sich am Computer intensiver mit den Bildwelten von Günter Grass beschäftigen und an anderer Stelle authentische Filmaufnahmen betrachten. Gestaltet wurden die neuen Ausstellungen vom Studio Andreas Heller, Hamburg.

Am 27. Oktober 2007 würdigt die Hansestadt Lübeck Günter Grass offiziell zu seinem achtzigsten Geburtstag mit einem Festakt im Theater Lübeck. Bundespräsident Horst Köhler und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen haben ihre Teilnahme zugesagt. Den Part der Laudatoren teilen sich Juli Zeh und Klaus Wagenbach.

Ebenfalls im Oktober beginnt im Günter Grass-Haus ein Zyklus mit Lesungen zum Thema „Lebenserinnerungen“ mit Johano Strasser, Ralph Giordano, Fritz Raddatz und Hartmut von Hentig. Das Günter Grass-Haus bietet außerdem Einführungskurse in künstlerische Techniken wie Radierung, Aquarell und Lithografie, sowie Führungen durch die Ausstellungen an. Das gesamte Programm ist zu finden unter: www.guenter-grass-haus.de

Zur Neueröffnung des Hauses erscheint der Begleitband „Günter Grass – Schriftsteller und Bildkünstler“ mit einführenden Beiträgen zu den „Bildwelten“ des Günter Grass, zur frühen Lyrik, zu Grass als Theaterautor, zur Blechtrommel-Verfilmung und zu „Mein Jahrhundert“ sowie einer Auswahlbibliografie. Ein farbiger Bildteil gibt Einblicke in die umfangreichen Bestände des Hauses und damit einen Überblick über das künstlerische Schaffen von Günter Grass in all seinen Techniken: Radierung und Lithografie, Zeichnung und Aquarell, Bronze und natürlich das Schreiben. Der 63 Seiten umfassende Band ist zum Preis von 7,50 ¤ im Museumsshop des Günter Grass-Hauses erhältlich.

Die Ausstellungen wurden großzügig gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein und den Freundeskreis des Günter Grass-Hauses. Die baulichen Maßnahmen, insbesondere die Einrichtung des neuen Gartens, wurden ermöglicht durch die Possehl – Stiftung, Lübeck.

Günter Grass-Haus
Forum für Literatur und Bildende Kunst
Glockengießerstraße 21
23552 Lübeck