Landwirtschaftskammer geht in Sachen Inklusion voran
Landwirtschaftskammer geht in Sachen Inklusion voran – Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben verpflichtet. Damit wurden wichtige Weichen für eine inklusive Gesellschaft gestellt – von der Bildung über den Arbeitsmarkt bis hin zu Kultur und Freizeit.
Eine Umsetzung der vereinbarten Ziele setzt voraus, dass alle gesellschaftlichen Akteure Verantwortung in ihren jeweiligen Bereichen übernehmen. Das haben wir als Landwirtschaftskammer mit der Teilnahme an dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt „Implementierung von Inklusionskompetenz bei Kammern“ getan, und das als erste Kammer in Schleswig-Holstein. Als unabhängiger Dienstleister für die Land- und Forst-wirtschaft, den Gartenbau und die Fischerei haben wir verschiedene Initiativen gestartet, die in die Agrarbranche hineinwirken und die Ausbildungs- und Beschäftigungsperspektiven behinderter Menschen verbessern werden.
Der heutige Tag ist für unser Inklusionsprojekt in doppelter Hinsicht von großer Bedeutung: Heute ist der Abschluss unserer neu entwickelten Qualifizie-rung zum betrieblichen Inklusionscoach: 11 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein erhielten heute ihre Lehrgangszertifikate. Sie haben sich in diesem Bereich weiterqualifiziert und sind nun Multiplikatoren in unserem Haus. An sie können sich Menschen mit Behinderung und Betriebe des Agrarbereichs wenden, wenn sie Fragen zur Ausbildung und Beschäftigung im Agrarbereich haben. Das gilt auch für Spezialberatungsstellen für Menschen mit Behinderungen, die einen „Branchen-Lotsen“ für den Agrarbereich benötigen.
Der Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Peter Levsen Johannsen sagte dazu vor Medienvertretern in Rendsburg: „Ich freue mich und bin stolz, dass die Landwirtschaftskammer durch das Inklusionsprojekt und die Fortbildung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Vorreiterrolle in Schleswig-Holstein einnehmen kann. Diese Fortbildung stärkt den Inklusionsgedanken im Agrarbereich. Betriebe, Auszubildende und Beschäftigte erhalten Informa-tionen aus der Branche und für die Branche! Unsere Fachkräfte arbeiten als Multiplikatoren und Mittler in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich zwischen behinderten Menschen, Betrieben, Auszubildenden und Beschäftigten. Wir geben Know-how aus der Branche für die Branche weiter “.
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Zur feierlichen Zertifikatsübergabe an die Inklusionscoaches war auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Prof. Dr. Ulrich Hase, eingeladen, der die Qualifizierung als Referent am letzten Tag begleitet hat. Er äußerte sich zum Engagement der Landwirtschaftskammer mit den Worten: „Über Inklusion und die UN-Konvention kann man vieles lesen. Die Kammer handelt! Das ist, was die Menschen brauchen, um Inklusion zu erfahren. Auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft voranzugehen, ist das, was wir brauchen. Ich hoffe, das Signal erreicht auch andere Kammern.
Außerdem gab er den Kursteilnehmern wichtige Impulse für ihre Aufgabe mit auf den Weg in Sachen „Gelingensbedingungen“: „Sie können hoch motivierte Menschen erwarten und Überraschungen! Solange Sie Lösungen für Hürden suchen, wird Ihr Engagement belohnt.“
Unterstützung durch Bundesministerium
Das Engagement der Landwirtschaftskammer in Sachen Inklusion wurde durch das von Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Spezialprogramm zur „Implementierung von Inklusionskompetenz bei Kammern“ im Rahmen des Nationalen Aktionsplans unterstützt.
Qualifizierung als Inklusionscoach
Die Fortbildung zum betrieblichen Inklusionscoach der Landwirtschaftskammer wurde in Zusammenarbeit mit dem IBAF Institut für Aus- und Fortbildung durchgeführt. An fünf Tagen bekamen die Teilnehmer einen intensiven Einblick in Themen wie Behinderungsarten, Umgang mit Behinderung, rechtlichen Grundlagen zur Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung sowie Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten.
In allen Bereichen der Landwirtschaftskammer sollen künftig Unternehmen, Auszubildende und Arbeitnehmer/innen mit Behinderung Ansprechpartner finden, die erste Informationen geben und Kontakte zu spezialisierten Beratungsinstituten herstellen können.
Landwirtschaft steht Inklusion offen gegenüber
Viele Betriebe im Agrarbereich haben eine positive Grundeinstellung zum Thema Inklusion / zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Gleichzeitig sind jedoch auch Hürden während des Projekts sichtbar geworden, die einer Ausbildung oder Beschäftigung im Wege stehen: Geringe Berührungspunkte, fehlendes Wissen über die Auswirkungen der verschiedenen Behinderungsarten und mangelnde Informationen über Fördermöglichkeiten sind einige Gründe. Hier setzt Projektmitarbeiterin Sabine Potthast mit ihrem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt an, das seit knapp zwei Jahren bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein umgesetzt wird. Ziel ist es, Hürden und Vorbehalte abzubauen und so mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Agrarbereich zu schaffen und mehr Menschen mit Schwerbehinderung die Chance zu bieten, eine Ausbildung oder Beschäftigung in der Landwirtschaft aufzunehmen. Dazu gehört auch zu informieren, welche Beratungsangebote und finanziellen Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten z. B. für eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes bestehen. Dahinter steht ein breites Netzwerk von Kammer und Partnern.
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Fazit: Kammergeschäftsführer Peter Levsen Johannsen:„Die vielen Gespräche und Beratungen der vergangenen zwei Jahre haben uns gezeigt: Erfolgreiche Inklusion in der Arbeitswelt benötigt wirksame Begleitungs- und Förderprogramme mit deutlich verbesserter Transparenz für die Betriebe darüber, welche Hilfen es gibt und wer wofür zuständig ist. Erfolgreiche Inklusion beginnt jedoch nach unseren Erfahrungen „im Kopf“: Sie ist ganz wesentlich eine Frage von persönlichen Grundeinstellungen. Das Inklusionsprojekt hat uns ermöglicht, unsere Sichtweise zu überprüfen und zu verändern. Das war für uns außerordentlich wertvoll. Auf diesem Weg haben uns viele professionelle Akteure unterstützt – ganz besonders das IBAF Rendsburg durch die Qualifizierung unserer Mitarbeiter/innen. An dieser Stelle mein ganz herzlicher Dank dafür an Sie und Ihr Haus, Frau Voss, und alle Mitwirkenden“.
Zahlen und Fakten
In Schleswig-Holstein leben etwa 338.000 Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, rund 12 % der Bevölkerung.
Generell ist für Behinderte eine Ausbildung in der Agrarwirtschaft in Schleswig-Holstein in 12 grünen Ausbildungsberufen möglich. Für Lernbehinderte besteht nach § 66 Berufsbildungsgesetz zudem in den Bereichen Landwirtschaft, Gartenbau und Pferdewirtschaft die Möglichkeit, eine Werker- bzw. Fachpraktikerausbildung zu absolvieren. Die Werkeausbildung ist sehr erfolgreich und durch hohe Übernahmequoten von der Ausbildung in den Beruf auf dem Betrieb gekennzeichnet. Im Gartenbau wechseln über 50 % der Auszubildenden nach ihrer Ausbildung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. In der Landwirtschaft liegt dieser Anteil sogar bei 90 %.
Grund dafür ist die inklusiv durchgeführte Ausbildung auf den Betrieben.
Bundesweit gibt es rund 138.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft (2010). Mit etwa 3,1 % liegt der Anteil von Beschäftigten mit einer Schwerbehinderung an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der grünen Branche deutlich über dem produzierenden Gewerbe (1,7 %) und dem Dienstleistungsbereich (1,8 %).
Auf Schleswig-Holstein umgerechnet kommen, bezogen auf die 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Betrieben der schleswig-holsteinischen Land- und Forstwirtschaft, etwa 310 Menschen mit Schwerbehinderung.
Nur vier Prozent der Behinderungsarten sind angeboren. Bei rund 85 Prozent ist die Behinderung in Folge einer Krankheit im Lebensverlauf aufgetreten.