Die Shopping-Center-Welt verändert unsere Innenstädte
KIEL: Tendenz weiter fallend – so kann man, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Entwicklung der Mieten für Ladenflächen in zentralen städtischen Lagen beschreiben. Besonders in den größeren Städten des Landes sind Ladengeschäfte zunehmend schwerer zu vermieten. Vermieter reagieren bereits.Die OTTO STÖBEN-Gewerbeabteilung konnte in einer aktuellen Studie zum bisherigen Jahresverlauf nachhaltige Veränderungen und Verschiebungen auf dem schleswig-holsteinischen Markt feststellen.
Gerade in den größeren Städten im Land wie Kiel, Neumünster, Norderstedt oder Lübeck mit einem oder mehreren Shopping-Centern im Einzugsgebiet wurde in den Innenstädten eine neue Situation geschaffen. Die Preise für 1a-Lagen sind jetzt schon teilweise zweistellig zurückgegangen.
Bemerkenswert ist, dass Städte ohne Center wie Husum oder Eckernförde im gleichen Zeitraum profitieren konnten. Die Mietpreise dort sind aufgrund der Nachfrage sogar zweistellig gestiegen.
In früheren Jahrzehnten fuhr man „in die Stadt“, wenn größere Besorgungen unterschiedlicher Art zu tätigen waren. „Die Stadt“ meinte die Innenstadt, die sich dadurch auszeichnete, dass sich dort in fußläufiger Konzentration alles fand, dessen man bedurfte – vom teuren Spezialisten über den großen Fachhandel bis zu mehreren Warenhäusern. Dieses Komplett-Angebot hat sich, zumindest im Einzugsbereich der größeren Städte, von der City in die Einkaufszentren verlagert. Diese bieten vor allem zwei Vorteile: Parkplätze en masse sowie die Möglichkeit, trockenen Fußes von einem Laden zum nächsten zu gelangen. Ihre Beliebtheit bei den Kunden saugt mehr und mehr auch die besonders finanzstarken Mieter (große Marken oder Handelsketten) aus den Innenstädten ab. Aus Angst vor Leerstand wird dann in schneller Folge an Ramsch- und Billiganbieter vermietet, was diese Lagen noch unattraktiver werden und die Mieten weiter sinken lässt.
Worin kann, bei diesem Befund, die Chance der Innenstädte bestehen? In einem satirischen Sketch versuchen sich zwei Freunde per Handy-Gespräch zu treffen. Beide behaupten, im Starbucks-Café zu sitzen, jenem Starbucks zwischen Tchibo und Subway, schräg gegenüber von McDonald´s. Das geht eine Weile so, bis einem die klärende Frage einfällt: „In welcher Stadt bist du?“. Diese satirische Überzeichnung trifft den Nagel auf den Kopf. Mit Masse und 08/15-Standard haben Innenstädte keine Chance. Denn das bieten die Einkaufszentren auch, nur viel bequemer.
OTTO STÖBEN sieht die Chance der Innenstädte mittelfristig darin, Angebote zu machen, die Shopping-Center in der Regel nicht bieten: Hoch spezialisierte Einzelhändler mit kreativen Ideen. Läden, in denen Kunden das finden, was nicht einmal der Online-Handel zu bieten hat. Geschäfte, deren Besuch an sich schon ein sinnliches Vergnügen ist.
Dass dies möglich ist, beweisen heute schon etliche Unternehmen. In einer schleswig-holsteinischen Kleinststadt mit 16.000 Einwohnern florieren beispielsweise eine Papeterie und eine Spezialhandlung für Stoffe und Kurzwaren. In Schleswig-Holsteins zweitgrößter Stadt residieren in bester Lage unter anderem eine kleine Druckerei (nicht digital, sondern traditioneller Hochdruck), eine wie aus der Zeit gefallene klassische Drogerie, ein Eisenwarenhändler, ein Sattler und ein Fachgeschäft nur für Regenschirme. In der Landeshauptstadt gibt es eine Buchhandlung, in der garantiert kein einziger Titel zu finden ist, den Hugendubel und Co. im Präsenzangebot haben, dafür aber edle Weine aus Spanien und fachkundige Beratung.
Solche, mit Leidenschaft betriebene Kleinunternehmen können durchaus gut überleben. Die zahlungskräftige Kundschaft ist da. Und sie nimmt weitere Wege gerne in Kauf. Nur eines können diese Geschäfte zunächst nicht: Spitzen-Mieten bezahlen, die einen Massenumsatz voraussetzen.
Hier werden die Vermieter innerstädtischer Ladenflächen zumindest kurzfristig umdenken müssen. Die Goldesel mit Großumsätzen gehen dorthin, wo sie ihre Massenkundschaft finden, in die Konsumzentren. Um die Spezialisten mit ihren besonderen Angeboten in die City zu locken, müssen die Mietforderungen zunächst einmal auf ein betriebswirtschaftlich akzeptables Niveau sinken.
Wie die aktuelle Studie der OTTO STÖBEN-Gewerbeabteilung zeigt, haben die ortsansässigen Vermieter die neue Situation schnell erkannt und passen ihr Angebot bereits dem Markt an.