Für ein Europa der offenen Grenzen
Mit ihrem Beschluss, zwischen Deutschland und Dänemark die Schlagbäume wieder zu errichten, rüttelt die dänische Regierung an einem Grundpfeiler der EU: Die Freizügigkeit der BürgerInnen.
Offene Grenzen und die Vielfalt der europäischen Regionen und Kulturen sind die Basis der europäischen Integration. Ohne sie gibt es auch keine erfolgreiche Entwicklung der nordeuropäischen Wirtschafts- und Wissensregion.
Der Schutz vor zunehmender Kriminalität ist eine vorgeschobene Begründung. Sie dient einzig dazu, den nationalistischen und fremdenfeindlichen Strömungen im Land entgegen zu kommen und dem kleineren Partner in der Koalitionsregierung, der Dänischen Volkspartei, etwas zu bieten, als Gegenleistung für Konzessionen in anderen Bereichen.
Wir haben durch eine Reihe von Kooperationsvereinbarungen im Bereich der Sicherheit eine gute Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden über die Grenze hinweg. Diese polizeiliche Zusammenarbeit kann unsere Sicherheit und den Schutz vor Kriminalität viel besser garantieren als ein Zurück in alte Zeiten.
Leider ist Dänemark nicht das einzige Land in Europa mit fremdenfeindlichen Mehrheitsbeschaffern in der Regierung. Auch in den Niederlanden, Finnland und in Italien haben wir ähnliche Konstellationen.
In Schweden, Ungarn, Österreich und Norwegen sind die Rechtsnationalen stark in der Opposition. In Frankreich erzielt die Front National zurzeit erschreckend hohe Umfragewerte (23 Prozent) bei den Umfragen zur Präsidentschaftswahl.
Das Erstarken der Ultrarechten ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass Frankreich und Italien einen Vorstoß bei der EU gemacht haben, um nationale Grenzkontrollen wieder einzuführen.
Viele Menschen genießen heute wie selbstverständlich alle Vorteile der europäischen Integration, ohne sich bewusst zu machen, wie stark Wohlstand und Sicherheit vom Erfolg dieses Prozesses abhängig sind.
Es liegt auch an uns, zu vermitteln, wie wichtig ein vereintes Europa und solidarisches Europa für uns alle ist. Deshalb ist es gefährlich, wenn Frau Merkel sich hinstellt, wie jetzt in Meschede, und sagt, wir Deutschen seien so fleißig und tüchtig. Und wenn sie uns suggeriert, wir müssten für die Renten und den Urlaub der Menschen in halb Europa aufkommen, ist das eine grobe Verzerrung der Verhältnisse.
Wir haben, um die defizitären Strukturen in Griechenland wissend, jahrzehntelang gut von den Exporten und dem Handel mit Griechenland gelebt. Wer immer nur sagt, was uns Europa alles kostet, ohne auch zu sagen, was wir dafür bekommen, arbeitet den EuropaskeptikerInnen in die Hände.
Bei allem Verständnis für Diplomatie: Ich kann auch nicht die verständnisvollen Äußerungen des Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche in Dänemark zu den neuen Schlagbäumen an der Grenze nachvollziehen.
Der Prozess der europäischen Integration ist ein ständiger Prozess, bei dem Stillstand gleichbedeutend ist mit Rückschritt. Es reicht auch nicht aus, sich zurückzulegen und sich darüber zu freuen, was in der Vergangenheit erreicht wurde. Denn dann besteht die Gefahr, dass Europa zerbröselt, wie es vor kurzem der Europaabgeordnete der CDU, Elmar Brok, beschrieben hat.
Europa steht vor großen Herausforderungen: eine Finanzkrise ohne eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, Flüchtlingsproblematik in Nordafrika und andere Migrationsbewegungen, der notwendige Umbau der Energieversorgung und vieles mehr. Wir können uns dabei nicht leisten, nationalen Egoismen nachzugeben. Mit nationalen Alleingängen wird kein Land diese Probleme lösen können.
Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingt, zu offenen Grenzen zwischen Deutschland und Dänemark zurückzukehren. Damit wäre allen gedient. Ich denke, dies wird auch deutlich durch den Antrag, den wir gemeinsam in den Landtag einbringen.