TOP 26 – Entgeltgleichheit verwirklichen
Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben: Die Erwerbsarbeit der Frau ist im Jahr 2015 immer noch weniger Wert als die von Männern und das ist nicht in Ordnung!
Meine Damen und Herren,
wir könnten meinen, die Gleichberechtigung sei erstritten. Insbesondere wenn frau wie ich in einer Partei beheimatet ist, die die Frauenquote seit jeher praktiziert und deshalb Frauen auch in besonderem Maße fördert und fordert.
Der Ausbau der Kitas, die exzellente Ausbildung junger Frauen und die vielen in der Familie aktiven jungen Väter, die ich im Umfeld meiner Tochter wahrnehme. All das erweckt den Eindruck: Die Gleichberechtigung der Frauen ist erstritten.
Und auch wenn ich manchmal als weibliche Fraktionsvorsitzende etwas andere Wege als meine Kollegen gehe, so kann ich meine Rolle berechtigterweise als gleichberechtigt bezeichnen.
Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache: Frauen verfügen über deutlich weniger Vermögen als Männer. Frauen sind viel häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Und Frauen verdienen im Beruf durchschnittlich 22% weniger.
Das heißt: Frauen müssen im Durchschnitt 79 Tage, 11 Wochen, fast ein ganzes Quartal länger arbeiten, um den gleichen Lohn nach Hause zu bringen wie Männer. Nicht im Jahre 1920, sondern heute. Nicht in Indien, sondern hier bei uns in Schleswig-Holstein. Politik, ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften schieben sich gegenseitig den „schwarzen Peter“ zu.
Einige stellen fest, dass Mädchen in Schule, Studium und Berufsausbildung die Jungen bereits überrundet hätten. Der Rest werde sich ergeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist naiv und das greift zu kurz. Da macht Man(n) es sich zu einfach. Die Ursachen für die das geringere Erwerbs- und Renteneinkommen sind vielfältig und seit Jahren bekannt.
Das beginnt schon bei der Berufswahl. Jungen orientieren sich stärker an zukünftigen Einkommensmöglichkeiten als Mädchen. Die Startchancen der Mädchen sind super, aber nicht jede hat den Rat einer weisen Großmutter, wie ich ihn neulich hörte: „Mädchen lerne was Ordentliches, dann kannst Du dir nen netten Mann suchen…“
Soziale Berufe werden häufiger von Frauen ausgeübt als von Männern und schlechter bezahlt als entsprechende Berufe mit gleich langer Ausbildung. Sie zahlen doch für die Wartung ihres Wagens einen höheren Stundenlohn als für die ambulante Pflege ihrer Schwiegermutter. Absurd, diese Gesellschaft.
Und da frage ich mich: Werden soziale Berufe von den Frauen ausgeübt, weil sie bereit sind weniger zu verdienen oder werden sie so schlecht bezahlt weil Frauen sie ausüben? Wir müssen die Tätigkeiten, die Kompetenzen die für eine Erwerbsarbeit benötigt werden, neu bewerten. Daraus würde sich auch eine andere Bezahlung ergeben.
Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und Teamgeist wird zwar im Berufsalltag erwartet, aber nicht als Anforderung vergütet. Die Bewertung von Tätigkeiten, die Einbeziehung von Berufserfahrungen und Kompetenzen, die zum Beispiel bei der Familienarbeit oder im Ehrenamt gewonnen werden, könnten viel zu einem gerechteren Bewertungsmodell beitragen.
Und den Frauen und Männern in sozialen Berufen zu mehr Anerkennung und Bezahlung verhelfen.
Aber selbst in derselben Berufsgruppe gibt es strukturelle Unterschiede:
Frauen arbeiten deutlich häufiger als Männer in Teilzeit. Noch immer sind Familienaufgaben mehrheitlich Frauenaufgaben. Immerhin schenken ein Viertel der Väter durchschnittlich ein Viertel Jahr ihren Kindern, Frauen bleiben dagegen fast alle zuhause, im Durchschnitt für ein Jahr.
Die dauerhaft Teilzeit arbeitenden oder nicht erwerbstätigen Männer kann man dann schon mit der Lupe suchen. Sie stehen dann im Fokus und erhalten eine Anerkennung von Frau nur träumen kann.
Ob Mann oder Frau: ein Aufstieg in Teilzeit ist ausgesprochen schwierig.
Teilzeit und Führung ist eine schwierige Angelegenheit und erfordert im Grunde eine ganz andere Arbeitswelt.
Und so folgt der dritte strukturelle Grund für die Lohnungleichheit : Geringere Aufstiegschancen, Frauen in Führungspositionen nehmen zu, aber es sind immer noch deutlich weniger als Männer.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Punkt, männlich geprägte Strukturen und Verbünde ein anderer, Vielleicht liegt auch ein Grund darin, dass Frauen weniger daran liegt Führungspositionen zu übernehmen, wie z.B. Bascha Mika in ihrem Buch über „die Feigheit der Frauen“ es beschreibt.
Vielleicht haben Frauen schlicht keine Lust, sich den Spielregeln des Karrierelebens zu unterwerfen. Spielregeln, die uralt und sehr männlich geprägt sind. Spielregeln, die übrigens auch in der Politik für Karriere gesetzt sind: Ellbogen raus, Freizeit und Familie ausschalten, laut sein und schon darfst Du dabei sein. Unabhängig vom Geschlecht.
Man mag über Ursachen spekulieren. Das Ergebnis bleibt das Gleiche. Frauen fehlen in den Führungsetagen, wo sie gebraucht werden.
Meine Damen und Herren,
wir fordern eine gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Das macht insgesamt höhere Durchschnittslöhne. In meinen Augen ist das keine Gefahr für die Arbeitgeber. Mit offenen Karten zu spielen – so wie wir Grüne es gemeinsam mit SPD und SSW in unserem Antrag fordern – und Frauen und Männer gleich gut zu bezahlen – das ist ein Aushängeschild für kluge Wirtschaftsbetriebe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Chance sich als guter Arbeitgeber zu zeigen. Wer sich als fairer und weltoffener Arbeitgeber präsentiert, der hat die Nase vorn beim Rennen um die Fachkräfte.
Wir können uns hier trefflich darüber streiten, welche Statistik die wahre ist. Wie hoch der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist.
Wir können uns trefflich streiten, ob es die Schuld der Frauen ist, dass sie die falschen Berufe wählen, dass diese Berufe schlecht bezahlt werden, dass sie ihren Aufstieg und ihr Gehalt nicht durchsetzen können oder dass sie sich so gerne um die Familie kümmern.
Wir können uns darüber streiten, ob die Unternehmen schuld sind, ob die Politik schuld ist.
Wir können uns darüber streiten, ob Gesetze helfen oder auf Freiwilligkeit gesetzt werden sollte.
Fakt ist und bleibt, die Erwerbsarbeit der Frau ist im Jahr 2015 immer noch weniger Wert als die von Männern und das ist nicht in Ordnung.