Rasmus Andresen: Die Geschichte der Sinti darf keine unendliche Enttäuschung werden
Herr Präsident, meine Damen und Herren.
Seit den Neunziger-Jahren beraten Abgeordnete in diesem Haus über die Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung. Immer wieder gab es Vorstöße, die Sinti und Roma in der Landesverfassung mit der Dänischen und Friesischen Minderheit gleichzustellen.
Es ist noch gar nicht so lange her, als wir in der letzten Legislatur in einem ausgiebigen Verfahren über die Verfassungsergänzung beraten haben. Alle, wirklich alle, Anzuhörenden haben sich für die Verfassungsergänzung ausgesprochen.
Im Vorfeld der Landtagstagung ist die Koalition kritisiert worden, nur Symbolpolitik zu betreiben. Bei allem Streit in vielen Fragen freue ich mich, dass wir uns hier weitgehend einig sind, dass die Aufnahme der Sinti und Roma in die Landesverfassung ein wichtiges Symbol ist. Es geht um Anerkennung für eine Volksgruppe und Nationale Minderheit, die Jahrhunderte lang verfolgt wurde. Auch in Schleswig-Holstein.
Laut Auskunft unserer neuen Minderheitenbeauftragten Renate Schnack starben in der NS Zeit allein 400 Sinti aus Schleswig-Holstein in den Vernichtungslagern. Das Unrecht, was den Sinti und Roma in der Vergangenheit angetan wurde, kann man allerdings nicht ausschließlich auf die NS Zeit beziehen. Auch die Eingliederungsversuche im 18. und 19. Jahrhundert sind ein trauriges Beispiel für die Geschichte der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein. Wir haben allein deshalb gegenüber den Sinti und Roma eine historische Verantwortung.
Es geht um die Gleichstellung mit den anderen beiden Nationalen Minderheiten, den Friesen und Dänen. Es gibt kein gutes Argument dafür, die drei Nationalen Minderheiten in diesem Punkt unterschiedlich zu behandeln.
Für den Minderheitenschutz war 1993 ein wichtiges Jahr. Durch das Rahmenabkommen für Minderheitenschutz vom Europarat wurde ein für alle Mal klar, dass die Sinti und Roma als Nationale Minderheit anerkannt sind.
Jetzt, 19 Jahre später, haben wir die Chance, einen nächsten Schritt zu gehen.
Aber auch wenn man aktuelle Politik zur Grundlage der Entscheidung macht, wäre eine Änderung der Verfassung ein starkes Signal. Die Situation der Sinti und Roma in anderen europäischen Staaten, wie zum Beispiel in Ungarn, ist dramatisch. Antiziganismus ist leider an vielen Orten gesellschaftlich mehrheitsfähig.
Schleswig-Holstein hat die Chance mit der Verfassungsergänzung eine Vorreiterrolle in der Minderheitenpolitik einzunehmen. Wir Grüne würden uns noch viel mehr Unterstützung für die ca. 5.000 in Schleswig-Holstein lebenden Sinti und Roma wünschen. Wir werden in der Koalition beraten, ob und wie das möglich ist.
Ein Ansatz könnte sein, die Geschichte der Sinti und Roma im Rahmen von politik-historischer Bildung stärker in das Zentrum der Öffentlichkeit zu rücken. Wir werden unserer landespolitischen Verantwortung gerecht.
Ich bin darüber hinausgehend sicher, liebe Anke Spoorendonk, sehr geehrter Ministerpräsident Albig, dass diese Landesregierung bundes- und europaweit minderheitenpolitisch strahlen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Geschichte der Sinti und Roma darf keine unendliche Enttäuschung werden.
Ich freue mich, dass die FDP Fraktion und die Piraten unsere Initiative unterstützen. Damit haben wir theoretisch eine verfassungsändernde Mehrheit erreicht. Für uns Grüne kann ich aber auch erklären, dass wir uns über jede weitere Stimme aus der Opposition freuen würden. Je größer die Mehrheit wird, umso stärker ist das Signal.
Wir werden in der weiteren parlamentarischen Beratung weiter auf Sie, Frau Damerow und Herr Callsen, zugehen und hoffen, gemeinsam – wie bei den Kinderrechten – die Verfassung zu ändern.
Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.