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Plain to Hell – Abschiebungscharterflüge nach Kabul geplant

Plain to Hell – Abschiebungscharterflüge nach Kabul geplant – Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein unterstützt den Aufruf diverser Initiativen zur Afghanistan-Kundgebung am Tagungsort der Flüchtlingskonferenz der Landesregierung in Lübeck am 9. November.

Dort in der MUK werden sich morgen auf Einladung der Landesregierung Konferenzteilnehmer*innen aus Ministerien, Kommunen und relevanten Verwaltungen mit Flüchtlingsorganisationen, Bildungs- und Integrationsfachdiensten über den Königsweg einer künftigen Flüchtlingspolitik auseinandersetzen. Draußen vor der Tür frieren derweil afghanische Flüchtlinge und Unterstützer*innen und demonstrieren für ein Abschiebungsverbot und gegen eine Flüchtlingspolitik, die die Chancen der Asylsuchenden nach nationaler Herkunft selektiert.

Denn seit Inkrafttreten verschiedener Asylrechtspakete wird afghanischen Flüchtlingen keine gute Bleibeperspektive mehr zugestanden. Die Folgen sind nicht nur die Verweigerung von Fördermaßnahmen zur sprachlichen und arbeitsmarktlichen Integration. Seit Jahresbeginn 2016 ist auch die Asylanerkennungsquote bei dem für die Prüfung der Asylanträge zuständigen Bundesamt von bis dahin bereinigt noch 79 % auf 47 % abgestürzt – und der tiefe Fall setzt sich fort.

Mehr noch: Seit dem 2. Oktober ist ein hanebüchenes Rückführungsabkommen zwischen Deutschland und Afghanistan in Kraft. Infolge dessen müssen die Länderinnenministerien Listen ausreisepflichtiger afghanischer Personen erstellen und via Bundesinnenministerium an den afghanischen Flüchtlingsminister leiten. Auf Grundlage dieser Listen sollen dann Rückführungen betroffener afghanischer Flüchtlinge in speziellen Charterflügen stattfinden. Ein erster Charter mit 50 Plätzen ist laut Staatsminister geplant.

„Dass im Zuge der Vollstreckung dieser Schreckenslisten offenbar sämtliche verfügbaren Daten und damit wohl auch Informationen über den Aufenthaltsgrund der Betroffenen an Regierungsstellen und damit potentielle Verfolgungsorgane liefern, ist ein weiterer Skandal“, kritisiert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

Als ob das noch nicht reiche, geben mancherorts Ausländerbehörden weiteren Anlass zu Besorgnis. Anstatt geduldeten Afghan*innen, die in der Behörde mit einem Ausbildungsvertrag vorstellig werden, mit der ihnen laut Integrationsgesetz zustehenden Anspruchsduldung zu versehen, wird ihnen stante pede die Abschiebung angekündigt. Andere Betroffene schildern, dass sie sich auf Grundlage erreichter Integrationsleistungen um eine Aufenthaltserlaubnis an die Härtefallkommission des Landes gewandt haben, dort jedoch abgewiesen wurden.

Gründe, die eine schlechte Asylquote, eine Integrationsblockade oder die Rückführung rechtfertigen könnten, sucht mensch in Afghanistan indes vergeblich (Quellen):

In 14 von 34 Provinzen herrscht offener Krieg. Die Nordallianz, eine in Treue zu dem bei den Präsidentschaftswahlen unterlegenen Abdullah Abdullah stehende Horde unterschiedlicher Milizen, droht immer wieder mit dem militärischen Sturm auf Kabul. Die Taliban und der IS erweitern ihre Herrschaftsgebiete in erfolgreichen Offensiven. Aktuell befindet sich ein Drittel des Lands weiterhin unter Kontrolle der Taliban. Fast 1 Mio. weitgehend unversorgte Binnenvertriebene irren im Land umher. In den verbleibenden Provinzen herrscht regelmäßige politisch motivierte Attentatsgewalt sowie krimineller Mord und Todschlag. Selbst in Kabul, vom BMI wider besseres Wissen als „sicher“ für Rückkehrer*innen klassifiziert, jagt ein erfolgreicher Anschlag mit jeweils zahlreichen zivilen Opfern den nächsten. Landesweit fordern die enormen Mengen an von westlichen Militärallianzen und Aufständischen gleichermaßen zurückgelassenen Minen und nicht explodierter Munition jährlich gut 10.000 zivile Opfer. Besonders betroffen sind Kinder.

Nach Jahrzehnten des Kriegs sind die zivilisatorischen Standards in der Gesellschaft weitgehend degeneriert. In der Folge sind Frauen – zumal alleinstehende – quasi Freiwild. Das Auswärtige Amt beklagt in seinen Lageberichten regelmäßig exzessive, sehr oft sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Missbrauch von Minderjährigen. Jugendliche und junge Männer unterliegen der Zwangsrekrutierung seitens unterschiedlicher islamistischer und anderer Milizen – Familien, die sich dem verweigern, werden mit dem Tod bedroht.

In Folge der Verschlechterung des politischen Klimas zwischen den Herrschenden in Pakistan und Afghanistan werden derzeit im großen Stil afghanische Flüchtlinge aus Pakistan repatriert. Schon über 100.000, täglich bis zu 6.000, sind in den letzten Wochen quasi über Nacht abgeschoben worden. Das UNHCR ist mit ihrer und der Versorgung der o.g. Binnenflüchtlinge vollkommen überfordert. Pakistan hat angekündigt, bis Jahresende 600.000 Menschen abzuschieben. Der Iran schiebt ebenfalls in großer Zahl afghanische Flüchtlinge zurück in ihr oder das Herkunftsland ihrer Eltern.

In dem Vielvölkerstaat Afghanistan haben 40 Jahre gewalttätige Machtkämpfe ein tief sitzendes Misstrauen zwischen den Ethnien und einen aggressivem Rassismus gegen Minderheiten etabliert. Es ist für Rückkehrer*innen überhaupt nicht möglich, an einen anderen als allenfalls ihren Heimatort zurückzukehren. Und auch dort sind sie selten willkommen. In ihren Häusern leben, in ihren Geschäften auf ihren Feldern wirtschaften inzwischen andere. Gleichzeitig werden aus Europa Zurückkehrende immer wieder zu Opfern von Raub, weil man bei ihnen besondere Reichtümer vermutet. 80% der jungen Afghaninnen und Afghanen sind arbeitslos, da ein Jahrzehnte andauernder Krieg die Wirtschaft – abgesehen von der profitablen Drogen- und Gewaltökonomie und in Teilen der an die westliche Militärintervention angegliederten Ökonomie – ruiniert hat.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein fordert

⦁ einen sofortigen Abschiebungsstopp und eine Landesinitiative für ein Bleiberecht für afghanische Flüchtlinge,

⦁ eine den Fluchtgründen der Asylsuchenden angemessene Asylschutzquote,

⦁ ein integrationsorientiertes Verwaltungshandeln der Ausländerbehörden, das Inrtegrationsleistungen fördert, anstatt sie zu unterlaufen,

⦁ eine Spruchpraxis der Härtefallkommission, die mit Blick auf die in Afghanistan offenbaren Rückkehrgefährdungen, afghnische Anrufungen mit besonderer ermessensoffenheit behandelt.

„Dass ein Abschiebungsstopp in Landesregie nicht für länger als 3 Monate entschieden werden kann, ist kein Hinderungsgrund“, erklärt Martin Link. Die Zeit sollte allerdings für eine starke schleswig-holsteinische Bundesratsinitiative genutzt werden, der zynischen gegen afghanische Schutzsuchende gerichteten Bundespolitik etwas entgegen zu setzen.