Politik & Wirtschaft

Lübecker Hafenumschlag erneut über 27 Mio. Tonnen

Hafen0106
Der Lübecker Hafenumschlag hat im Jahr 2005 zum zweiten Mal die 27-Millionen-Tonnen-Marke überschritten. Mit 27,315 Millionen Tonnen lag die Menge der umgeschlagenen Güter um 0,7 Prozent niedriger als im Boomjahr 2004, als 27,508 Tonnen erreicht wurden.

Die Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) als größter Hafenbetreiber in der Hansestadt hatte mit 24,67 Millionen Tonnen (-0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) einen Anteil von über 90 Prozent am Gesamtumschlag im Lübecker Hafen.
Damit habe der Lübecker Hafen den Abstand zu den anderen deutschen Ostseehäfen trotz des schwierigen konjunkturellen Umfeldes gehalten, erklärte der Vorsitzende der LHG-Geschäftsführung, Manfred Evers: „Als größter deutscher Ostseehafen haben wir einen Marktanteil von über 40 Prozent. Außerdem ist die LHG mit über 1000 direkten Beschäftigten und über 5000 weiteren Arbeitsplätzen, die direkt und indirekt vom Hafen abhängig sind, einer der größten Wertschöpfungsfaktoren in der gesamten Region.“ Grund für den leichten Umschlagsrückgang ist vor allem der sechswöchige Streik in der finnischen Papierindustrie im Frühjahr 2005. Auch wenn die Mengen nach dem Ausstand wieder deutlich anzogen, waren die streikbedingten Verluste nicht mehr ganz aufzuholen. An den Terminals der LHG wurden mit 3,1 Millionen Tonnen Papier 6 Prozent weniger als 2005 umgeschlagen. Hinzu kommen über 500.000 Tonnen Papier und Zellulose, die bei privaten Hafenbetreibern umgeschlagen wurden. Damit bleibt Lübeck Europas zweitgrößter Papierhafen.

Die Zahl der bei der LHG umgeschlagenen Lkw und Trailer blieb mit 730.000 nahezu gleich. (Vorjahr 731.500). Auffällig ist, dass die Zahl der begleiteten Lkw insbesondere im Südschwedenverkehr leicht anstieg, während die Zahl der unbegleiteten Lkw im Verkehr nach Finnland leicht zurückging. Grund hierfür dürfte unter anderem die Zunahme von Landtransporten zwischen Russland und den Baltischen Staaten einerseits und den westeuropäischen Nationen andererseits sein. Vor allem durch günstige Dieselpreise in Osteuropa, Billiglöhne der Fahrer und weniger intensive Grenzkontrollen findet eine zwar geringfügige aber spürbare Verlagerung vom See- auf den Landweg statt. Manfred Evers: „Durch die ungleichen Rahmenbedingungen innerhalb der EU und eine Verkehrspolitik, die jedes EU-Land nach eigenem Gutdünken bestimmt, kommt es erneut zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. Der umweltfreundliche Seeverkehr könnte ins Hintertreffen geraten, wenn nicht schnell eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen erfolgt.“

Der Umschlag von Neufahrzeugen stieg bei der LHG um 12 Prozent auf 188.000 Einheiten. Der Seeumschlag von Containern stieg um 20 Prozent auf 80.000 Einheiten. Auch der Umschlag von Schwergut, Maschinen, Schwerfahrzeugen und Holz ist weiter gewachsen. Rund 70.000 Einheiten wurden am Skandinavienkai im Kobinierten Verkehr (KV) verladen, eine Steigerung von 20 Prozent. Die Zahl der Passagiere stieg mit 581.000 um 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an.
Die Ausbaumaßnahmen des Lübecker Hafens wurden im vergangenen Jahr konsequent fortgesetzt. So wurde insbesondere der weitere Ausbau des Skandinavienkais vorangetrieben. Neben der Modernisierung von Anlegern wird die Operationsfläche in zwei Schritten um insgesamt knapp 30 Hektar erweitert. Außerdem entstehen zwei Gewerbegebiete für hafennahes Gewerbe mit rund 35 Hektar. Neue und alte Kunden erhalten damit Gelegenheit, sich direkt am Umschlagkai niederzulassen, um vor- und nachgelagerte logistische Dienstleistungen anzubieten. Dadurch werden zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen. Die Ausbauarbeiten sollen weitgehend noch 2006 abgeschlossen sein. Auch das neue Hafenhaus wird im Sommer bezugsfertig. Das Büro- und Abfertigungsgebäude bietet rund 450 Arbeitsplätze und moderne Service-Einrichtungen für die Abfertigung von Passagieren und Lkw-Fahrern.

In Lübeck-Siems wurde am 18 Hektar großen Seelandkai mit dem Bau einer multifunktionalen Umschlaganlage begonnen. Bis Mai 2006 wird hier ein Terminal entstehen, an dem gleichzeitig RoRo-Ladung sowie Container im LoLo-Verfahren geladen und gelöscht werden können. Am Terminal Schlutup wurde im vergangenen Jahr mit dem Bau neuer Lagerhallen für Forstprodukte begonnen. Das Terminal, an dem überwiegend schwedische Forstprodukte umgeschlagen werden, verzeichnete 2005 deutliche Zuwächse.

Allein im vergangenen Jahr haben LHG und Hansestadt Lübeck ca. 40 Millionen Euro in Ausbaumaßnahmen investiert. In diesem Jahr kommen weitere 40 Millionen Euro hinzu. Auch künftig wird der Hafen seine Faszilitäten den gestiegenen Kundenanforderungen anpassen.

Für 2006 rechnet die LHG mit einem leichten Anstieg des Hafenumschlags. Gründe sind unter anderem die Modernisierung und Vergrößerung der auf Lübeck laufenden Schiffstonnage. So werden noch in diesem Jahr die mit 220 Metern Länge größten RoRo-Fähren der Welt erwartet, die den Skandinavienkai mit Finnland verbinden. Auch 205 Meter lange Fährschiffe, die gleichzeitig RoRo-Ladung und mehrere hundert Container transportieren können, sollen ab Mai am Terminal Seelandkai zum Einsatz kommen. Auch der EU-Beitritt der baltischen Staaten und die gute Entwicklung der russischen Wirtschaft haben positive Auswirkungen auf den Hafen, der inzwischen 150 Fährabfahrten wöchentlich zu 25 Partnerhäfen sowie weiter verbesserte Hinterlandanbindungen bietet.

Trotzdem besteht ordnungspolitischer Handlungsbedarf. Während z.B. Belgien und die Niederlande alle EU-Richtlinien zur Förderung ihrer Häfen und Hinterlandverkehre konsequent ausnutzen, und so z.B. die Kosten für Treibstoff im Hafenumschlag und die Trassenpreise beim Bahntransport niedrig halten, finden diese Rechtsgrundlagen in Deutschland bislang kei-ne Anwendung. Stattdessen verteuert die Lkw-Maut den Hafen-Hinterlandverkehr zusätzlich. Dadurch besteht die Gefahr, dass Verkehre in die Nordseehäfen abwandern. Auch uneinheitliche Förderbedingungen innerhalb der EU und der Bundesrepublik werden mit Sorge verfolgt. Noch immer wird die Hafeninfrastruktur der neuen Bundesländer massiv subventioniert, obwohl die Infrastruktur dort teilweise bereits besser ist als in den alten Bundesländern. Manfred Evers: „Wir benötigen dringend eine EU-weite Transparenz bei der Hafenförderung. Wir stellen uns jeder Konkurrenz, aber unterschiedliche Subventionen verbiegen den Wettbewerb. Dies führt zu einer negativen Beeinflussung der Kosten- und Erlössituation des Lübecker Hafens und damit zu einem wirtschaftlichen Ergebnis, das zunehmend unter Druck gerät.“
Die Tochtergesellschaften und Beteiligungen der LHG haben sich 2005 positiv entwickelt.

Das Logistik- und Distributionsunternehmen European Cargo Logistics (ECL) GmbH kann trotz des Streiks in Finnland mit einem zufriedenstellenden Ergebnis aufwarten. Es wurden über 2,4 Millionen Tonnen speditionell betreut. Ferner ist es ECL gelungen, in Rostock neue Geschäfte außerhalb des Bereiches Forstprodukte zu akquirieren. Anfang dieses Jahres sind erste für ECL positive Geschäftsabläufe getätigt worden, sodass für 2006 mit einem noch besseren Ergebnis gerechnet wird.

Für die 100-prozentige Tochter LHG Service-Gesellschaft mbH (SG) hat sich die positive Geschäftsentwicklung im Jahr 2005 fortgesetzt. Die zusätzlichen Dienstleistungen aus den Geschäftsbeziehungen der LHG wurden weiter ausgebaut. Mit Vergrößerung des SG-Fuhrparks wird das Mietgeschäft 2006 im Fullservice gesteigert und stellt einen weiteren entscheidenden Einfluss dar. Für 2006 sind außerdem Aktivitäten am Standort Skandinavienkai geplant, wo LHG-Kunden immer mehr Dienstleistungen benötigen.

Die SG-Tochter Nordic Rail Service GmbH (NRS) kann erstmals über ein komplettes Wirtschaftsjahr mit der Waggonwerkstatt zurückblicken, die Aktivitäten 2006 sicherer planen und damit ihren Leistungsumfang am Markt stärken. Die Anforderungen der Kunden haben sich derart gesteigert, dass zusätzliches Personal eingestellt wurde. Eine weitere Stärkung von NRS ergibt sich, weil der Instandhaltungsbereich der Bahnanlagen im Hafen in das Unternehmen eingegliedert wird. Dadurch kann NRS komplette Dienstleistungen wie Instandhaltung von Gleis- und Signalanlagen, Eisenbahnstrecken, sowie Rangierdienste und Waggonreparaturen anbieten.

Die Kombiverkehrstochter der LHG, Baltic Rail Gate GmbH, hat im Jahr 2005 insgesamt 70.000 Einheiten im kombinierten Verkehr (KV) am Skandinavienkai verladen. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Durch die Lkw-Maut und hohe Spritpreise wurden deutliche Verlagerungseffekte auf die Bahn erzielt. Derzeit bietet Baltic Rail Gate Ganzzugverbindungen jeweils 6 x pro Woche nach Basel, Duisburg und Ludwigshafen, jeweils 5 x pro Woche nach Köln und Dortmund sowie 4 x pro Woche nach Verona an. Darüber hinaus bestehen über diese direkten Verbindungen eine Reihe von Gateway-Verbindungen u.a. nach Italien, Österreich und Spanien. Das KV-Terminal ist seit Anfang 2003 in Betrieb und gibt insbesondere dem umweltfreundlichen Hinterlandtransport auf der Schiene weitere Impulse. Bis zu 140.000 Einheiten (Sattelauflieger, Wechselbrücken, Container) pro Jahr können auf Bahnwaggons verladen werden. Lübeck hat damit seine Gateway-Funktion zwischen dem Kontinent und Nordeuropa weiter gefestigt und ausgebaut. Die Ankunftszeiten der Züge sind mit den Abfahrtzeiten der Fähren so vertaktet, dass ein direkter Anschluss möglich ist.

Die im Stückgutbereich tätigen Unternehmen Lübeck Distribution Gesellschaft mbH (LDG) und Trave Logistik Gesellschaft mbH (TLG) haben ihr Umschlagvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent auf insgesamt 358.000 Tonnen gesteigert. Ohne den Streik in der finnischen Papierindustrie wäre das Ergebnis noch besser ausgefallen. Deutliche Steigerung gibt es insbesondere beim Stahlumschlag. Die Geschäftsbeziehungen wurden über die regionalen Grenzen hinaus ausgeweitet und nach Polen, Schweden, in die Niederlande, die Baltischen Länder und Russland ausgebaut.

Das Beratungsunternehmen ISL-Baltic Consult GmbH (ISL-BC) hat seit dem Jahre 2005 neben der Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) und dem Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Bremen nun auch die Seehafen Kiel GmbH & Co. KG als weiteren Gesellschafter hinzugewonnen. ISL-BC stand wie auch im Vorjahr privaten und öffentlichen Unternehmen beratend zur Seite. Besonders tatkräftig unterstützte das Unternehmen die LHG durch die Übernahme des Projekt- und Finanzmanagements in dem INTERREG III B Projekt „LogVAS“. Weiterhin zeigt auch die personelle Struktur eine positive Entwicklung. Zum Jahresende waren insgesamt 10 Mitarbeiter für ISL-BC tätig, was eine Steigerungsrate von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Das LHG-Engagement in Polen durch die Hafenumschlagsgesellschaft Cross-Baltic Terminaloperators (CBT) in Stettin wird weiter fortgesetzt. Das Dienstleistungsangebot wird den entsprechenden Marktverhältnissen angepasst.