Bischof Magaard im Festgottesdienst in Reinfeld: „Matthias Claudius hat uns etwas zu sagen, auch nach 200 Jahren“
Reinfeld (emw). Mit einem Festgottesdienst wurde heute (25. Januar) in Reinfeld das
Matthias-Claudius-Jahr eröffnet. In seiner Predigt erklärte Gothart Magaard, Bischof im
Sprengel Schleswig und Holstein der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Norddeutschland (Nordkirche): „Nicht Taten waren sein Reich, sondern Worte. Und was
er dabei zu Papier brachte, das ist so schön, so zu Herzen gehend und gültig, dass wir
diese Worte nach 200 Jahren immer noch lieben, sie gerne singen und weitersagen.“Matthias Claudius, so Bischof Magaard, habe der deutschen Sprache wunderbare
Gedichte geschenkt. Selten gehe es dabei um Haupt- und Staatsaktionen auf der
großen Weltbühne. „Da hielt er Distanz und war grundsätzlich misstrauisch. Denn er
sah, dass am Ende den kleinen Leuten die Rechnung präsentiert werden würde. Die
Dramen des Alltags in Haus und Familie waren sein Lieblingsthema – warum sollte der
erste Zahn nicht sein Lobgedicht bekommen?“ Der Welt- und Existenzbezug sei bei
Claudius immer mitgedacht und so setzte er auf emotionale Intelligenz. Bischof
Magaard: „Er wusste, dass alles Belehren wertlos bleibt, wenn es nicht auf die Person
und das Einzelschicksal bezogen wird. Er appelliert an unser Rechtsempfinden und
Mitgefühl.“
Auch im Predigttext (Rut 1,1-22), der die Geschichte von Rut und Noomi behandelt,
stand das Schicksal der kleinen Leute im Mittelpunkt. „Wir hören eine Geschichte von
Not und Hunger und Migration“, so Gothart Magaard. „Von der Integration in der
Fremde wird erzählt, von erneuten Schicksalsschlägen und von der großen
Ratlosigkeit.“ Aber auch von großer Solidarität, als Rut sagt: Wo du hin gehst, da will ich
auch hin gehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Bischof Magaard: „Unzählige kleine
Leute sind wie Rut und Noomi auf der Flucht aus den Krisengebieten der Gegenwart.
Nur mit dem Allernötigsten unterwegs, ohne Schutz und Obdach.“
Willkommenskultur sei ein wichtiges und gutes Stichwort. Gerade angesichts mancher
Ängste, Spannungen und Gegentendenzen „ist es in meinen Augen eine zentrale
Aufgabe, weiter an einer Kultur der Menschlichkeit in Staat und Gesellschaft
mitzuarbeiten“, so der Bischof. „Matthias Claudius‘ Wort-Bestände und Wort-Fügungen
atmen einen Geist christlicher Humanität, der nie das Kleine und Schutzbedürftige
vergisst – nicht den Schmerz des ersten Zahns, nicht die Tränen des Sklaven, nicht
‚den kranken Nachbarn auch‘. Wer ihn ehren will in diesem Matthias-Claudius-Jahr, der
sollte ihn lesen, seine Botschaft beherzigen und hin und wieder in sein wunderbares
Abendlied einstimmen: ‚Der Mond ist aufgegangen‘. Er hat uns etwas zu sagen, auch
nach 200 Jahren.“