Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerin Rumpf legt neue Vorschläge zur EU-Agrarpolitik vor
Die schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerin Dr. Juliane Rumpf hat heute (18. August) in Kiel neue Vorschläge zur Reform der EU-Agrarpolitik vorgelegt. „“Die Verhandlungen in Brüssel gehen nach der Sommerpause in die entscheidende Runde. Die Kommission arbeitet derzeit noch an den Rechtstexten. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt für detaillierte Vorschläge““, sagte die Ministerin.
Die europäische Landwirtschaft befinde sich in einem mehrjährigen Umstellungsprozess. Langfristiges Ziel müsse es sein, die reine Agrarproduktion von staatlichen Zuschüssen zu befreien. Zumindest in der nächsten Förderperiode ab 2014 werde die Landwirtschaft aber noch auf Direktzahlungen angewiesen sein.
Die Ministerin hob hervor, dass die Landwirte über die reine Marktproduktion hinaus wertvolle Beiträge für wichtige gesellschaftliche Ziele wie Landschaftserhaltung, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz leisteten. Hierfür sei auch in Zukunft eine deutliche und abgesicherte finanzielle Honorierung durch Direktzahlungen und Förderprogramme notwendig. Erfreulicherweise sehe die jüngste Finanzplanung der EU-Kommission bis 2020 ein weitgehend stabiles Agrarbudget vor. Dies sei eine gute Grundlage, den eingeschlagenen Kurs erfolgreich fortzusetzen.
Zu den Direktzahlungen („1. Säule“) bemerkte Ministerin Rumpf, sie halte den Ansatz der EU-Kommission wie auch des EU-Parlaments, diese mit einer Honorierung von zusätzlichen Umweltleistungen zu verbinden, für richtig und richtungsweisend.
Es komme jetzt auf die richtige Ausgestaltung des „Greening“ an, das folgende Bedingungen erfüllen müsse:
− praxisgerechte Umweltleistungen
− hoher Nutzen für die Umwelt
− flächendeckende Realisierungsmöglichkeit
− effiziente und unbürokratische Umsetzung
− vollständige Finanzierung aus EU-Mitteln.
Konkret schlug die Ministerin folgendes Modell vor:
• Die Direktzahlungen setzen sich – wie von der KOM vorgeschlagen – aus einer „Basisprämie“ und einer „Ökologisierungskomponente“ zusammen.
• Die „Ökologisierungskomponente“ beinhaltet einen Maßnahmenkatalog (Module), aus dem der Landwirt mindestens 3 Module auswählen muss. Dieses Modell hat den Vorteil, dass regionale Besonderheiten und individuelle betriebliche Schwerpunkte berücksichtigt werden können. Dadurch kann es gegenüber einer starren Regelung mit vorgeschriebenen Maßnahmen über¬regionale Wirkung und eine höhere Effizienz entfalten. Auch die Akzeptanz innerhalb der Landwirtschaft wird erhöht.
• Der Katalog enthält folgende Module:
1.) Ökologische Vorrangflächen
Mit diesem Modul verpflichten sich die Landwirte, einen bestimmten Flächenanteil für naturnahe Landschaftselemente bereitzustellen bzw. zu erhalten.
Hierunter fallen:
– Landschaftselemente, wie Knicks und Kleingewässer
– Blühstreifen und ungenutzte Bereiche wie Feldränder
– mit Gras bewachsene, grundsätzlich landwirtschaftlich nutzbare
Gewässerrandstreifen.
2.) Kulturartenvielfalt
Mit diesem Modul sollen Monokulturen vermieden werden.
3.) Grundwasserschutz auf Flächen ohne Wintersaat
Verschiedene Varianten sind denkbar, z. B. Winterbegrünung, Einschränkung der Herbstdüngung, Verzicht auf Bodenbearbeitung im Herbst.
4.) Dauergrünlandumbruchverbot
Die Erhaltung des Dauergrünlandes ist im Hinblick auf den Natur-, Gewässer-, Boden- und Klimaschutz besonders wichtig. Im Vordergrund steht langjährig als Mähweide genutztes Grünland.
5.) Ökologische Aufwertung von Grünland
Für einen Teil des Grünlandes wird zum Schutz der Wiesenvögel eine späte Mahd oder dauerhaftes Weideland vorgesehen.
6.) Anerkennung von Natura 2000-Flächen
Betriebe mit Flächen in EU-Vogelschutzgebieten oder FFH-Gebieten haben Bewirtschaftungsbeschränkungen hinzunehmen.
7.) Einsatz innovativer und umweltfreundlicher Technik
Honoriert werden soll der kostensteigernde Einsatz spezieller Technik, wie z. B. „Präzisions-Landwirtschaft“ oder umweltfreundliche Gülleaus¬bringungstechnik.
8.) Ökolandbau
Betriebe des ökologischen Landbaus bringen aufgrund ihres positiven Umweltbeitrages die Voraussetzungen für das „Greening“ mit.
9.) Beratung über Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen
Über eine Schwachstellenanalyse soll den Landwirten verdeutlicht werden, wie sie beispielsweise die Artenvielfalt auf ihrer Betriebsfläche oder die Ökosystemleistung und die Klimabilanz ihrer Betriebe insgesamt verbessern können.
Eine Kappungsgrenze der Basisprämie lehnt die Ministerin ab. Allenfalls wäre eine größenabhängige Degression zu begründen. Schließlich müssten auch die Umweltleistungen des „Greening“ unabhängig von der Betriebsgröße erbracht werden. Auch eine Bindung der Prämienzahlungen an den Arbeitskräftebestand wird abgelehnt. Die Prämienzahlungen sollen einen wirtschaftlichen und gemeinwohlorientierten Ausgleich schaffen. Dieses System sollte nicht zusätzlich noch mit agrarsozialen Komponenten verknüpft werden, die im Übrigen nicht zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit führen würden.
Dringend erforderlich, so Rumpf, sei eine Entbürokratisierung des Prämiensystems. Prüfbereiche, die durch das Fachrecht gut abgesichert seien, bräuchten nicht zusätzlich durch Stichprobenkontrollen der Agrarverwaltung untersucht zu werden. Wenn Routinekontrollen geringe Verstöße aufdeckten, sollte der Kontrollumfang reduziert werden. Darüber hinaus forderte die Ministerin eine EU-weite Entkoppelung der Prämienzahlungen, wie es in Deutschland bereits seit Jahren Praxis ist.
Neben den Direktzahlungen müssen auch die Förderprogramme der EU („2. Säule“) weiterentwickelt werden. Sie unterstützen vielfältige Aktivitäten im ländlichen Raum sowie spezifische Naturschutz-, Gewässerschutz- oder Klimaschutzziele.
Nach Auffassung von Ministerin Rumpf muss ein Schwerpunkt bei Maßnahmen liegen, die zur Lösung überregionaler Probleme beitragen und im besonderen EU-Interesse liegen:
• Agrar- und Umweltmaßnahmen einschließlich Vertragsnaturschutz
• Ausgleichszahlungen zur Umsetzung von Natura 2000 und Wasserrahmenrichtlinie
• Vertragsklimaschutzmaßnahmen
„“Schleswig-Holstein unternimmt große Anstrengungen zur Kofinanzierung dieser EU-Gelder aus Landesmitteln. Aber mit Blick auf die besondere Bedeutung dieser Maßnahmen zur Lösung überregionaler und zum Teil globaler Probleme halte ich es für gerechtfertigt, dass diese Maßnahmen von der EU zukünftig mit höheren Kofinanzierungssätzen bis zu 90 Prozent ausgestattet werden““, so die Ministerin.
Ein weiterer Schwerpunkt müsse auch weiterhin in der Förderung der ländlichen Entwicklung liegen. Schleswig-Holstein habe mit seinen „AktivRegionen“ auf diesem Gebiet seit Jahren sehr erfolgreich gewirkt.
Ministerin Rumpf abschließend:
„“Mit meinen Vorschlägen will ich einen breiten Konsens zwischen Agrarpolitik und Gesellschaft erreichen. Nur so lassen sich künftig die finanziellen Mittel im EU-Haushalt absichern. EU-Kommission und EU-Parlament haben mit ihren Vorschlägen eine brauchbare Grundlage vorgelegt. Jetzt ist es an uns, mit detaillierten und praxisgerechten Anregungen den Reformprozess in die richtige Richtung zu steuern““.
Hintergrund-Information
18. August 2011
Kennzahlen für Schleswig-Holstein zu den beiden Säulen der EU-Agrarpolitik
EU-Betriebsprämie an landwirtschaftliche Betriebe (1. Säule)
Die Anzahl der Empfänger von Betriebsprämien belief sich im Jahr 2010 auf 15.577.
Die Direktzahlungen betragen jährlich rund 370 Millionen Euro, abzüglich der Modulation (Verschiebung in die 2. Säule) rund 346,5 Millionen Euro.
Bei einer beihilfefähigen Fläche von insgesamt rund eine Million Hektar in Schleswig-Holstein beträgt die durchschnittliche Betriebsprämie pro Hektar circa 346 Euro.
Die durchschnittliche Betriebsprämie pro Betrieb beläuft sich auf rund 23.300 Euro.
Die Betriebsprämie trägt im Durchschnitt der Betriebe zu circa 50 Prozent zum Gewinn bei.
Anzahl der Betriebe gruppiert nach der Summe der Betriebsprämie:
mehr als …. Euro Betriebsprämie Anzahl der Betriebe Anteil der Betriebe in Prozent
> 200.000 60 0,4
> 150.000 117 0,8
> 100.000 289 1,9
> 50.000 1.737 11,2
gesamt 15.577 100,0
Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums (2. Säule)
Angaben als Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2013 (in Euro pro Jahr):
Finanzielle Beteiligung der EU am ZPLR: rund 43 Millionen Euro
Finanzielle Beteiligung von Bund, Land, Kommunen
und anderen öffentlichen Trägern: rund 34 Millionen Euro
Das Gesamt-Investitionsvolumen beträgt: rund 200 Millionen Euro
Einige Beispiele für geförderte Maßnahmen:
Küstenschutz, Agrarumweltmaßnahmen, Maßnahmen im Rahmen der AktivRegionen