Dänemarkstrategie der Landesregierung: Keine Fantasie, nur Verwaltungshandeln
Es ist gut, dass die Landesregierung an einer Dänemarkstrategie arbeitet. Schleswig-Holstein hat zwei Grenzen und die Kooperation mit dem skandinavischen Raum ist mindestens so wichtig wie die mit der Metropolregion Hamburg. Und ganz eigentlich sind das keine Gegensätze, sondern ganz eigentlich bedürfte es einer hanseatisch-skandinavischen-schleswig-holsteinischen Gesamtstrategie.
Die Dänemarkstrategie der Landesregierung verschiebt den Akzent deutlich gegenüber den vorherigen Ansätzen und zwar zu Ungunsten des Landesteils Schleswig und zu Gunsten der Region Ostholstein.
Die feste Fehmarn-Belt-Querung wird der neue Kristallisationspunkt im schleswig-holstein-dänischen Fokus. Sie wissen, dass wir die feste Fehmarn-Beltquerung für falsch halten, aus ökologischen, touristischen wie vor allen Dingen ökonomischen Gründen. Und demnach werden Sie erwarten, dass wir die neue Dänemarkstrategie der Landesregierung nicht gut finden können. Das tun wir auch nicht. Aber nicht, weil sie an der Beltquerung ausgerichtet ist. Wenn man zwei zuvor getrennte Interreg-Töpfe zu einem zusammenfasst, wie es die Landesregierung vorschlägt, dann ist der Sinn natürlich, zumindest die Möglichkeit zu eröffnen, dass der kleinere Topf, das ist der für Ostholstein, durch Mittel aus dem vormals größeren, das ist der Schleswiger, aufgestockt wird.
Dennoch sage ich: Man kann das machen. Was ist falsch daran, einen schleswig-holsteinischen Gesamtansatz zu wählen und eine Gesamtstrategie für das ganze Bundesland zu entwickeln? Ich kann daran nichts Böses erkennen. So riesengroß ist unser Bundesland nun auch wieder nicht. Und wie sollte denn eine gemeinsame schleswig-holsteinische Strategie, die Hamburg und Skandinavien mit einbezieht, wenn wir jetzt schon anfangen, Kirchturm zu spielen?
Nein, das Problem, das wir mit Ihrer Dänemarkstrategie haben, ist, dass sie keine Strategie ist. Ob man die Töpfe zusammenfasst oder es bleiben lässt, ist reine Politik-Simulation, es ist ein bürokratischer Vorgang. Man kann das so machen – aber das allein ist noch keine Strategie. Strategie bedeutet, zu ergreifende Maßnahmen zu definieren.
Die 32 Seiten des Berichts der Landesregierung sind aber im Wesentlichen eine Aufzählung dessen, was es schon gibt. Das ist nicht nichts. Es ist sogar hilfreich, sich einmal Klarheit zu verschaffen, welch Kooperationen laufen und wie sie organisiert sind. Aber die Folgerung, die Sie anstellen, ist einzig, dass Sie mehr davon haben wollen, was schon da ist. Nirgends wird ein Programm oder eine Kooperation in Frage gestellt. Nirgends wird das Fehlen von Partnerschaft oder Konkurrenz benannt. Und wenn es um die Zukunft geht, dann zieht sich das Formale wie ein roter Faden durch den Bericht: „Die Staatskanzlei wird sich […] für die erneute Einsetzung einer deutsch-dänischen Arbeitsmarktkommission einsetzen […]“ (S. 17), „Entwicklung eines Entwicklungskonzepts“ (S. 2), „Aufbau einer strategischen Partnerschaft bei der Ernährungswirtschaft“, „Entwicklung einer gemeinsamen Position zu den Europäischen Förderstrukturen“ […] Entwicklung, Konzept, Kommission – Das ist Form statt Inhalt!
Das sind keine Handlungsempfehlungen und auch keine Handlungsansätze. Das ist, wie man auf Dänisch sagen würde, Strategie-Snak.
Sie führen mit ihrer Dänemarkstrategie in eine technische Debatte, statt einen qualitativen Prozess zu initiieren. Um nur eine Skizze des Bedarfs zu geben: Es gibt mehrere konkrete Vorschläge, von Carls Holst wie von den Einrichtungen selbst, für eine engere Zusammenarbeit der Hochschulen, vor allen Dingen der Uni Flensburg, im Norden. Sie beschreiben und loben dann: „Eine besonders intensive Zusammenarbeit besteht zwischen der Syddansk Universitet und der Universität Flensburg im Bereich der Kultur- und Wirtschaftswissenschaften. Im Bachelor-Studiengang „Internationales Management“ findet ein intensiver Austausch von Studierenden und Lehrenden statt.“ – Dumm nur, dass Sie genau den aufgeben wollten. Dann: Das Wirtschaftsministerim ist gebeten worden, „ein Konzept für die deutsch-dänische Zusammenarbeit zu erarbeiten (s.17). Dieses Konzept wird Anfang 2011 dem Kabinett vorgelegt.“ Anfang 2011 war schon. Es wäre schön zu hören, wie sich die Landesregierung positioniert, sowohl zu dem Bachelor-Studiengang „Internationales Mangement“, wie zu den anderen Ideen im Raum, etwa einer gemeinsamen Bildungsforschung im Norden, die Ausbildung von ErzieherInnen im Austausch mit Haderslev zu organisieren, bis hin zu der Idee, die Hochschulkooperation nach dem Vorbild der Viadrina zu einer Europa-Universität auszubauen.
Es gibt den Anlauf zu einer engen Kooperation zwischen der Grenzregion und Sönderborg zur Bewerbung für die europäische Kulturhauptstadt 2017 – wo bitte erwächst daraus eine Perspektive für eine gemeinsame Kulturregion? Und wo wird diese aufgenommen für gemeinsame Tourismuskonzepte?
Wie bitte wird die Kooperation auf dem Gebiet der Energie vorangebracht? Und zwar sowohl, was die Probleme – etwa den Maisanbau in Dänemark für schleswig-holsteinische Biogasanlagen oder die Durchleitung von Windstrom aus Dänemark durch unsere Netze – angeht, wie auch die Chancen, etwa eine gemeinsame Wartung der Off-Shore-Anlagen. Faktisch befinden sich die dänischen Häfen, vor allen Dingen Esbjerg, und die deutschen, in einer heftigen Konkurrenz – wenn sie nicht schon entschieden ist zu ungunsten der schleswig-holsteinischen Häfen.
Ernüchternd sind schließlich die Aussichten für eine grenzübergreifende Fortentwicklung des Gesundheitswesens. Sie analysieren es im dritten Kapitel und schließen: „Die Gesundheitskooperation soll mit ganz Dänemark intensiviert werden. Dafür wird das Ministerium für Soziales zunächst gebeten, einen Bericht vorzulegen…“
Das Problem ist aber, dass die Organisationsstruktur bei den Krankenhäusern zwischen Deutschland und Dänemark einfach nicht zusammen passt. An wen sollen sich die staatlichen Krankenhäuser wenden, wenn sie kooperieren wollen? An die Kliniken in Flensburg? Oder Schleswig? Oder der Westküste? Die stehen doch selbst im Konkurrenzverhältnis. An die Krankenkassen? Und wenn ja, welche? An Kommunen? Das dürften wohl zu viele sein. An die Landesregierung? Welchen formalen Zugriff haben Sie denn, um den Krankenhäusern zu sagen, was sie mit Dänemark absprechen sollen und was nicht?
Schließlich sprechen Sie die Anerkennung von Berufsabschlüssen an (S. 18). Das ist sehr richtig und dringlich. Aber reicht es? Die Handwerkskammer zu Lübeck ist dabei, im Rahmen einer grenzüberschreitenden Berufsausbildung Kooperationen mit dänischen berufsbildenden Schulen aufzubauen. Ein strategischer Vorstoß der Landesregierung wäre es, sich nicht nur für ein vergleichbareres Ausbildungssystem einzusetzen, sondern auch für gemeinsame Ausbildungsgänge. Denn auch hier stimmen ja die Systeme – unser duales und das dänische, schulische – nicht überein. Aber wollen wir, wenn es eine zusammenwachsende Region wird, dass das so bleibt?
Bälle in der Luft sind also mehr als genug. Nur nehmen Sie sie nicht auf, sondern ziehen sich auf Verwaltungshandeln und Kommissionsakte zurück. Und so gesehen wird die Beltquerung doch zum Problem ihrer Strategie. Sie sehen die Vielzahl an Möglichkeiten nicht, weil sie nur in die Röhre unter dem Meer starren. Die Verschiebung des Akzentes in der Dänemark-Strategie ist nicht deswegen schlecht, weil sie sich auf die feste Beltquerung konzentriert, sondern weil die feste Fehmarn-Beltquerung in Ihren Augen das einzige konkret neue Projekt ist. Und deshalb bedeutet nur die Zusammenlegung der Interreg-Töpfe, ohne zu wissen und klar zu definieren, wo man hin will, zu beliebigem Abgreifen der Mittel, das heißt hier maximale Verfügbarkeit für die Fehmarnregion.