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Politik & Wirtschaft

Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs

Dazu sagt die kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ines Strehlau: Von einem Labyrinth zu einem strukturierten System

Wir werden heute das neue Finanzausgleichsgesetz (FAG) beschließen. Zur Regierungsvorlage, über die wir im Februar hier im Plenum beraten haben, gibt es einige wichtige Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, die das Gesetz noch besser machen.

Das neue Finanzausgleichsgesetz passt die Mittelverteilung den neuen Anforderungen an. Die strukturellen Rahmenbedingungen haben sich seit den siebziger Jahren verändert. Darauf geben wir mit dem neuen FAG eine Antwort.

Wir Grüne sind überzeugt, dass wir heute ein gut durchdachtes und verfassungsfestes Gesetz verabschieden. Das Geld folgt den Aufgaben und es wird gerechter verteilt.

Das Innenministerium ist im Gesetzgebungsverfahren mit seinem transparenten, umfassenden und vorbildlichen fast zweijährigen Beteiligungsprozess den richtigen Weg gegangen. Sowohl das Innenministerium, als auch wir ParlamentarierInnen, haben uns vor Ort jeder Diskussion gestellt. Sinnvolle Änderungen und aktualisierte Zahlen wurden vom Ministerium im laufenden Prozess eingearbeitet und zeitnah veröffentlicht.

Der Maßstab des Finanzausgleichsgesetzes muss die Objektivität und eine nachvollziehbare Systematik sein und nicht, wie viel im eigenen Kreis oder in der eigenen Gemeinde ankommt! Gerade deshalb war es genau richtig, zuerst mit den Beteiligten ausführlich über die Systematik des neuen FAG zu sprechen und erst danach, über die finanziellen Auswirkungen für jede einzelne Kommune.

Und so sage ich denen, die den Gesetzentwurf am liebsten in die Mülltonnen werfen und nochmal neu starten würden: Mit einer neuen FAG-Struktur werden nie alle einverstanden sein, weil es im Wesen einer Reform liegt, dass es Verschiebungen geben muss, weil die Kommunen sich weiter entwickeln und verändern. Ein gerechterer Finanzausgleich verteilt das Geld dorthin, wo es zur Erfüllung der kommunalen Aufgaben gebraucht wird. Starke finanzielle Schultern benötigen weniger Unterstützung, schwache mehr. Gerade dafür schaffen wir mit dem neuen FAG eine gute Basis.

Und es nützt nichts, liebe CDU und liebe Piraten, einen Antrag einzubringen, der mehr „Schein als Sein“ ist – der 36 Millionen mehr ins System pumpen soll, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, weil sie von CDU und FDP dem Stabilitätsrat als Konsolidierungsbeitrag zur Schuldenbremse gemeldet wurde. Und zudem ein Antrag ist, der keine Vorschläge enthält, wie die Systematik an die realen Bedarfe angepasst werden soll. Mit ihren Anträgen machen Sie sich einen ziemlich schlanken Fuß!

Ein wesentlicher Bestandteil, um die Gerechtigkeit zwischen den Kommunen zu erreichen, ist der neu eingeführte Soziallastenausgleich. Damit können wir nachholen, was bisher versäumt wurde: Das Geld fließt endlich dahin, wo es am meisten gebraucht wird. In Schleswig-Holstein sind das insbesondere die kreisfreien Städte, deren hohe soziale Lasten bisher nicht adäquat ausgeglichen wurden.

An dieser Stelle ein paar Worte zur Höhe der Hebesätze: Die Kommunen sind gefordert, ihre eigenen Einnahmemöglichkeiten auch auszuschöpfen! Die Hebesätze der kreisfreien Städte sind nicht so hoch, weil sie Standortvorteile für Gewerbeansiedlungen haben, sondern weil sie mehr Geld brauchten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Ginge es nur um einen attraktiven Standort, dann könnten einige Gemeinden in guter Lage, beispielsweise im Hamburger Rand, noch ganz schön nachlegen, wenn es um die Hebesätze geht. Wir wollen keinen Dumpingwettbewerb zwischen den Kommunen, sondern eine interkommunale Solidarität.

Aus ähnlichen Überlegungen haben wir die erhöhten Darlegungspflichten für eine Kreisumlagenerhöhung wieder gestrichen. Wir können die Hürden für eine Erhöhung nicht so hoch legen, dass sie faktisch ausgeschlossen wird. Das würde stark in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, wäre nicht richtig, vielleicht sogar verfassungswidrig.

Wenn ein Kreis mit einer niedrigen Kreisumlage seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann, muss deren Anhebung eine Option bleiben. Wenn ein Kreis entscheidet, seine Kreisumlage ohne Not zu erhöhen, nur um die Effekte des neuen FAGs rückgängig zu machen, muss das aber deutlich werden!

Deshalb ist eine Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden weiterhin Pflicht. Durch die Debatte um das FAG sind bei diesem Thema, sowohl Kreise als auch Gemeinden besonders sensibilisiert. Ich bin sicher, dass beide verantwortungsvoll mit der Erhöhung der Kreisumlage umgehen werden.

Wahrscheinlich sind vorerst aber keine Kreisumlagenerhöhungen notwendig, weil die gute konjunkturelle Lage im kommenden Jahr ohnehin deutlich mehr Geld in die kommunalen Kassen spült. 2015 werden es gut 1,5 Milliarden Euro aus dem FAG sein – auch  nach der neuen Steuerschätzung von vorgestern. 2011 waren es nur rund eine Milliarde Euro. Es sind also gegenüber 2011 etwa 500 Millionen Euro mehr im Topf. Da kann man wirklich nicht sagen, dass wir die Kommunen im Stich lassen! Im Gegenteil – wir stärken die Kommunen!

Wir stocken zusätzlich die Gesamtmasse des FAG dauerhaft um 25 Millionen Euro für Schulsozialarbeit und Infrastruktur auf. Diese Mittel kommen vorwiegend bei den Kreisen an. Damit nehmen wir ausdrücklich die Kritik der Kreise auf. Diese zusätzlichen Mittel machen sich auch in der Reformbilanz bemerkbar! Im Ergebnis werden sehr viele Kommunen in 2015 mehr Mittel vom Land bekommen als 2014. Mit unserem Änderungsantrag nehmen wir weitere Anregungen aus den Anhörungen und aus vielen Gesprächen auf:

1.    Die ländlichen Zentralorte bekommen mehr Zentralitätszuweisungen. In der Berechnung wurden ihre Ausgaben für übergemeindliche Aufgaben zunächst nur mit entsprechenden Ausgaben aller Gemeinden verglichen, auch mit denen mit hoher Steuerkraft. In diesem Vergleich sind die Ausgaben relativ gering. Setzt man sie aber ins Verhältnis zu den Ausgaben ihrer Umlandgemeinden, wird deutlich, dass sie durchaus wesentliche zentralörtliche Funktionen erfüllen.

2.    Die Mindestgarantie für steuerschwache Gemeinden wird mehr Gemeinden entlasten, damit arme Kommunen nicht zu den Reformverlierern werden. Wir stärken also den ländlichen Raum.

3.    Wir führen Progressionsstufen für abundante, steuerstarke Gemeinden ein. Sehr reiche Gemeinden mit einer Steuerkraft von über 120 Prozent zahlen einen Finanzumlagensatz von 50 Prozent, leicht abundante Gemeinden geben nur 30 Prozent des Überschusses ab. Wir schaffen einen solidarischen Finanzausgleich, ohne die abundanten Kommunen zu überfordern.

4.    Wir ermöglichen eine flexible Verwendung der Zuweisungen für die Ganztagsbetreuung von Schulkindern für Horte und schulische Betreuungsangebote. Wir ermöglichen damit vor allem größeren Kommunen ein Betreuungskonzept aus einem Guss!

Von Beginn des Reformprozesses an wurde gesagt, der FAG-Topf sei zu klein, die Decke also zu kurz. Wir machen jetzt die Decke größer und stocken die Landesmittel auf, erfüllen also eine Forderung der Kommunen, auch des Landkreistages. Wenn ich nun von der Kreisebene höre, dass die zusätzlichen Landesmittel im Gesetz gar nicht als zusätzliche FAG-Mittel anerkannt werden, sondern, dass dies quasi „FAG-fremde“ Mittel seien, die in die Bilanz nicht eingerechnet werden könnten oder dass Schulsozialarbeit pädagogische Kosten sind, die sowieso das Land tragen muss, dann zeigt dies, dass man sich bewusst dem Anerkennen von Realitäten verweigert. Es gibt trotz der zugespitzten Haushaltslage sogar weitere zusätzliche Unterstützung für die Kommunen über das FAG hinaus. Beispielsweise bei den kommunalen Krankenhäusern und im Flüchtlingsbereich.

Der Landkreistag, der vehementeste Gegner der neuen Struktur, ist Lobbyist der Kreise. Das ist sein gutes Recht. Er trägt aber gleichzeitig Verantwortung für das ganze Land und muss dieser gerecht werden. Denn die BürgerInnen der Kreise sind ebenso BürgerInnen der Gemeinden.

Der Landkreistag fordert in seinem jüngsten Beschluss zum FAG, dass gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land geschaffen werden müssen. Lieber Landkreistag – genau das machen wir mit dem neuen Gesetz. Ich wünsche mir beim Landkreistag etwas mehr Blick für das Ganze. Viele Landräte sind da übrigens deutlich weiter als ihr Landesverband.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergleichen wir den Gesetzentwurf inklusive unserer Änderungsvorschläge mit dem Status quo, dann bin ich mir sicher, dass das neue FAG eine deutliche Verbesserung darstellt.

Alle glücklich machen, geht nicht. Das vorhandene Geld gerecht zu verteilen, das geht und das zeigen wir mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz. Das FAG ist die wichtigste Grundlage um die politische Gestaltung in den Kommunen zu gewährleisten. Das bisherige FAG war dringend reformbedürftig. Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist mehr als ein notwendiges Übel in dieser Legislaturperiode. Sie ist ein Mammutprojekt, das direkt die BürgerInnen betrifft. Sie profitieren von einer gerechteren Verteilung der Mittel. Bei ihnen kommt es an, wenn Kommunen, die hohe soziale Lasten tragen, zukünftig einen größeren Handlungsspielraum haben.

Der kommunale Finanzausgleich wird mit unserem Gesetz von einem Labyrinth zu einem strukturierten System. Es ist immer noch komplex, passt immer noch nicht auf einen Bierdeckel, aber es nicht mehr undurchschaubar. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht– unsere Lösung ist eine gute Lösung! Deswegen bitte ich Sie alle, dem Gesetzesentwurf und den Änderungsanträgen von SPD, Grünen und SSW zuzustimmen!