Verdachtslose Videoüberwachung und Kfz-Kennzeichenscanning im Fehmarnbelt-Tunnel geplant
Der Verkehrsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags ist heute mit dem dänischen Verkehrsminister Heuniken (Foto s.u.) und mit den verkehrspolitischen Sprechern der dänischen Parteien zusammengetroffen, um sich über den geplanten Fehmarnbelttunnel auszutauschen. Die endgültige Entscheidung soll erst im Herbst 2015 fallen.
Das dänische Parlament hat dem Baugesetz heute in zweiter Lesung mit Ablehnung nur durch die linke „Einheitspartei“ zugestimmt, nächste Woche ist die dritte und letzte Lesung geplant. Laut Gesetzesbegründung steht die Zustimmung unter drei Vorbehalten: Vor der endgültigen Entscheidung im Herbst soll Klarheit über die ökonomische Tragfähigkeit des Projekts geschaffen werden, über die Höhe des zu erwartenden EU-Zuschusses und über den deutschen Genehmigungsprozess. Voraussetzung ist, dass das Projekt durch innerhalb von 40 Jahren aus den Mautabgaben abgezahlt ist.
Bis September sollen durch zeitliche Streckung des Baus bis 2024 die Kosten herunterverhandelt werden, um einen höheren Risikopuffer einplanen zu können. Sobald die Entscheidung im Herbst getroffen ist, soll mit Baumaßnahmen auf dänischer Seite begonnen werden.
Allein die linke Partei ‚Einheitsliste‘ lehnt das Baugesetz strikt ab, weil die Verkehrsprognosen ‚völlig unrealistisch‘ seien. Nach den Gutachten sollten Grenzpendler, die für die Überfahrt zurzeit 299 Kronen zahlen, künftig 968 Kronen zahlen müssen, wozu sie kaum bereit sein würden. Vorgesehen sei außerdem eine Video-Überwachung und eine automatische Registrierung der Fahrzeuge aller Fahrzeuge im Tunnel, ohne dass geklärt sei, wie lange und von wem diese Daten gespeichert werden.
Der Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) dazu: „Für die Piratenpartei ist eine verdachtslose Massenerfassung unbescholtener Autofahrer, die nach Dänemark reise, inakzeptabel. Ich habe dies dem dänischen Verkehrsminister Heunicke heute mitgeteilt und gleichzeitig den Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Thilo Weichert gebeten, in Abstimmung mit seinem dänischen Kollegen dagegen vorzugehen. In Deutschland ist es datenschutzrechtlich schlichtweg unzulässig, Fahrzeuge rechtstreuer Verkehrsteilnehmer zu fotografieren. Kfz-Scanning ist teuer, fehleranfällig und leistet einer zukünftigen Zweckentfremdung der Daten bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen Vorschub.“
Kritisch diskutiert wurde in Kopenhagen vor allem das Projekt eines Belttunnels selbst. Breyer: „Die dänische Politik will auf keinen Fall, dass der Steuerzahler für die Kosten aufkommen muss. Sie hinterfragt aber nicht die vorgelegten Verkehrs- und Kostenprognosen, obwohl die Stoerebeltquerung 15% teurer wurde als geplant und obwohl die Öresundquerung fast vor der Pleite stand. Selbst wenn Scandlines den Fährbetrieb fortführt, sieht Dänemark kein Risiko für die finanzielle Tragfähigkeit eines Fehmarnbelttunnels. Eine unabhängige Überprüfung der vorgelegten Prognosen ist nicht geplant, und auch der Rechnungshof ist in Dänemark nicht zuständig für die Prüfung der Seriosität der Zahlen.
Eine Neuverhandlung des Staatsvertrags über die feste Beltquerung wird abgelehnt, obwohl der zugrunde liegende Kostenrahmen, Zeitplan und Trassenverlauf längst obsolet sind. Aus Sicht der Piratenpartei droht das Durchdrücken dieses Projekts zum Desaster für die Region, für die Umwelt und die Steuerzahler zu werden.
Meiner Frage, ob nicht vor der Entscheidung über solche Großprojekte die Bürger beteiligt werden sollten, hielt Verkehrsminister Heunike entgegen, die Chancen eines solchen Projekts seien für die Bürger schwer zu erkennen. Die Stoerebeltquerung sei seinerzeit von 60% der Bürger abgelehnt worden, heute seien alle damit aber zufrieden. Als Mitglied der Piratenpartei kann ich diese Argumentation nicht akzeptieren: Es kann nicht angehen, den Willen der Bürger zu übergehen und sie vor vollendete Tatsachen zu stellen, nur weil er sich in Zukunft einmal ändern könnte. Schafft es die Politik nicht, die Bürger von geplanten Megaprojekten zu überzeugen, muss sie die Finger davon lassen – zumal wir mit dem Berliner Flughafen, der Elbphilharmonie und dem Stuttgarter Bahnhof schlechte Erfahrungen gemacht haben.“
Am Abend wird der Wirtschaftsausschuss auf Antrag der PIRATEN mit den dänischen Projektkritikern Knud Erik Andersen und Per Homann Jespersen zusammentreffen. Der ehemalige Leiter der dänischen Transportbehörde und der Professor an der Universität Roskilde kritisierten die Prognosen der Tunnelplaner als unseriös.