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Glaubhaft

Brunei: Einführung der Scharia

Christen befürchten Keine Rechtsgrundlage für Schuldspruch

(Open Doors) –Seit fast 47 Jahren regiert Sultan Hassanal Bolkia als absoluter Monarch über den kleinen Staat Brunei in Südostasien. Für den Mai kündigte er umfassende Gesetzesänderungen und die Einführung der islamischen Gesetzgebung nach der Scharia an. „Ich vertraue ganz auf Gott, den Allmächtigen, und bin ihm dankbar, dass die Durchsetzung von Phase eins des Scharia-Rechts, auf die die weiteren Phasen folgen werden, nun vollzogen werden kann“, sagte er in einer Rede am 30. April.Brunei hat etwa 427.000 Einwohner, davon sind knapp 10 Prozent Christen. Bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes wurden vor allem Kirchenleiter streng überwacht. Sie rechnen damit, dass der Druck auf sie nun weiter steigen wird. Die Anwendung islamischer Gesetze im Zivilrecht ist in Brunei schon jetzt nicht unüblich, vor allem bei Personenstands- und Familienangelegenheiten. Nun sollen die Bestrafungsmöglichkeiten nach dem islamischen Recht auch für Strafsachen gelten. Am Ende der schrittweisen Einführung des neuen Rechtekatalogs sind auch schwere Körperstrafen vorgesehen, wie etwa Auspeitschung für Ehebruch, Amputation von Gliedmaßen für Diebstahl und Tod durch Steinigung für Vergewaltigung und Sodomie.

Einige Gesetze treffen vor allem Nichtmuslime härter

Zur ersten Phase gehören Gesetze, mit denen etwa das Essen und Trinken in der Öffentlichkeit während des muslimischen Fastenmonats Ramadan mit Geldstrafen und Haft geahndet werden kann. Einige Gesetze betreffen vor allem Nichtmuslime. Wie Scharia-Experten aus dem Religionsministerium bereits im Februar bekannt gaben, gilt das Tragen „unanständiger“ Kleidung künftig als Straftat, da dies „eine Schande für den Islam“ sei. Die hierfür fällige Strafe reicht bis zu sechs Monaten Gefängnis und/oder einer Geldbuße von umgerechnet maximal 1.150 Euro. Nichtmuslimische Frauen, die bei Behörden arbeiteten oder an offiziellen Veranstaltungen teilgenommen haben, mussten auch bisher schon den Hijab (Kopfbedeckung) tragen. Neu ist, dass die Verletzung dieser Vorschrift als Straftat gilt. „Der Beschluss Bruneis, das Scharia-Strafrecht einzuführen, ist für die Menschenrechte im Land ein riesiger Schritt zurück. Er bedeutet einen autoritären Schritt in Richtung brutaler mittelalterlicher Strafen, die in der modernen Welt des 21. Jahrhunderts keinen Platz haben“, sagte Phil Robertson, Vizedirektor für Asien von Human Rights Watch.

Christen verlieren Sorgerecht für ihre Kinder

Eines der Gesetze zielt speziell auf Christen muslimischer Herkunft ab. So dürfen muslimische Eltern ihre Kinder nicht der Obhut von Nichtmuslimen überlassen. Wird jemand in einer muslimischen Familie Christ, sind dadurch rechtliche Probleme vorprogrammiert. Zuwiderhandlungen ziehen bis zu fünf Jahren Haft und zusätzlich eine hohe Geldstrafe nach sich. Christen muslimischer Herkunft drohen für den Fall, dass ihr neuer Glaube bekannt wird das Sorgerecht für ihr Kind zu verlieren. „Alle elterlichen Rechte werden dem muslimischen Elternteil übertragen, wenn gemischt religiösen Eltern ein Kind geboren wird. Der nichtmuslimische Elternteil wird in keinem amtlichen Papier anerkannt, auch nicht in der Geburtsurkunde des Kindes“, hieß es bereits 2012 im Bericht des US-Außenministeriums zur internationalen Religionsfreiheit.

Darüber hinaus kann diese Einschränkung mit Inkrafttreten des Scharia-Gesetzes auf Dienste der Tagespflege durch Nichtmuslime ausgedehnt werden. Nichtmuslime können ihren Glauben auch nicht mehr mit Muslimen und Atheisten teilen, ohne eine Geldbuße von umgerechnet etwa 11.000 Euro, eine Haftstrafe von höchstens fünf Jahren oder beides zu riskieren. Ein Kind von Muslimen oder Atheisten andere Religionen als den Islam zu lehren, zieht die gleiche Bestrafung nach sich. Es gibt einige wenige christliche Schulen in Brunei, die von vielen Schülern ohne christlichen Hintergrund besucht werden. In der Konsequenz müsste dort nun der Islam gelehrt werden. Der Schultag an diesen Schulen beginnt üblicherweise mit einer Bibellesung. Nach Auskunft eines Schulvertreters fordern jedoch schon jetzt einige Eltern, stattdessen mit einem muslimischen Gebet zu beginnen.

Wie schnell die neuen Gesetze in die Praxis umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Derzeit fehlt es noch an der nötigen Infrastruktur. So gibt es noch nicht genügend Richter, die sich auf die Anwendung der Scharia spezialisiert haben. Im Etat des Landes ist aber ein Budget für die Einführung der Gesetze vorgesehen. Auf dem Open Doors Weltverfolgungsindex, einer Liste der 50 Länder, in denen Christen weltweit am stärksten verfolgt werden, belegt Brunei aktuell Platz 24. Open Doors unterstützt Christen in Brunei durch Hilfsprojekte.