Evergrande ist technisch pleite und zwingt damit HSBC und andere internationale Banken bis zu 197 Milliarden US-Dollar abzuschreiben
Berlin (ots) – Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche hat die China Evergrande Group Zinszahlungen an internationale Investoren offenbar ausfallen lassen. Damit manifestiert sich der Bankrott des Immobilienentwicklers weiter. Der Immobilien-Konzern hat einen Schuldenberg von insgesamt 305 Milliarden Dollar angehäuft. Allein in den acht Wochen bis Jahresende werden knapp 338 Millionen Dollar Zinsen fällig. Sollte die Evergrande-Insolvenz nicht nur den Immobiliensektor Chinas in die Tiefe reißen, sondern die gesamte Wirtschaft des Landes, drohen sogar Pleiten internationaler Großbanken – etwa die der HSBC, fürchtet DMSA-Senior-Analyst Dr. Marco Metzler. Heute endete die Schonfrist für überfällige Zinsen in Höhe von 47,5 Millionen US-Dollar auf eine Off-Shore-Anleihe des zweitgrößten Immobilien-Developers in China. Doch von einer Zahlung dieser Zinsen ist bis zum Geschäftsschluss der Hongkonger Banken offiziell nichts bekannt geworden. Es gibt lediglich unbestätigte Medienberichte über eine Zinszahlung die heute angewiesen worden sein soll. Jedoch hat Evergrande diese Zahlung bislang nicht offiziell bestätigt. Kein Wunder, dass etwa in einem aktuellen Bericht der „Financial Times“ von heute daran gezweifelt wird, dass das Geld tatsächlich an die Gläubiger geflossen ist. „Das ist im Prinzip das gleiche Spiel wie vor einer Woche“, stellt DMSA-Senior Analyst Dr. Marco Metzler fest. Auch für die überfällige Zinszahlung am 23. Oktober im Volumen von rund 83 Millionen US-Dollar gibt es bis heute keine offizielle Bestätigung von Investoren. „Selbst unsere seither erfolgten Anfragen bei betroffenen Investoren brachte keine Bestätigung für den Zinseingang,“ erklärt DMSA-Senior-Analyst Dr. Marco Metzler. (Hinweis für Redaktionen: Siehe auch unsere Pressemitteilung vom 25.10.2021) „Damit ist die Pleite augenscheinlich bereits technisch eingetreten,“ analysiert Metzler. Der Bauträger hatte schon zuvor keine Angaben mehr dazu gemacht, ob er einen Zahlungsausfall noch vermeiden kann. Auch Bemühungen, an weiteres Kapital zu kommen, sind weitestgehend gescheitert. So etwa der Plan, die Mehrheit an seiner Immobilienverwaltungs-Tochter zu verkaufen. Hinter den Kulissen wurde bis zuletzt hektisch verhandelt. Laut der Newsagentur Bloomberg trafen sich am 28.10. um 16 Uhr Ortszeit Evergrande-Vertreter mit betroffenen Anleiheinvestoren in New York. In den Gesprächen forderten die institutionellen Gläubiger Informationen zum Status von Immobilienprojekten, zur Liquidität und zur Bewertung von Vermögenswerten, hieß es aus informierten Kreisen. Das Treffen sei ohne offizielles Ergebnis beendet worden jedoch mit der Zusage die Zinszahlungen leisten zu wollen. Das Ergebnis wurde durch die New York Times noch gestern veröffentlicht und von den Medien aufgegriffen als seien die Zahlungen bereits geleistet worden. Dies ist jedoch bisher nicht der Fall. Der Entwickler hat im September und Oktober drei Kuponzahlungsrunden im Volumen von insgesamt fast 280 Millionen US-Dollar ausfallen lassen. Teilweise läuft jedoch noch eine 30tägige Schonfrist. Zwischen 1.November und 28.Dezember stehen nun insgesamt Kuponzahlungen auf Offshore-Anleihen mit einem Zinsvolumen von fast 338 Millionen Dollar an. Der Fall Evergrande wirft aus Sicht von Dr. Metzler auch ein Schlaglicht auf Peking: „Der chinesische Staat hat ganz offensichtlich kein Interesse daran, für internationale Schulden chinesischer Konzerne einzustehen.“ Dies werde beispielsweise dadurch belegt, dass die chinesische Finanzmarktaufsicht in dieser Woche alle Bauträger zu einem Treffen einbestellte und sie aufforderte, ihre internationalen Verbindlichkeiten selbst zu tilgen. Und da kommt einiges zusammen: Eine Studie der Ratingagentur Standard & Poor’s vom 27.10.2021 belegt, dass bei Chinas Immobilien-Developer allein bis Jahresende die Tilgung von Papieren im Nennwert von 40 Milliarden US-Dollar ansteht. Insgesamt betragen die Auslandsschulden der chinesischen Immobilienentwickler nach einer Studie von Goldman Sachs rund 197 Milliarden US-Dollar. „Angesichts solcher Volumina und der geringen Bonität vieler chinesischer Immobilienentwickler ist damit zu rechnen, dass Zins und Tilgung der internationalen Anleihen von chinesischen Immobilien-Entwicklern fast komplett ausfallen“, warnt Metzler. „Zumal es kaum Möglichkeiten gibt, die Schulden in China einzutreiben.“ Zwar besteht seit dem 14. Mai 2021 eine Vereinbarung zwischen Peking und Hongkong (Mutual recognition and assistance to insolvency proceedings), die ausländischen Gläubigern die Durchsetzung ihrer Vermögensansprüche auch in China selbst erleichtern soll, wenn Hongkonger Unternehmen – wie Evergrande – ins Straucheln kommen. Allerdings wachsen inzwischen die Zweifel, ob dieser bilaterale Rahmen im Fall der Evergrande, deren Holding auf den Cayman Islands eingetragen ist, ausreicht, um die Ansprüche institutioneller Auslandsgläubiger genügend zu schützen. „Der Konkursfall Evergrande ist mit Sitzgesellschaft auf den Cayman Islands als Holding und Vermögen in China äußerst komplex. Am Ende wird wenig bis nichts für die Bondgläubiger übrig bleiben“, prognostiziert DMSA-Experte Dr. Metzler und verweist auf seinen früheren Arbeitgeber, die Ratingagentur Fitch, die bereits Ende September die Bonität des Konzerns auf C herabgestuft und dabei für ausstehende Anleihen ein Recovery-Rating von RR6 vergeben habe. Fitch unterstelle also, dass bei einem Bankrott von Evergrande lediglich null bis zehn Prozent des von Bondinvestoren eingesetzten Kapitals an diese zurückfließe. Geht man im Schnitt von fünf Prozent Rückfluss aus, müssen internationale Investoren bei einer Evergrande-Insolvenz sofort rund 22,5 Milliarden US-Dollar abschreiben, wie Metzler in seiner Studie „The Great Reset – Evergrande und die finale Kernschmelze des globalen Finanzsystems“ vom 24.10.2021 detailliert nachgewiesen hat. (Hinweis für die Redaktionen: In dieser Studie findet sich auch eine Liste der internationalen Gläubiger von Evergrande samt der Höhe des ausstehenden Kapitals.) Doch bei 22,5 Milliarden Dollar an Abschreibungen wird es womöglich nicht bleiben. Inzwischen hält es DMSA-Senior-Analyst Metzler durchaus für möglich, dass Evergrande den gesamten Immobiliensektor Chinas mit in die Pleite reißen könnte. Mit folgenschweren Implikationen auch für internationale Großbanken wie etwa die HSBC. Laut deren Zahlen für das dritte Quartal 2021 hat allein die größte Bank Hongkongs Kredite in Höhe von insgesamt 19,6 Milliarden US-Dollar an chinesische Immobilien-Konzerne vergeben. Unterstellt man bei einer – von Evergrande ausgelösten – branchenweiten Pleitewelle ebenfalls eine Recovery Rate von fünf Prozent, so müssten schon allein bei der HSBC rund 18 Milliarden US-Dollar abgeschrieben werden. Bedenkt man zudem die begrenzten Möglichkeiten internationaler Banken, auf Vermögenswerte in China zugreifen zu können (siehe oben), steht bei HSBC noch deutlich mehr auf dem Spiel: Der Ausfall des kompletten Portfolios chinesischer Unternehmenskredite. Und das ist immerhin rund 196 Milliarden Dollar schwer. „Eine solch immense Kreditvergabe an chinesische Unternehmen, ohne gesicherte Möglichkeit im Konkursfall auf Sicherheiten in China selbst zugreifen zu können, halte ich für unverantwortlich“, meint Finanzexperte Metzler. Bei einem Rückfluss von fünf Prozent wären in diesem Fall von der HSBC rund 186 Milliarden Dollar abzuschreiben. Das entspreche fast dem gesamten Eigenkapital der Bank. Und werde wohl umgehend zu deren Pleite führen. Damit wäre HSBC ein Opfer des Chinesischen Finanzvirus‘, der sich dann rasant weiter auf den internationalen Finanzmärkten ausbreiten dürfte. „,The Great Reset‘ – die finale Kernschmelze des derzeitigen globalen Finanzsystems – ist längst kein rein intellektuelles Gedankenspiel mehr“, schlussfolgert Dr. Metzler.. Mehr Informationen zu den Ergebnissen der Studie finden Sie unter www.dmsa-agentur.de Über Deutsche Markt Screening Agentur GmbH: Die DMSA Deutsche Markt Screening Agentur GmbH, ist ein unabhängiger Datendienst, der marktrelevante Informationen zu Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen sammelt und bewertet. Die DMSA versteht sich als Anwalt der Verbraucher, Privatkunden und mündigen Investoren. 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