Was ist die wahre Bedeutung des Karfreitags für die Menschheit?
Du bist nie allein – Gott ist bei dir!
(Was bedeutet der Tod Jesu für mich?)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus
Christus!1. Einleitung
Karfreitag – das ist heute ein Tag, an dem man es sich gut gehen lässt. Fragt man die
Menschen von heute, was den Karfreitag ist, so wird man die Antwort erhalten: Der
freie Tag vor Ostern. Ein Tag mehr zu einem sehr langen Wochenende, Zeit,
auszuruhen von der Arbeit der kurzen Woche und sich einfach zu freuen auf die
Osterfeiertage. Zeit für Ausflüge, Zeit für Zerstreuung, Zeit auch für die Familie.
Heute auch ein Tag, an dem man sich vorbereitet für Ostern. Und da malt man Eier
an oder stellt die Einkaufslisten zusammen für die Einkäufe am Sonnabend, den man
bereits Ostersamstag nennt. Und man denkt an die Kinder, die in zwei Tagen mit
Eifer die versteckten Ostereier suchen. Dazu hat man – hoffentlich – gutes Wetter,
der Frühling ist da.
Dabei ist der Ursprung dieses Tages deutlich weniger locker, leicht, fröhlich und
erholsam, als wir ihn heute begehen. Karfreitag, das kommt vom althochdeutschen
Wort „Kara“, was so viel wie Klage, Kummer, Schmerz bedeutet. Karfreitag heißt
also: Der Freitag der Trauer, Trauer über den Tod Jesu, Trauer über das Kreuz.
Karfreitag war der Abschluss der Karwoche, die mit dem hoffnungsvollen
Palmsonntag begann, die am Gründonnerstag das Passionsgeschehen einleitet. Am
Karfreitag trug die christliche Gemeinde früher trauerschwarz, Tanzvergnügen
wurde abgesagt, die Wirtshäuser blieben zu und zu Essen gab es stets nur Fisch. Die
Kirche räumte den Altar ab, Bilder, Kerzen – sogar die Bibel verschwanden aus dem
Blickfeld der Gemeinde.
Was für ein Kontrast.
Dabei führt uns der Karfreitag hinein in die Mitte des christlichen Glaubens, des
christlichen Lebens, der Hoffnung, die uns Christen trägt und aus der wir unser
Leben gestalten. Am Karfreitag hing ein Mann, DER MANN schlechthin, der
Menschensohn an einem Stamm aus Holz, die Arme weit ausgebreitet, gemartert und
geschlachtet, kaum noch als ein Mensch zu erkennen – und das ist unsere Hoffnung,
unser Glaube, unsere Lebensmitte, unser Heil und unsere Heilung.
Markus 15, 33-41
Am Mittag wurde es plötzlich im ganzen Land dunkel. Diese Finsternis
dauerte drei Stunden.
Gegen drei Uhr rief Jesus laut: „Eli, Eli, lama sabachthani?“ Das heißt: „Mein
Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
Einige von den Leuten, die dabeistanden, meinten: „Er ruft den Propheten
Elia.“ Einer von ihnen tauchte sofort einen Schwamm in Essig und steckte
ihn auf einen Stab, um Jesus davon trinken zu lassen. „Wir wollen doch
sehen, ob Elia kommt und ihn herunterholt!“ sagte er.
Aber Jesus schrie laut auf und starb.
In demselben Augenblick zerriss im Tempel der Vorhang vor dem
Allerheiligsten von oben bis unten.
Erschüttert bekannte der römische Hauptmann, der neben dem Kreuz stand
und mit angesehen hatte, wie Jesus starb: „Dieser Mann ist wirklich Gottes Sohn gewesen!“
Einige Frauen hatten alles, was geschah, aus der Ferne beobachtet. Unter
ihnen waren Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus dem
Jüngeren und von Joses, sowie Salome. Sie waren schon in Galiläa bei Jesus
gewesen und hatten für ihn gesorgt. Zusammen mit vielen anderen waren sie
mit Jesus nach Jerusalem gekommen.
2. Dunkelheit und Gottverlassenheit
Wer kennt das nicht: Wir stehen mitten im Leben und dann plötzlich überkommt uns
eine tiefe Dunkelheit. Etwas Unerklärliches, Bedrohliches, Unbekanntes tritt in unser
Leben, das uns Schwierigkeiten, ja auch Angst macht. Das Gefühl von Zweifel breitet
sich aus, das sich bald in eine Frage kleidet: „Wo bist Du, Gott? Warum geschieht mir
so etwas?“
Als im Dezember 2004 der Tsunami durch den Indischen Ozean rollte und
Abertausende von Menschen dabei den Tod fanden, fragte eine große deutsche
Boulevardzeitung: „Wo warst du, Gott?“
Das kann also ganz vielfältig sein: Eine schwere Krankheit, der Tod eines
Angehörigen, Probleme mit den Kindern oder mit den Eltern. Und wir haben das
Gefühl, allein mit diesen Schwierigkeiten zu sein. Es schleicht sich Dunkelheit in
unsere Seele. Und der von Geschwistern gut gemeinte Ratschlag: „Frag nicht warum,
frag wozu geschieht mir das“ klingt wie hohles Geschwätz, in dem kein Trost ist. Was
weißt Du von meinem Schmerz? Was weißt Du von meinem Leid? Am Ende stirbt
doch jeder für sich allein, frei nach Hans Fallada.
„Und in der sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur
neunten Stunde; und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme:
„Eloi, Eloi, lema sabachthani?“ was übersetzt ist: „Mein Gott, mein Gott,
warum hast Du mich verlassen?“ Mk 15, 34
Es ist Jesus, der Herr, in seiner tiefsten Erniedrigung, der die Frage nach dem
Warum stellt. Wer von uns hätte hier den Mut, Jesus den gut gemeinten Rat
zu geben: Frag nicht warum, frag doch wozu. Erinnere dich doch, was dein
Auftrag ist. Doch es ist der Herzensschrei des gepeinigten Menschen, der leidet..
Gott hält hier Gericht über die Sünde, Gericht über das Böse in der Welt und Gericht
über das, was sich seinem Plan in den Weg gestellt hat. Und all das legte Er auf
Seinen einzigen Sohn, der einzige Mensch überhaupt, der ohne jede Sünde und ohne
jede Gottlosigkeit war. Seinen Sohn, der stets mit Gott verbunden war und nun durch
das Gericht der Gottverlassenheit ging. Denn all dies geschah, weil die Strafe Gottes
auf Ihm, Jesus Christus, dem Knecht Gottes lag (Jesaja 53, 5).
Gott wurde in Jesus Christus Mensch und starb den Tod in Jesus Christus für
uns, damit es keinen Ort mehr gibt, an dem Gott nicht ist.
Es ist nicht zufällig, dass Jesus am Kreuz diesen Ruf schrie: Mein Gott, mein Gott,
warum hast Du mich verlassen. Es ist Psalm 22, den er hier in seiner Todesstunde
zitiert:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Fern von meiner
Rettung sind die Worte meines Gestöhns. Mein Gott, ich rufe bei Tage und
du antwortest nicht, und bei Nacht, und mir wird keine Ruhe“ (Psalm 22, 2-3)
In der tiefsten Erniedrigung kommt Jesus dazu, den von ihm empfundenen Schmerz,
die tiefe Qual, von seinem Vater, mit dem er Zeit seines Daseins immer verbunden
war, getrennt zu sein, dies in die Worte des Psalmdichters David zu formulieren.
Auch Jesus fühlte sich Gott verlassen, auch Jesus erlebte diesen Schmerz, dass Gott
eben nicht mehr da ist, dass Gott sich abgewandt hat und dass Gott eben nicht die
Antwort auf die Frage nach dem Warum bereit hält. Jesus – eben auch nur ein Mensch? Jesus eben auch nur ein Mensch, der in Schwierigkeiten kapitulieren muss,
wie es uns auch geht und der deshalb Gott aufgibt, weil es eben keine Antwort auf
das Warum gibt?
Es fällt doch auf, dass Jesus eben nicht mit Gott hier bricht, eben nicht unter den
Schwierigkeiten zusammenbricht, die ihm zugemutet werden. Sondern er wendet
sich im Gebet an seinen Vater, an Gott selbst und stellt ihm die Frage nach
dem Warum. Wie schnell wenden sich die Menschen von Gott ab, wenn sie in
Schwierigkeiten kommen. Und dann bricht das Gespräch ab. Was soll denn das Gebet
mit Gott noch bringen, wenn Gott mich aufgegeben hat? Was soll denn das Gespräch
mit Gott noch bringen, wenn die quälende Frage nach dem Warum ohne Antwort ist?
Wenn wir das Gespräch mit Gott abbrechen, dann verlassen wir Gott und nicht
umgekehrt.
Das Warum ist unser menschlicher Versuch, die Dinge in einen
Zusammenhang zu bringen, mit uns selbst und der Welt ins Reine zu
kommen. Und viele Antworten auf das Warum passen uns nicht, weil sie uns in
einem schlechten Licht dastehen lassen. Doch allzu oft bleibt das Warum ohne
Antwort.
Ist es Gott gleichgültig, dass Sein Sohn stirbt? Ist es Gott gleichgültig, was und
warum mit uns passiert?
Gott ist es eben nicht gleichgültig, wie wir Menschen mit unseren Schwierigkeiten
umgehen, wie wir unsere Krankheiten, unsere Sünde, unsere Schuld, die Verletzung
an unserer Seele bewältigen. Und gerade deshalb ging er in Jesus Christus diesen
Weg, sich selbst zu entäußern, auf alle Rechte zu verzichten, damit er sich mit uns
Eins machen kann, damit er in unsere Herzen mit einem Verständnis, das aus
Erfahrung kommt, aus eigenem Erleben, aus Liebe und Mitempfinden. Gott ist mit
uns, er geht selbst durch die Gottverlassenheit, stirbt für uns und an unserer
Stelle, eben damit es keinen Ort in unserem Leben mehr gibt, an dem Er
nicht für uns erreichbar ist.
Golgatha ist Gottes Solidaritätserklärung mit uns Menschen, die wir unter der Last
unserer Schuld und der Last anderer Menschen Schuld leiden. Das Kreuz ist Gottes
Hilfe, wenn wir krank sind, gebrechlich und ohne Kraft.
Wir haben uns eben den Psalm 22 kurz angesehen. Den bekanntesten Psalm der
Bibel finden wir genau eine Hausnummer weiter. Und dieser Psalm stammt ebenfalls
von David, wo wir in Psalm 23 („Der Herr ist mein Hirte“) den Vers 4 finden:
„Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens, fürchte ich kein Unheil,
denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.“
Haben wir nicht eben davon gesprochen, dass Gott uns in der Dunkelheit verlässt?
Dass er selbst Jesus verlassen hat? Aber hier ist doch der Widerspruch, nur
einen Psalm weiter: Gott ist selbst da unser Trost und unser Stecken, wenn
wir am gottfernsten Ort dieser Welt, im Tal des Todesschattens wandern.
Wenn wir uns in Schmerz und Krankheit isoliert fühlen, wenn wir mit unserer Schuld
und dem schlechten Gewissen, das sie verursacht, nicht anders klar kommen, als
darüber zu schweigen, dann kapseln wir uns von Gott ab. Es ist der Widersacher, der
uns suggerieren will, dass Gott sich nicht für uns interessiert und uns wegen des
Unheils, das über uns gekommen ist, verlassen hat.
Denn die Wahrheit ist: Gott kennt unseren Schmerz und Er verlässt uns
niemals, eben weil Jesus diese Verlassenheit selbst erlitt, als er am Kreuz
zwischen Himmel und Erde hing, als ein Gemarterter und Entrechteter, als Gott
ihm die Sünde der Welt auflud, da wurde für Dich der Weg frei:
−Hin zu Gott.
−Hin zum Heil.
−Hin zur Gesundheit.
−Hin zur Stärke
−Hinein in die Gemeinschaft mit Gott, die trägt und die kein Ende hat.
Du bist nie allein – Gott ist bei Dir.
3. Reaktion der Umstehenden
„Und als einige der Dabeistehenden es hörten, sagten sie: Siehe, er ruft Elia.
Einer aber lief, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr,
gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komm, ihn
herabzunehmen.“ (Mk 15, 35-36)
Das Bemerkenswerte ist, dass beileibe nicht die Gottlosen unter dem Kreuz stehen
und Jesus verspotten. Es sind fromme Menschen, die sich in der Bibel gut
auskennen, die ihrem Spott freien Lauf lassen. Dabei müssten sie doch die
Schriften kennen, die auf das Kommen und Leiden des Messias hinweisen. Sie halten
sich hier aber beim Vordergründigen auf. Ihre Frömmigkeit steht dem Erfassen
dessen, was hier eigentlich vor sich geht, im Wege.
Erkennen wir in unserer Frömmigkeit und mit unserem Bibelwissen den Messias
wieder, wenn Er sich uns zeigt?
Viele von uns sind voll von Bibelwissen und kennen sich Vers für Vers mit der Schrift
gut aus. Es ist ja doch von Vorteil, die Bibel gut zu kennen. Aber nehmen wir die
Bibel dann nur als Steinbruch, um unser biblisches Wissen zu vermehren und wie
man sich guter und anständiger Christ zu verhalten hat, können wir Gefahr laufen,
eben Gott nicht zu erkennen, wenn Er sich uns zeigt. Das kann schon ganz praktisch
dann geschehen, wenn wir die verheißungsvollen Aussagen der Schrift nur kennen,
ohne aber deren Bedeutung für uns in Anspruch zu nehmen.
Jesus starb für uns, das heißt doch auch: Für mich!
Wenn wir erklären, dass Jesus ja doch nichts an unserer Lebenssituation ändern
kann, dann sagen wir nichts anderes als: Lasst uns sehen, ob Elia kommt, Jesus vom
Kreuz zu nehmen. Und das kann durchaus im frommen Gewand daherkommen: Was
für alle gilt, das gilt nicht für mich. Ich bin so in Sünde, mir kann Gott gar
nicht vergeben, auch wenn Jesus am Kreuz hängt. Mag sein, dass Jesus selbst
die Krankheit am Kreuz getragen hat, aber meine Krankheit hat mir Gott
gegeben.
Das ist frommer Selbstbetrug, der das Opfer Jesu ausschlägt.
Martin Luther, der große Reformator, ein Mann der Bibel und damit ein großer
Kenner des Wortes Gottes, litt unter starker Schwermut. Heute würden wir sagen,
dass er häufig depressiv war. Eines Tages, als er wieder in Depressionen versank,
zog sich seine Frau Katharina („Herr Käthe“) Trauerkleider an, löschte die Kerzen im
Haus und verstummte. Dies störte Luther und er fragte: Was soll das? Und Katharina
antwortete: Wenn du so verzweifelt bist wie jetzt, dann ist Jesus wirklich umsonst
gestorben.
Wenn in der Bibel steht, dass in den Wunden Jesu unser Heil und unsere Heilung ist,
dann dürfen das in Anspruch nehmen. Und wenn in der Bibel steht, dass Jesus aus
Liebe verblutet ist, um uns unsere Schuld zu vergeben, dann dürfen wir diese
Vergebung annehmen. Dann bleibt auch kein Raum mehr für Depression, kein
Platz mehr für Unvergebenheit – und auch kein Grund mehr, dem Opfer Jesu
mit frommer Motivation ins Gesicht zu schlagen.
Du bist nie allein – Gott ist bei dir!
4. Jesus stirbt – der Vorhang zerreisst
„Jesus aber stieß einen lauten Schrei aus und verschied. Und der Vorhang im
Tempel zerriss in zwei Stücke, von oben bis unten.“ (Mk 15, 37-38)
Woher nahm Jesus eigentlich noch die Kraft, nach all den Anstrengungen mit lauter
Stimme einen Schrei auszurufen? Und was mag er da noch geschrieen haben?
In Johannes 19, 30 wird uns berichtet, dass er noch rufen konnte „Es ist vollbracht“
Und es gibt guten Grund dafür, dass das Vollbringen dessen, wozu Jesus in die Welt
gekommen war, ihm die Kraft gegeben hat, nach einem mehrstündigen Todeskampf
nicht etwa sein Leben einfach so auszuhauchen, sondern noch mit lauter Stimme zu
rufen.
Im Alphakurs, in dem ich mitarbeite, habe ich viele Menschen kennengelernt, die
unter der Last ihres Lebens schwer zu tragen hatten. Und wenn hier Menschen zum
Glauben an das Evangelium durchbrechen, dann gibt ihnen das Kraft,
unwahrscheinlich große Kraft, selbst mit den widrigsten Umständen des Lebens
klarzukommen. Menschen lernen Jesus Christus kennen, tun Buße über ihre Schuld
und empfangen göttliche Vergebung. Woher nehmen diese Menschen noch
Kraft? Aus der Vergebung Jesu, die ruft „Es ist vollbracht“. Und das gilt auch
für dich!
Als Jesus starb und damit das Werk, für dass er gekommen war, vollbracht hatte,
zerriss der Vorhang im Tempel vor dem Allerheiligsten. Durch den Tod, den Jesus
stellvertretend für uns und in Solidarität mit uns erlitt, haben wir allezeit und an
jedem Ort Zugang zu Gott. Jesus ist der Hohepriester geworden, der uns den Zugang
zum Sitz Gottes, zum Herzen Gottes eröffnet hat. Die Bibel macht hier klar, dass das
nicht stimmt: Niemand ist zu unbedeutend, kein Anliegen zu klein, keine
Lebenssituation zu fremd, als dass Du und Du und Du nicht damit vor Gott
kommen könntest. Du sagst noch: Ich bin nicht gemeint, Gott ist für mich
unzugänglich, er hat sich von mir abgewandt und für mich gibt es weder Gnade noch
Liebe. Und das Wort Gottes spricht Dir hier zu: Seitdem dieser Vorhang zerrissen ist
vor dem Allerheiligsten, hast Du immer, zu jeder Zeit, zu jeder Gelegenheit und mit
allem Zugang zu Gott, der Dir aus lauter Liebe begegnet.
Du bist an keinem Ort dieser Welt allein, denn Gott ist bei dir.
5. Die Reaktion der Heiden
„Als aber der Hauptmann, der ihm gegenüber dabeistand, sah, dass er so
verschied, sprach er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“(Mk 15,39)
Es ist nicht immer ein Alphakurs erforderlich, damit ein Mensch zum Glauben
kommt. Und das, obwohl es durchaus hilfreich ist, einen Alphakurs zu absolvieren,
damit man zum Glauben an das Evangelium durchbricht.
Von dem Hauptmann wird nicht berichtet, dass er in den heiligen Schriften der
Juden, in dessen Gebiet er die römische Besatzungsmacht vertrat, bewandert war. Er
stand einfach unter dem Kreuz, an das Jesus genagelt war, vielleicht hat er sogar das
Hinrichtungskommando befohlen. Und man kann sagen, dass er beeindruckt war von
dem, was er an diesem dunklen Tag erlebte. Vor allem war er beeindruckt von dem
Tod eines gewissen Jesus von Nazareth, dessen Verbrechen man damit beschrieb,
dass er sich zum „König der Juden“ erklärt hatte. Dieser Ausruf ist ein klares
Glaubensbekenntnis: „Dieser Mensch war Gottes Sohn.“ Kennen wir das nicht von
woanders her? Auf die Frage Jesu an seine Jünger, wer sie denn meinten, dass er
sei, antwortet Petrus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes
“ (Mt 16, 16). Und Jesus antwortet hierauf: „Glückselig bist du, [Petrus]…
denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der
in dem Himmel ist.“ (Mt 16,17)
Was unterscheidet hier das Bekenntnis des Petrus, der in enger Gemeinschaft mit
Christus lebte, von dem Ausruf des römischen Hauptmanns? Nichts. Nur stammt der
römische Hauptmann aus einer durch und durch gottlosen Welt. Und doch berührt es
ihn tief, was er das sieht, so tief, dass er die Natur Jesu begreift. „Dieser Mensch war
Gottes Sohn.“ Ein Gottloser spricht aus, was viele Fromme mit Hohngelächter
und Spott quittiert haben, weil ihnen der Tod des Messias nicht ins religiöse
System gepasst hat.
Natürlich laden wir weiter Menschen dazu ein, den Glauben an Christus und an das
Evangelium kennen zu lernen. Natürlich laden wir Menschen dazu ein, den Alphakurs
oder ähnliche Veranstaltungen zu besuchen. Nur bilden wir uns dabei nicht ein, dass
allein das Vermitteln von Wissen den Glauben macht. Es ist ein Zutiefst-Ergriffensein
von der Gnade und dem Geschehen am Kreuz von Golgatha, dass einen Menschen
erst zum Glauben führt. Der Weg vom Gottlosen zum Christen führt immer und
ohne jeden Umweg über diesen Hügel namens Golgatha und über das Kreuz,
an dem Jesus für die Sünder verblutet ist.
Tröstlich auch für uns, dass wir im Kreuzgeschehen Christus erkennen dürfen. Denn
was immer uns in dieser Welt auch versucht, was immer uns auch an Gottlosigkeit
und Sünde festhalten will. Wir kommen zurück zum Kreuz von Golgatha und dürfen
dort ausrufen: Jesus, du Sohn des lebendigen Gottes, sei mir Sünder gnädig.
Daher ist unser Platz als Christen stets unter diesem Kreuz, von dem Heilung und
Vergebung ausgehen.
Daher stehen wir als Christen immer vor dem gekreuzigten Christus, der die Mitte
unseres Lebens ist.
Daher wenden wir Christen uns von diesem Ort der Welt zu in dem festen Vertrauen,
dass uns Heilung und Vergebung aus lauter Gnade geschenkt worden sind. Und wir
dürfen diese Heilung und die Vergebung weitergeben.
Auch dem Gottferne kann sich Gott offenbaren – weil auch er nicht allein ist.
6. Die Frauen unter dem Kreuz
„Es sahen aber auch Frauen von weitem zu, unter ihnen auch Maria
Magdalena und Maria, Jakobus des Kleinen und Joses´ Mutter, und Salome,
die, als er in Galiläa war, ihm folgten und ihm dienten, und viele andere, die
mit ihm nach Jerusalem aufgekommen waren.“ (Mk 15, 40-41)
Was mag in den Gefährten Jesu vorgegangen sein, als sie in einiger Entfernung
zusahen, wie Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, dann langsam starb und in seiner
Todesstunde schrie? Furcht, Entsetzen? Enttäuschung?
Wie steht Ihr, wie stehst du vor dem Kreuz Jesu?
Es gibt wohl kaum ein Geschehen in der ganzen Bibel, das unsere Emotionen so
aufrüttelt, wie die Kreuzigung. Als vor ein paar Jahren der Film „ Die Passion Christi“
in die Kinos kam, ging ein Aufschrei durch Deutschland, auch durch große Teile der
Christenheit: Zu blutig. Zu schreckliche Bilder. Unverantwortlich, Christus so
darzustellen.
Ist es da denn tröstlich, wenn die Christen mit Paul Gerhardt singen „O Haupt voll
Blut und Wunden, / voll Schmerz und voller Hohn./… Du edles
Angesichte,/Davor sonst schrickt und scheut/Das große Weltgewichte,/Wie
bist du so bespeit!/Wie bist du so erbleichet!/Wer hat dein Augenlicht,/Dem
sonst kein Licht nicht gleichet,/So schändlich zugericht’t?“
Doch es ist unverantwortlich, Christus nicht so darzustellen, in einer Welt, die sich
mit billigem Trost zufrieden gibt, die sich entfernt hat von der harten Realität dieses finsteren Tages namens Karfreitag auf Golgatha im Jahre 33. Denn wir haben keine
andere Wahl, als den Preis, den Jesus bezahlt hat, uns immer wieder neu vor Augen
zu führen. Weil wir wissen, dass weder wir noch sonst irgend ein Mensch an diesem
Kreuz vorbeigehen können.
Als die „Passion Christi“ lief, schrieb eine Schwester hier aus der Elim in unserer
Zeitung „Kreuz und Quer“, dass sie nach den Bildern dieses Films das Abendmahl als
Vergegenwärtigung des Opfers Jesu ganz neu, ganz anders und viel ernster sehen
wird als vorher. Es ist nicht religiöse Routine, das Abendmahl zu feiern. Es wurde ein
hoher Preis bezahlt.
Ja, es beschäftigt uns auch Trauer um den Tod des unschuldigen Jesus.
Ja, wir dürfen Karfreitag auch als einen ernsten Tag feiern.
Aber nein, zur Verzweiflung besteht kein Anlass.
Denn nur am Kreuz ist unser Heil, nur am Kreuz finden wir Heilung und Vergebung.
Und ohne das Leiden und Sterben unseres Heilands wäre uns keine Versöhnung mit
Gott möglich.
Auf Karfreitag folgt immer noch Ostern. Auf den Tod folgt das Leben. Denn die
Kraft Gottes ist immer wirksam, kein Mensch muss allein bleibeb!
7. Zusammenfassung und Schluss
Wir stellen fest, dass uns das Wort Gottes unser Heil zuspricht, nicht trotz, sondern
wegen des Todes Jesu.
Jesus starb für uns – damit es keinen Ort mehr gibt, an dem Gott nicht zu finden ist.
Jesus starb für uns – weil Gott sich mit dem Leiden seiner Geschöpfe solidarisch
erklärt.
Jesus starb für uns – damit wir in seinen Wunden unser Heil und unsere Heilung
erkennen.
Jesus starb für uns – damit wir immer und überall Zugang zu Gott haben.
Jesus starb für uns – damit wir das Heil und die Vergebung Gottes leben und
weitergeben dürfen.
Jesus starb für uns – damit wir wissen, dass der Gott über den Tod triumphiert.
Und deshalb ist die Botschaft von Karfreitag keine drückende, traurige Botschaft
eines schiefgelaufenen Messiaslebens. Sondern die Botschaft vom Kreuz, das an
Karfreitag aufgerichtet wurde und an dem der Gottessohn zwischen Himmel und
Erde hängend verblutete, ist die Botschaft der Hoffnung und der Liebe Gottes, die da
lautet:
Du bist nie allein – Gott ist bei dir!
In dem bereits angesprochenen Lied von Paul Gerhardt, dessen Geburtstag sich
dieses Jahr zum dreihundersten Male jährt, heißt es in der neunten Strophe:
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein! .
Und der Friede Gottes, der all unser Verstehen und Begreifen übersteigt, bewahre
unsere Herzen und Sinne in diesem Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Predigt zum Karfreitag, 06.04.2007, Christengemeinde Elim Hamburg