„LiteraTour“ auf literarischer Spurensuche auf Usedom
Es war ein faszinierender Dialog. Im Rahmen der 17.“LiteraTour“ begaben sich Mitglieder und Gäste des „Lübecker Autorenkreises und seine Freunde e.V.“ unter dem Motto „Kennenlernen- aufeinander zugehen“ nach Usedom auf die Spuren des Schriftstellers Hans Werner Richter und des Malers Otto Niemeyer-Holstein. Foto (RB): Lutz GallinatIm Bansiner Hans-Werner-Richter-Haus, wo auch an die bedeutende Publizistin und Schriftstellerin Carola Stern erinnert wird, lasen dann am letzten Sonnabend unter der Leitung Klaus Rainer Golls, des 1.Vorsitzenden der literarischen Vereinigung, und des 2.Vorsitzenden Dr. Peter Guttkuhn Therese Chromik (Kiel), Klaus Rainer Goll (Lübeck) selbst, Jürgen Haese (Lübeck), Brigitte Halenta (Lübeck), Bodo Heimann (Kiel), Regine Mönkemeier (Lübeck), Friedrich Mülder (in der Nähe von Passau) und Egon Richter (Ahlbeck), der Neffe Hans Werner Richters. Für die musikalische Umrahmung im gut gefüllten Günter-Grass-Saal sorgten Maria Schüler (Querflöte) und Annette Richter (Gitarre).
Am Sonntag besuchte die bibliophile Gruppe schließlich dann das Atelier Otto Niemeyer-Holstein in Lüttenort/Usedom.
Zu Hans-Werner Richter
Hans Werner Richter wurde am 12.11.1908 in Bansin (Usedom) geboren und verstarb am 23.3.1993 in München. Der Sohn eines Fischers ging nach einer Buchhändlerlehre nach Berlin, wurde arbeitslos und trat 1930 in die KPD ein, aus der er zwei Jahre später unter dem Vorwurf des Trotzkismus wieder ausgeschlossen wurde. 1933 emigrierte Richter nach Paris, kehrte jedoch wieder nach Berlin zurück und arbeitete als Buchhändler und Verlagsangestellter, bis er 1940 vorübergehend inhaftiert und dann zur Wehrmacht eingezogen wurde.
Von 1943 bis 1945 war er in amerikanischer Gefangenschaft, wo er zu schreiben anfing und an Lagerzeitschriften mitarbeitete. 1946 wurde er in München Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Ruf“, die ein Jahr später von den Allierten verboten wurde. In diesem Jahr gründete er die „Gruppe 47“, die sich trotz ihres informellen Charakters unter seiner Leitung zu einer einflussreichen Institution im Kulturleben der BRD entwickelte, wobei das letzte Gruppentreffen 1977 standfand. Von 1962 bis 1965 lebte er in Westberlin, seit 1975 in München.
Richters eigenes literarisches Schaffen steht in der Tradition realistischen Erlebens und ist zunächst von seinen Kriegs- und Nachkriegserfahrungen geprägt. Dabei versuchte er durch eine knappe, sachliche, Jargon und Umgangssprache aufnehmende Diktion den „Kahlschlag“-Forderungen nachzukommen. Sein erster Roman, „Die Geschlagenen“, verarbeitet die Erfahrungen in Krieg und Gefangenschaft, „Sie fielen aus Gottes Hand“ erzählt in Montageform von den Schicksalen von Opfern und Tätern im Krieg, „Linus Fleck“ zeichnet satirisch die Nachkriegskarriere eines Opportunisten nach und beklagt den Verlust an moralischen Werten in der sich neu formierenden Gesellschaft der BRD. Stark autobiographisch geprägt ist die dem Modell des Entwicklungsromans verpflichtete Geschichte eines Fischerjungen in einer engstirnigen Umgebung („Spuren im Sand“), ebenso die vom Vater berichtenden „Geschichten aus Bansin“. In dem Band „Reisen durch meine Zeit“ erzählt Richter Lebensgeschichten von Menschen, die er in seinem Leben traf, von der Begegnung eines Schriftstellers mit einer Schauspielerin handelt zurückhaltend und sensibel „Die Flucht nach Abanon“.
Zu Lutz Gallinat:
Lutz Gallinat wurde am 29.August 1959 in Lübeck geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und Deutsche Sprache und Literatur in Hamburg mit dem Abschluss „Magister artium“. Er ist Mitglied im „Lübecker Autorenkreis und seine Freunde e.V.“ und in der „LINKEN“. Er arbeitet als Lektor und freier Journalist für verschiedene Zeitungen. Seine Hauptinteressen sind Lyrik, Prosa, Theater, Musik und Philosophie.