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Politik & Wirtschaft

Grüne SH Fraktion: Flüchtlingshilfe

Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort der Landesregierung – Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration Streichung der Landesförderung für den Flüchtlingsrat
Mit einem Schreiben des Flüchtlingsrates vom 13.07.2011 wurden alle Fraktionen des Landtages darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration (JuMi SH) mit Wirkung ab dem laufenden Haushaltsjahr die seit 1997 bewilligte Landesförderung beendet hat. Für das Haushaltsjahr 2012 stün-de es dem Flüchtlingsrat frei, einen Projektförderantrag zu stellen, eine Förderung sei – so das JuMi SH – jedoch absehbar nicht möglich.
Vorbemerkung:
Da das Schreiben des Flüchtlingsrates vom 13.07.2011 dem Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration nicht bekannt ist, kann die Antwort nicht auf dessen Inhalte eingehen. Festgestellt werden muss jedoch, dass das Ministerium in den ver-schiedenen Gesprächen mit und schriftlichen Äußerungen gegenüber dem Flücht-lingsrat in keinem Fall die Aussage getroffen hat, eine Förderung sei „absehbar nicht möglich“. Richtig ist, dass das Ministerium den Flüchtlingsrat über die Erfolgsaussich-ten eines möglichen Antrags im Rahmen geringerer zur Verfügung stehender Haus-haltsmittel informiert hat. Ein derartiger Hinweis entspricht der Verwaltungspraxis und ermöglicht den Verbänden eine realistische Planung.

1.) Ist dem Flüchtlingsrat im laufenden Haushaltsjahr die seit 2007 bewilligte und fristgerecht auch für 2011 beantragte Landesförderung für das Projekt „Landesweite Beratung“ vorenthalten worden? Wenn ja, in welchem Umfang wurden beantragte Landesmittel im Gegensatz zu den Vorjahren nicht bewilligt (Angaben in Euro für das Drucksache 17/ 2043 Schleswig-Holsteinischer Landtag – 17. Wahlperiode 2 Haushaltsjahr 2011), wie viele Personalstellen sind davon betroffen und wofür wur-den die damit frei werdenden Mittel stattdessen eingesetzt?

Antwort zu Frage 1.):
Nein, dem Flüchtlingsrat ist eine Förderung nicht vorenthalten worden. Entsprechend der Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen für die Förderung von Migrati-onssozialberatung und landesweiten Beratungsprojekten vom 8. Januar 2010 (Amts-blatt 2010, S. 175) erfolgt eine Förderung jeweils in Form einer maximal einjährigen Projektförderung. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung besteht nicht. Über die Gewährung der Zuwendung entscheidet das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen zur Verfügung stehen-der Haushaltsmittel. Aufgrund der Haushaltskonsolidierung standen im Haushalt 2011 für landesweite Beratungsprojekte 175.000 Euro zur Verfügung. Nach den Vor-gaben der Haushaltserläuterung haben Projekte zur Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe den Schwerpunkt der Förderung gebildet. Dies hatte das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration dem Flüchtlingsrat im Vorfeld der Antragstel-lung wiederholt mitgeteilt. Der Flüchtlingsrat hat keinen Antrag auf ein Projekt zur Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe gestellt. Im Rahmen pflichtgemäßen Er-messens wurden im Ergebnis andere Projekte vorrangig gefördert. Die bloße Dauer vorangegangener Förderung ist kein Förderkriterium.
2.) Plant die Landesregierung die Nichtförderung des Flüchtlingsrates auch im kommenden Haushaltsjahr 2012 fortzusetzen? Wenn ja, wie stellt die Landesregie-rung sicher, dass im kommenden Haushaltsjahr die bis dato seitens der Projektaktivi-täten des Flüchtlingsrates geleistete Unterstützung von Flüchtlingen, Geduldeten und Asylsuchenden und Zuarbeit für deren MultiplikatorInnen in Schleswig-Holstein statt-finden kann?

Antwort zu Frage 2.): In den angesprochenen Jahren bis 2010 wurde nicht der Flüchtlingsrat als Verein gefördert, sondern es wurden dem Verein Zuwendungen für die Durchführung eines landesweiten Beratungsprojektes gewährt. Damit geht die Frage ins Leere. Über ei-nen zwischenzeitlich eingegangenen Antrag des Flüchtlingsrates auf Förderung ei-nes Projektes im Jahr 2012 wird das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel entscheiden.

3.) Hat sich die Landesregierung vorab mit Blick auf die o.g. Zahlen vergewissert, ob mit dieser Mittelstreichung ein Verlust des auf Förderung des ehrenamtlichen bür-gerschaftlichen Engagements des Flüchtlingsrates als Anbieter von spezifischen Qualifizierungsangeboten einher geht? Wenn ja, wie positioniert sich die Landesre-gierung zu einer solchen negativen Konsequenz und zu dem damit künftig fehlenden landesweit dezentral verfügbaren Angebot für Flüchtlinge, Asylsuchende, Geduldete und deren bürgerschaftlich engagierte MultiplikatorInnen?
Antwort zu Frage 3.): Wie bereits dargelegt hat die Landesregierung nicht den Flüchtlingsrat als Verein gefördert, sondern fördert im Landesinteresse liegende Projekte. Die Nichtförderung eines einzelnen Projektes kann daher keinen Einfluss auf eine Förderung des ehren-amtlichen bürgerschaftlichen Engagements des Flüchtlingsrates als Verein und Anbieter von spezifischen Qualifizierungsangeboten haben, vielmehr bleibt es dem Flüchtlingsrat unbenommen, seine spezifischen Qualifizierungsangebote weiter an-zubieten. Innerhalb des 2010 bewilligten Projektes war die „Qualifizierung von Eh renamtlichen und Multiplikatoren“ eine von drei Projektaufgaben. Tatsächlich wurden 2010 auch einzelne Schulungen zur Qualifizierung von Ehrenamtlern durchgeführt. Die hier vom Flüchtlingsrat erbrachten Aktivitäten wurden bei den Förderentschei-dungen im Haushaltsjahr 2011 im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens mit denen anderer Projekte abgewogen.
4.) Mit Blick auf steigende Bedarfe ehrenamtlichen kompetenten sozialen Engagements in der Gesellschaft und angesichts der Alleinstellung des Flüchtlingsrates im Bundesland bei der themenspezifischen Zuarbeit und Förderung von ehrenamtli-chem bürgerschaftlichen Engagement in der dezentralen Flüchtlingshilfe sowie ein-gedenk der im Zuge steigender Zuwanderung und dezentraler Verteilung von Asyl-suchenden und Flüchtlingen vor Ort wieder steigenden Beratungs- und Unterstüt-zungsbedarfe der Primärzielgruppe: Welche Konsequenzen für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe im Allgemeinen und für die Zukunft des Flüchtlingsrates im Einzelnen ergeben sich nach Meinung der Landesregierung aus dieser geplanten Mittelstreichung?
Antwort zu Frage 4.):
Im Haushalt des Ministeriums für Justiz, Gleichstellung und Integration sind keine Mittel für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe veranschlagt. Eine Kürzung bzw. Strei-chung von Haushaltsmitteln kann daher nicht erfolgen. Sollte die Förderung des Flüchtlingsrates gemeint sein, gilt auch hier, dass es einen Rechtsanspruch auf För-derung nicht gibt. Das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration wird wei-terhin über eine Förderung oder Ablehnung einer Förderung nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel entscheiden. Dabei werden alle relevanten Kriterien einbezogen werden.
5.) Hat sich die Landesregierung vergewissert, welche Auswirkungen mit der Be-endigung der Landesförderung für die sonstige Projekte-Kofinanzierung der flücht-lingsspezifischen Angebote des Flüchtlingsrates und mit der Bundes- und EU-Förderung der Integrationsförderprojekte und -Netzwerke des Flüchtlingsrat einher gehen?
Antwort zu Frage 5.): Mit der Förderung von landesweiten Projekten verfolgt das Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration die in der o.a. Richtlinie genannten Ziele. Die Kofinan-zierung von Bundes- und EU-Projekten ist kein Förderziel. Die Kofinanzierung von derartigen Projekten mit aus Landesmitteln finanzierten Projekten ist möglich. Aller-dings setzt dies voraus, dass an dem ggf. kofinanzierten Projekt ein derartiges Landesinteresse besteht, dass es im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel in Ab-wägung mit anderen Projektanträgen gefördert wird.
6.) Wie rechtfertigt die Landesregierung die Streichung der Förderung des Flücht-lingsrates, dessen Projektengagement u.a. auf die verbesserte Integration von Flüchtlingen orientiert, vor dem Hintergrund, dass sie gleichzeitig – wie ver-schiedentlich u.a. vom zuständigen Abteilungsleiter im Integrationsministerium ver-lautbart – im Rahmen der geplanten Gesetzesnovelle zum künftigen §25b AufenthG (lt. aktueller Bundesratsinitiative der Landesregierung) gerade von langjährig geduldeten Flüchtlingen erhebliche Integrationsleistungen und Orientierungskompetenz in der Einwanderungsgesellschaft einfordert und relevante zivilgesellschaftliche Anbie-ter zu entsprechender zielgruppenspezifischer Unterstützungen auffordert?
Antwort zu Frage 6.):
Förderschwerpunkt der strukturbezogenen landesweiten Projekte war 2011 entsprechend der Erläuterung im Haushalt die Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe. Eine Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis, wie z.B. Flüchtlinge, ist nicht vorgesehen. Der Flüchtlingsrat hat kein auf diesen Schwerpunkt ausgerichtetes Projekt beantragt. Die Beratung von Flüchtlingen hat der Flüchtlingsrat ebenfalls nicht beantragt. Sie ist auch Aufgabe der Migrationssozialberatung.
7.) Wie beantwortet die Landesregierung den Vorwurf, dass die Streichung der Förderung für den Flüchtlingsrat mit einem ohnehin festzustellenden Rückzug der Landesregierung aus der Förderung von Flüchtlingshilfe auch an anderen Stellen einher geht, wie z.B. der Versorgung traumatisierter Flüchtlinge, den zu Lasten der Flüchtlingsberatung sich auswirkenden Kürzung von Migrationssozialberatungsstellen und der Nichtbeteiligung des Landes an der Förderung des Bleiberechtsnetzwerks?

Antwort zu Frage 7.):
Den behaupteten Rückzug aus der Flüchtlingshilfe gibt es nicht. Mit dem Aktionsplan Integration legt die Landesregierung in der Integrationspolitik einen stärkeren Fokus auf die Realisierung von Chancengerechtigkeit in den staatlichen und nicht-staatlichen Strukturen sowie auf den Aufbau einer Willkommens- und Anerken-nungskultur. Dieses kommt im Ergebnis, wenn auch abhängig von deren Rechtsstatus, auch Flüchtlingen zugute. So können beispielsweise als landesweite Beratungs-projekte Projekte zur Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe auch von Flüchtlingen gefördert werden und die Migrationssozialberatung hat Personen mit vorübergehen-dem Aufenthalt als explizite Zielgruppe. Allen geförderten Trägern wird durch Be-scheid die schnelle und effektive Unterstützung von Migrantinnen und Migranten mit vorübergehendem Aufenthalt in migrationsspezifischen Krisensituationen vorgegeben.
Anträge auf Förderung der Versorgung traumatisierter Flüchtlinge oder auf Förde-rung eines Bleiberechtsnetzwerkes sind 2011 beim Ministerium für Justiz, Gleichstel-lung und Integration nicht gestellt werden. Die Nichtbewilligung eines nicht gestellten Antrages kann nicht als Rückzug aus der Förderung von Maßnahmen zugunsten von Flüchtlingen interpretiert werden.
Daneben stehen für den Bereich der Flüchtlingsarbeit Mittel des Europäischen Flüchtlingsfonds und andere EU- und Bundesmittel zur Verfügung, die für diverse Projekte verschiedener Träger, nicht nur des Flüchtlingsrates, auch genutzt werden.