Entwurf einer Gesetzesnovelle zur Landeshaushaltsordnung birgt Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages wird heute ein Gesetzentwurfs der scharz-grünen Koalition (Drs. 20/2321) und Änderungsanträge von SSW und FDP zur Einführung einer Antisemitismusklausel in die Landeshaushaltsordnung beraten. Dazu führt der Ausschuss eine Anhörung von Organisationen und Institutionen durch, die zum Thema Stellungnahmen eingereicht haben.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein hat sich in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen kritisch positioniert. In der Landtagsdrucksache 20/2321 wird ein Gesetzentwurf ausgeführt, der auf Grundlage einer Antisemitismusdefinition der IHRA nicht allein gegen Jüdinnen und Juden und ihre Gemeinden gerichtete antisemitische Äußerungen und oder solcherart unterstellte Tatbestände sanktionieren, sondern auch Kritik an Institutionen des Staates Israel mit der Verweigerung öffentlicher Förderung ahnden will.
Dass der Bedarf an einer insgesamt gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausgerichteten, antirassistischen, antidiskriminierungswirksamen und sich nicht zuletzt gegen Antisemitismus richtenden Politik und gesellschaftlichen Praxis nicht nur aus historischen Gründen auf der Hand liegt, belegen nicht nur die infolge der seit Oktober 2023 im Nahen Osten eskalierenden Gewalt auch hierzulande zunehmenden Bedrohungen von Minderheiten.
Die bestehenden Förderungsrechtslagen sind aus Sicht des Flüchtlingsrates allerdings ausreichend ausgestaltet, einer grundrechts- und menschenrechtsfeindlichen sowie diskriminierungsintensiven politischen Instrumentalisierung öffentlicher Mittel vorzubeugen. Sollte in Einzelfällen dennoch entsprechende Handlungsbedarfe offenbar werden, erscheint uns das eine Herausforderung für die gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung zu sein und kann kaum zielführend durch gesetzliche Reglungen für die Richtigkeit von Bekenntnissen vorbeugend eingehegt und exekutiert werden.
Darüber hinaus gehen mit der angestrebten Novelle mögliche schädliche Wirkungen für den ohnehin fragilen Zusammenhalt in der diversen Einwanderungsgesellschaft einher. Nach den rechtsextremen Remigrations-Drohungen, unter dem Eindruck zahlreicher restriktiver Migrationsrechtssetzungen und einer anhaltenden migrationsfeindlichen politischen Debatte sind auch hierzulande Menschen mit Migrationsgeschichte erheblich verunsichert. In diesem Kontext können so verstanden auf migrantische Gruppen zielende, aber i.E. ungerechtfertigten Antisemitismusvorwürfe und solcherlei Rechtslagen als zusätzliche Push Faktoren einen Rückzug von Menschen mit Migrationsgeschichte in ihre jeweiligen Bubbles befördern. Das Vertrauen in die Versprechen von Politik und Mehrheitsgesellschaft auf eine gute Integrationsperspektive im Einwanderungsland Deutschland befindet sich in den migrantischen Communities ohnehin im Sinkflug.
Die Stellungnahme des Flüchtlingsrats SH zum Gesetzentwurf Drs. 20/2321 ist online: https://www.frsh.de/artikel/stellungnahme-zum-ge-zur-landeshaushaltsaordung-sh