Bischof Abromeit: „Wir sehen die Spuren des Bombenangriffs bis heute“
Mit einer gottesdienstlichen Feier in der Marienkirche und einer Kranzniederlegung auf dem Markt begeht Anklam heute (9. Oktober) den 70. Jahrestag des ersten Luftangriffs der US Air Force auf die Stadt. Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit erinnerte in seinem Grußwort an die Zerstörung der Anklamer Innenstadt: „Wir trauern um die Menschen, die ihr Leben verloren haben. Wir sehen die Spuren des Bombenangriffs bis heute. Der hanseatische Schmuck der Stadt ist vergangen. Unschuldige Menschen wurden getötet.“
Am 9. Oktober 1943 wurde Anklam als erste deutsche Kleinstadt Opfer eines Bombenangriffs der US Air Force. Eigentliches Ziel waren die Arado Flugzeugwerke, die zur kriegswichtigen Industrie gehörten. Die meisten Opfer gab es jedoch in der Innenstadt rund um den Marktplatz und um die Marienkirche, die selbst schwer beschädigt wurde. Innerhalb von zehn Minuten kamen mehr als 350 Menschen ums Leben. Die Anklamer Pastorin Petra Huse: „Die Erinnerung an diesen völlig unerwarteten Einbruch des Krieges an einem regen Markttag begleitet die Stadt noch immer. Ich spüre das bei den Menschen, die diese Geschichte haben und auch bei deren Kindern und Enkeln.“
Petra Huse und die evangelische Kirchengemeinde haben die Gedenkfeier gemeinsam mit der Stadt Anklam veranstaltet. Hauptredner war der 1925 in Anklam geborene Jurist, Publizist und entschiedene Pazifist Heinrich Hannover. Seine Eltern haben 1945 beim Einmarsch der Roten Armee in Anklam wie 600 andere Menschen den Freitod gewählt.
Der Greifswalder Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern machte klar, dass es auf die Frage nach der Schuld für Zerstörung und Tod vor 70 Jahren keine einfachen Antworten gäbe: „Auf der einen Seite sehen wir das Unrecht, das in dem Angriff auf Anklam lag. An jenem 9. Oktober 1943 wurden eben nicht nur die militärischen Ziele getroffen. Und auf der anderen Seite wissen wir, dass es Deutschland selbst war, das das Feuer des Krieges in die Welt getragen hatte.“ Statt Antworten könne es nur eine einzige Forderung geben: „Krieg soll nach dem Willen Gottes nicht sein, das hat die Ökumenische Bewegung 1948 deutlich formuliert. Es gibt keine Probleme zwischen Völkern und Staaten, die mit Hilfe eines Krieges gelöst werden könnten. Krieg zerstört immer auch Unschuldige und schafft dadurch neue Opfer.“
Die Gedenkveranstaltung will nicht bei der Rückschau stehen bleiben, sondern möchte beitragen zu einer Versöhnung mit der Vergangenheit und mit den Feinden von damals. Sichtbares Zeichen dafür war der Besuch der amerikanischen Vikarin Rosalind Gnatt. Mit ihr war auch eine Vertreterin der United Church of Christ (Michigan/USA) anwesend, die nach vielen Jahren der Partnerschaft mit der Pommerschen Kirche nun Partnerkirche der Nordkirche ist. Deren Kirchenpräsident Campbell Lovett hatte ein Grußwort gesandt. Bischof Abromeit: „Unsere Feinde von damals sind heute unsere Freunde. Es ist möglich, dass Feinde ihren Streit beilegen und gemeinsam einen Weg des Friedens miteinander gehen. Ich bin dankbar, mit amerikanischen Vertretern unserer Partnerkirche gemeinsam für eine gerechte und friedliche Welt und den gewaltlosen Ausgleich von Konflikten eintreten zu können.“
Auf den Bombenangriff vom 9. Oktober 1943 folgten 1944 weitere. Vollständig zerstört wurde die Stadt Anklam allerdings durch die eigene deutsche Luftwaffe. Sie bombardierte Anklam, nachdem die Rote Armee die Stadt am 29. April 1945 eingenommen hatte. Dabei kamen fast so viele Menschen um, wie beim ersten Angriff der Amerikaner.