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Umwelt & Sport

Vom Notfallprogramm zum Daueralarm – Stress: Warum ein einst segensreicher Reflex zur Gesundheitsgefahr wurde

ApoUmschau
Baierbrunn (ots) – Ohne die spontanen Stressreaktionen unseres Körpers – schneller Herzschlag, erhöhte Atmung, angespannte Muskeln, hochwaches Hirn – würden wir manche Gefahren viel zu spät realisieren. Ein höchst nützlicher Mechanismus also. Unsere frühen Ahnen reagierten darauf in aller Regel mit Muskelarbeit: Kampf oder Flucht. Unser heutiger Lebensstil aber gibt uns kaum noch die Möglichkeit, den Stress wie zu Urzeiten mit Bewegung zu kontern. „Aus dem lebensrettenden Notfallprogramm ist dadurch ein gefährlicher Krankmacher geworden“, erklärt Professor Christoph Bamberger, Direktor des Medizinischen PräventionsCentrums Hamburg, in der „Apotheken Umschau“.
Das eigentliche Problem ist chronischer Stress, der etwa durch Zeitnot, Informations- und Reizüberflutung oder ein Übermaß an Arbeit entsteht. Bei Dauerstress setzt der Körper das Hormon Kortisol frei. Selbst bei jahrelang anhaltendem Druck sinkt seine Produktion in der Nebennierenrinde nicht ab. Die Folge: Der Botenstoff hält uns unter Daueralarm. Blutdruck, Blutzucker und Blutfette sind ständig erhöht. Die Gefahr für Herzinfarkt, Schlaganfall, Osteoporose und Infektionsanfälligkeit steigt. Je länger der Druck anhält, desto mehr schlägt er auf das Gemüt. Erschöpfung und Depressionen kommen hinzu.
Wie entkommt man dem Dilemma? Beanspruchung und Erholung müssten im Gleichgewicht sein, dann hält der Mensch eine ganze Menge Stress aus. Wer wie unsere Vorfahren mit körperlicher Aktivität reagieren kann, ist schon auf einem guten Weg: „Jede Form von Bewegung ist gut bei Stress“, rät Professor Sepp Porta vom Institut für Angewandte Stressforschung in Bad Radkersburg, Österreich. Er selbst bevorzugt Krafttraining. „Je öfter man die Muskeln trainiert, desto mehr Muskelzellen bauen sich auf und desto schneller nimmt der Stresshormonpegel ab“, erklärt der Stressforscher.
Frauen haben dem Stress gegenüber von Natur aus einen Vorteil, ist Professor Michael Kastner, Lehrstuhlinhaber für Organisationspsychologie an der TU Dortmund, überzeugt: „Frauen halten Dauerstress besser aus als Männer“, erklärt er. Das liege an ihrer Fähigkeit, sich sozial gut zu vernetzen – „eine der wirkungsvollsten Methoden, um Stress abzubauen. Das ist übrigens auch einer der Gründe, weshalb Frauen länger leben“, so Kastner. Ein guter Umgang mit stressauslösenden Belastungssituationen lasse sich aber auch lernen. Dazu solle man versuchen, seinen persönlichen Stress-Typ zu erkennen: Was löst konkret den Druck aus und mit welchem Handlungsmuster reagiert man darauf? „Denn wer weiß, wozu er neigt und wofür er anfällig ist, kann gezielt gegenlenken“, betont Kastner.
Neben viel Bewegung, deren Art jeder nach Temperament und Leistungsfähigkeit wählen kann, hat sich ein „Achtsamkeitstraining“ als gut wirksam zur Stressbewältigung erwiesen. Viele Kliniken und niedergelassene Therapeuten bieten in Deutschland entsprechende Programme an. Das Ziel ist, sich selbst und die Umwelt bewusst wahrzunehmen und sich ganz auf den Moment zu konzentrieren. Da Stress aber auch viel mit schlecht organisiertem Alltag oder Beruf zu tun hat, muss Abhilfe dort ebenfalls einsetzen: besseres Zeitmanagement und Struktur für die Arbeitsabläufe. Die Diplompsychologin Angelika Wagner-Link leitet in München das Institut für Mensch und Management. Ihr Rat: „Gehen Sie regelmäßig Ihre Dinge durch – im Büro und zu Hause. Entsorgen Sie alles, was Sie nicht brauchen. Das entspannt und befreit.“