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Kultur & Wissenschaft

Kunsthalle St. Annen zeigt Selbstporträtsammlung Leonie von Rüxleben II: „Künstlerinnen“

Lokales
Zum zweiten Mal zeigt die Kunsthalle St. Annen im graphischen Kabinett eine Auswahl von Selbstporträts aus der Sammlung Leonie von Rüxleben. Die diesjährige Ausstellung zeigt bis zum 2. September 2007 alle siebzig in der Sammlung vertretenen Künstlerinnen mit je einem repräsentativen Werkbeispiel. Hier Einzelheiten zu Sammlerin und Sammlung:

Leonie von Rüxleben
Am 21. September 2005 verstarb 85-jährig die 1920 in Berlin geborene Sammlerin Leonie Freifrau von Rüxleben. Die als Getreidemaklerin in Hamburg tätige Kunstfreundin hatte die Kunst des Selbstporträts für sich entdeckt. Über viele Jahre wuchs so nach und nach eine ganz besondere Sammlung graphischer Blätter. Es ist jedoch nicht nur der thematische Schwerpunkt allein, der diese Sammlung auszeichnet, sondern auch die Tatsache, dass es sich bei der Enthusiastin um eine Frau handelte. Wir kennen heute zahlreiche Sammler oder Sammlerehepaare, die allein oder gemeinsam großartige Werkgruppen unterschiedlicher Künstler zusammenbringen und diese dann später häufig als ihr Vermächtnis einem dafür geeigneten Museum als sinnvolle Ergänzung der bestehenden Sammlungen überlassen. Dass dieses eine einzelne Frau als Sammlerin in diesem Umfang tut, ist hingegen singulär.

Sammlung Leonie von Rüxleben
Die Sammlung Leonie von Rüxleben umfasst rund 1400 Graphiken und Plakate, die ausschließlich die Selbstbefragung und -erforschung der jeweiligen Künstler zum Gegenstand haben. Rund 1040 von ihnen sind Selbstporträtgraphiken. Neben den Kunstwerken gelangten auch die umfangreichen Korrespondenzen der Sammlerin mit den verschiedenen Künstlern, so wie die diese Sammlung betreffenden, umfassenden Buchbestände in den Besitz der Lübecker Museen. Mit der Sichtung der Korrespondenzen wurde bereits begonnen. Diese stellen einen ganz besonderen Wert dar, da sie sowohl interessante Informationen über die engagierte Sammlerin, als auch über die jeweiligen Künstler selbst bieten. Hierdurch wird zugleich eindrucksvoll ein Stück Sammlungsgeschichte dokumentiert. Von
Ausnahmen früheren Datums abgesehen, lag der Sammlungsschwerpunkt Leonie von Rüxlebens auf Werken, die nach 1945 hauptsächlich von aus Westdeutschland stammenden oder hier lebenden Künstlern geschaffen wurden. Einige bedeutende Werke ostdeutscher Künstler aus der Zeit der DDR umfasst diese Sammlung ebenfalls.

Zweite Auswahlpräsentation
Die zweite Vorstellung der Sammlung im Untergeschoss der Kunsthalle St. Annen – dem Graphischen Kabinett – zeigt nun alle in der Sammlung vertretenen Künstlerinnen mit je einem repräsentativen Werkbeispiel. Die diesjährige Ausstellung hat damit ihren Schwerpunkt auf den in der Regel auch heute noch in der Kunstszene unterrepräsentierten Künstlerinnen und zeigt damit etwas Besonderes. Wenn man bedenkt, dass es berühmten Künstlerinnen, wie etwa Käthe Kollwitz oder Paula Modersohn-Becker gegen Ende des 20. Jahrhunderts noch vollkommen verwehrt war, überhaupt eine Kunstakademie zu besuchen, dann wird deutlich, dass die Kunst des weiblichen Selbstporträts, gemessen an der bereits mehrere Jahrhunderte währenden Maltradition des Abendlandes, gerade für diesen Teil der Künstlerschaft, erst auf eine relativ kurze Zeit zurückblickt. Anhand der rund siebzig in der Sammlung vertretenen Künstlerinnen wird es interessant sein, zu entdecken, wie sich nun die Frauen selbst sehen, in welche Rollen sie schlüpfen oder in welchen Zusammenhängen sie gesehen werden wollen. Für den Betrachter besteht die Chance, neben bereits bekannten Künstlerinnen auch Werke und Persönlichkeiten kennenzulernen, die bisher noch nicht so bekannt sind.

Auch dieses Mal wieder ergibt sich die Möglichkeit, vielerlei Erkenntnisse über die Dargestellten, ihre Selbstbefragungen und die Vielfalt der jeweiligen künstlerischen Techniken und Stile zu gewinnen. Wer allerdings erwartet, hier Einsichten über etwas spezifisch Weibliches in der Kunst zu erhalten, der wird – abgesehen davon, dass es sich bei allen Dargestellten ohne Ausnahme um Frauen handelt – sicherlich enttäuscht werden, da es letztlich nur gute oder schlechte Kunst gibt, aber keine weibliche oder männliche. Die Frage, ob es allerdings bei dem ja besonders persönlichen Sujet des Selbstporträts möglicherweise einen explizit weiblichen Blickwinkel gibt, sollte jeder Betrachter letztlich für sich selbst beantworten. Das Spektrum dieser Präsentation ist recht weit gefächert und reicht von der ehemaligen Popsängerin Amanda Lear über die Klassikerin Käthe Kollwitz bis zu der politisch engagierten und in der damaligen DDR überaus bekannten Lea Grundig. Weitere Künstlerinnen sind hier Renée Sintenis, deren Plastik Daphne im Garten des Behnhauses aufgestellt ist, Ursula (Schultze-Bluhm), Emy Roeder, Renate S. Peters, die ebenfalls in den Museumssammlungen vertretene Karin Witte, Else Meidner, Margrit von Spreckelsen, Sina Hofmann-Ginsburg und andere

Auch beim weiblichen, stets figurativen Selbstporträt gilt, dass es sich dabei selten nur um eine naturalistische oder gar wahrheitsgetreue Darstellung der jeweiligen Graphikerin handelt, die photographisch exakt das eigene Gesicht oder die eigene Gestalt wiederzugeben beabsichtigt. Vielmehr wollen die Künstlerinnen einem anderen, nämlich dem Betrachter gegenüber ein Bild von sich, vom eigenen Rollenverständnis als Mensch und/oder Künstler, auch von der eigenen Gestimmtheit bzw. von Ideen oder Visionen sichtbar und begreiflich machen, die ein wesentlicher Teil der jeweiligen Persönlichkeit sind. Klar ist jedoch, dass wir auch hier immer nur einiger Teile eines Ganzen begegnen, niemals aber dem Menschen in seiner komplexen Vollständigkeit. Die Tatsache, dass sich seit 2004 die Selbstporträtsammlung Leonie von Rüxleben in Lübeck befindet, veranlasste im vergangenen Jahr zwei Künstler, weitere Selbstporträtgraphiken den Lübecker Museen als sinnvolle Ergänzung zur abgeschlossenen Rüxlebensammlung zu spenden. So erhielten sie die Farbradierung Selbst als symbiotisches Paar von 2005 von dem in München lebenden Graphiker Christoph Hessel (*1952); die Aschaffenburger Malerin und Graphikerin Sina Hofmann-Ginsburg (*1935) schenkte den Museen 35 radierten Selbstdarstellungen. Besonders interessant ist hierbei, dass die Künstlerin einige Variationen zu den Themen Selbst und Landschaft bzw. Selbst mit Schrift, Selbst zeichnend, Selbst im Pullover I, II mit unterschiedlichsten Radiertechniken und in verschiedenen Jahren schuf. Zudem umfasst dieses Konvolut auch noch einige Epreuves artistes (Probedrucke von Künstlern). Daher ist Sina Hofmann-Ginsburg in dieser anregenden Ausstellung auch als einzige mit zwei Arbeiten vertreten.

Eintritt: (einschließlich Buxtehude-Ausstellung im St. Annen-Museum bis 26. August 2007):
7, ermäßigt 3,50 Euro. Ab 27. August 2007: 5, ermäßigt 2,50 Euro.

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10-17 Uhr.

Kunsthalle St. Annen
St. Annen-Straße 15
23552 Lübeck

www.die-luebecker-museen.de

Museums-Hotline: 01805 92 92 00