Recht auf anonyme Kommunikation: Pirat Breyer reicht Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein
Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Mitglied der Piratenfraktion in Schleswig-Holstein, hat zusammen mit Jonas Breyer Beschwerde gegen das deutsche Verbot des Vertriebs anonymer Prepaid-Handykarten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht. Das Gericht bestätigte inzwischen den Eingang der Beschwerde unter dem Aktenzeichen 50001/12. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Januar 2012 das Recht auf anonyme Kommunikation und einen anonymen Internetzugang nicht anerkannt hat [1], soll diese Frage nun vor dem EGMR geklärt werden.
»Die von SPD und Grünen 2004 eingeführte Zwangsidentifizierung aller Nutzer von Prepaidkarten muss gestoppt werden. Sie gefährdet die freie und unbefangene Kommunikation und Internetnutzung, die in unserer Gesellschaft unverzichtbar ist«, begründet Patrick Breyer die Beschwerde. »Anonymität ist essenziell für Presseinformanten, für die anonyme Äußerung unliebsamer Meinungen im Internet, für den vertraulichen Austausch von Geschäftsgeheimnissen, für die vertrauliche Koordinierung politischer Proteste, für die psychologische, medizinische und juristische Beratung sowie für Selbsthilfegruppen.«
»Zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten verfolgen Straftaten erfolgreich auch ohne ein Generalverbot anonymer Handykarten«, erklärt der Jurist Jonas Breyer. »Weil Prepaidkarten in Deutschland legal auf Fantasie-Namen registriert, weitergegeben oder aus dem Ausland eingeführt werden können, führen die Identifizierungsdaten nach Angaben von Strafverfolgern ohnehin ›in aller Regel nicht weiter‹. Das Anonymitätsverbot ist daher ebenso nutzlos wie schädlich. Wenn der Staat die Kommunikation unbescholtener Bürger für gefährlich hält, dann wird der Staat selbst gefährlich.«
Die Beschwerdeführer rechnen sich in Straßburg gute Chancen aus. Der Europarat hat in einem Bericht bereits vor einer Entwicklung gewarnt, welche die »Kommunikationsfreiheit behindern kann, weil sie das Maß an Anonymität mindert, der sich Teilnehmer und Nutzer unter Umständen bei der Benutzung des Telefons bedienen wollen, indem sie gezwungen werden, ihre Identitäten offenzulegen«. [2] [3] [4]
Quellen:
[1] Urteil des BVerfG vom 24.1.2012: https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20120124_1bvr129905.html
[2] Council of Europe. Committee of Ministers. Recommendation R (95) 4:
https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=535549&SecMode=1&DocId=518682&Usage=2
[3] Europarat. Ministerkomitee: Empfehlung zum Schutz persönlicher Daten im Bereich der Telekommunikationsdienste: http://merlin.obs.coe.int/iris/1995/3/article8.de.html
[4] Informationen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Ein_recht_auf_anonymitaet.pdf