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Glaubhaft

„Der Mensch darf sich nie selbst genug sein – darum gehört Gott in die Verfassung“

Innenpolitik: Dieser Tag ist für Schleswig-Holstein ein besonderer Tag. Wir erneuern heute das Fundament unseres Landes: seine Verfassung. So etwas kommt nicht häufig vor. Und so eine Verfassungsreform muss auch die Ausnahme bleiben. Darüber sind wir uns in diesem Hohen Hause auch einig. Lange haben wir miteinander um die Inhalte gerungen, mehr als ein Jahr haben wir diskutiert, wie die neue Verfassung aussehen soll. Jede Fraktion hat ihre Vorstellungen in den Sonderausschuss hineingetragen. Nicht alles findet sich heute in diesem Verfassungstext wieder.Aber: Eine Verfassung ist nun einmal auch ein Kompromiss aus verschiedenen Ideen. Aber einer, der breit getragen wird. Und ich denke, wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Einen Kompromiss, der ein solides Fundament für Schleswig-Holstein sein wird. Ich werbe an dieser Stelle ausdrücklich dafür, Gott nicht außen vorzulassen.

Wir haben unseren Antrag eingereicht, weil wir nicht nur eine Verantwortung vor den Menschen tragen. Es geht darum, an die Grenzen menschlichen Handelns zu erinnern.
Der Mensch darf sich nie selbst genug sein.

Für mich persönlich als Christ ist es ein besonderes Bedürfnis, Gott in die Verfassung aufzunehmen. Diktaturen haben in unserer deutschen Geschichte Macht auf schreckliche Weise missbraucht. Die Aufnahme des Wortes „Gott“ in die Verfassung erinnert an die Begrenztheit und die Fehlbarkeit menschlichen Handelns. Und sie soll eine Mahnung daran sein, dass über allem eine höhere Instanz steht, der wir mit unserem Handeln gegenüber eine besondere Verantwortung tragen.
Dafür findet die deutliche Mehrheit der Menschen die Bezeichnung Gott am treffendsten. Die Reaktionen verschiedener Religionsgemeinschaften haben gezeigt, dass sie die Bezeichnung „Gott“ ausdrücklich unterstützen. „Gott“ soll vielmehr an die Verantwortung erinnern, die alle miteinander – ob gläubig oder auch nicht – gegenüber einer höheren Instanz haben.

Mit der Formulierung „Vor Gott und den Menschen“ würde Schleswig-Holstein auch die Verfassungstradition nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzen. Die Formulierung des Grundgesetzes ist aus unserer Sicht die beste. Sie ist am kürzesten, sie ist am prägnantesten und sie ist am treffendsten. Darum würden wir diese Formulierung des Grundgesetzes gerne auch in unsere Landesverfassung übernehmen.

Weil in der Verfassungsdiskussion eine Reihe von Bedenken gegen diese Formulierung des Grundgesetzes angeführt worden sind, es aber ebenso Bedenken gibt, Gott außen vor zu lassen, liegt heute ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch.
Der neue Formulierungsvorschlag ist ein
Kompromiss, der allen Abgeordneten die Möglichkeit ebnet, einem Gottesbezug in der Verfassung zuzustimmen. Gemeinsam mit einem Verweis auf das philosophische und humanistische Erbe. Mit dem Gottesbezug würden wir ein Zeichen der Demut setzen. Ich hoffe darum, dass nach der heutigen Abstimmung die vier Buchstaben fest in unserer Verfassung verankert sind.

Auch wenn die Abstimmung über die Verfassung noch aussteht, möchte ich einen großen Dank aussprechen. Die Diskussion um den Gottesbezug habe ich als bereichernd empfunden. Es ist beeindruckend gewesen zu sehen, wie viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sich daran beteiligt haben. Es waren nicht nur Kirchen und Verbände, die sich zu Wort gemeldet habe. Es waren viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die mit großer Leidenschaft und Engagement ihre Stimme erhoben haben – für und gegen den Gottesbezug. Das, was wir in den vergangenen Monaten in der Verfassungsfrage erlebt haben, das war und ist gelebte Demokratie. Und ich kann nur sagen: Solche öffentlichen Diskussionen brauchen wir. Unsere Demokratie braucht sie. Darum sei allen, die ihre Meinung kundgetan, die Argumente hervorgebracht haben, ein herzliches Dankeschön gesagt.

Ein herzliches Dankeschön gehört auch den Abgeordneten, die im und außerhalb des Sonderausschusses an dem neuen Verfassungstext mitgewirkt und gestaltet haben. Wir stimmen heute auch über ein Verfassungswerk ab, das Schleswig-Holstein ein modernes Fundament geben soll. Der Verfassungsentwurf enthält eine Reihe von Neuerungen:

Die Aufnahme der Inklusion in die Landesverfassung setzt ein wichtiges Signal: Die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ist ein Auftrag nicht nur für das Land, sondern für die gesamte Gesellschaft. Im digitalen Zeitalter ist auch nur konsequent, die Verfassung um die digitale Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu erweitert und ihnen das Recht zu geben, den Austausch mit Behörden und Gerichten elektronisch zu führen. Gleichzeitig muss die Privatsphäre im Zeitalter der digitalen Medien geschützt werden.
Darum ist es richtig, mit Artikel 15 die digitale Privatsphäre unter den besonderen Schutz der Landesverfassung zu stellen.  Auch die Öffnung des Petitionsausschusses findet unsere Unterstützung.
So lange keine persönlichen und schützenswerten Interessen dem entgegenstehen, darf der Petitionsausschuss seine Sitzung künftig öffentlich abhalten. Auch das sorgt für mehr Transparenz!

Apropos: Eine Online-Petition gegen den
Gottesbezug in der Verfassung fand nur 414 Unterstützer.

Ich begrüße auch, dass die Verpflichtung, Verwaltung bürgernah, effizient und wirtschaftlich zu gestalten, Teil des neuen Verfassungswerkes sein wird. Eine schlanke Verwaltung – das ist seit langem eine Kernforderung der CDU! Das Bekenntnis zur Zusammenarbeit der norddeutschen Länder sowie zur grenzüberschreitenden Partnerschaft der Regionen ist für Schleswig-Holstein ist ein Punkt, der uns besonders wichtig war. Die neue Verfassung stärkt auch die Rechte dieses hohen Hauses:
Zum einen ist die Landesregierung künftig verpflichtet, bei Streitigkeiten zwischen Bund und Land, die legislative Rechte berühren, die Interessen des Landes auch juristisch zu vertreten und Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

Und auch Artikel 62 ist ein Fortschritt für unsere
Legislative: Nicht mehr allein die Landesregierung kann künftig Nachtragshaushalte einbringen. Wenn die Verfassung in Kraft tritt, kann auch aus dem Landtag heraus ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden.

Auch wenn die CDU das neue Verfassungswerk
begrüße: Einige Bauchschmerzen bleiben. Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Ein Absenken der Quoren bei Volksentscheiden halte ich nach wie vor für einen falscher Schritt. Wenn künftig nur noch der Wille von 15 Prozent aller Wahlberechtigten ausreichen soll, um ein Gesetz zu ändern, wird das zu enormen Legitimationsprobleme führen. Wenn etwas mehr als 300.000 Menschen künftig verbindliche Entscheidungen für alle Schleswig-Holsteiner treffen dürfen, entspricht dies wohl kaum dem Legitimationsgrundsatz unserer Demokratie. Schade ist auch, dass das Ehrenamt kein Staatsziel wird. Gleiches gilt für die Themen „Wirtschaft und Arbeit“.

Dennoch: Das Verfassungswerk kann sich sehen lassen! Darum gibt die CDU heute  dem neuen Fundament Schleswig-Holsteins ihre Stimme!

Ich appelliere noch einmal an alle Kolleginnen und
Kollegen: Stimmen auch Sie für Gott in der Verfassung!