TOP 16: Rechtem Populismus und rechter Hetze entschlossen entgegentreten
TOP 16: Rechtem Populismus und rechter Hetze entschlossen entgegentreten – Wir alle führen Gespräche; wir lesen, sehen, hören Berichte der Medien; wir bekommen bei Terminen unmittelbare Rückmeldungen auf unsere Arbeit. All das gibt Anlass, sich die Frage zu stellen, was das für ein Land ist, in dem wir leben. Es ist ein Land, in dem Menschen ihre Sorgen äußern. Sorge um den Arbeitsplatz, Sorge um die Zukunft der eigenen Kinder, auch Sorge vor Kriminalität. Ein Land, in dem aber auch die Grenzen zwischen berechtigten Sorgen, irrationalen Ängsten und menschenfeindlichem Rassismus und immer weiter verschwimmen.
In dem Land, in dem wir leben, hat sich Misstrauen breit gemacht. Der Vertrauensverlust
gegenüber staatlichen Institutionen, Banken, teilweise auch Kirchen, manchen Vereinen und
Verbänden, Parteien sowieso, ist inzwischen erheblich vorangeschritten. Wir nehmen auch einen
ernsthaften Vertrauensverlust gegenüber Sicherheitsbehörden wahr.
Das Versagen bei der Aufklärung der rechtsterroristischen NSU-Mordserie hat dazu beigetragen.
Manchmal kommt die Polizei zu spät, manche Straftat wird nicht aufgeklärt. Manchmal gerät
unsere gewohnte Ordnung durcheinander, manche stellen sogar die Handlungsfähigkeit des
Staates in Frage. Sorgen und Misstrauen werden von einigen ausgenutzt, um eine gefährliche
Spirale weiter zu drehen.
Es ist ein Land, in dem Führungskräfte rechtspopulistischer bzw. rechtsextremistischer Parteien
an den Grenzen auf Flüchtlingsfamilien schießen lassen wollen. Ein Land, in dem dieselbe Partei
nicht geächtet wird, sondern teilweise zweistellige Umfragewerte erreicht und womöglich in
mehrere Parlamente einzieht.
Es ist ein Land – das Land der Dichter und Denker –, dessen Sprache zunehmend verroht.
Anonym oder auch mit Klarnamen werden Politiker, Polizisten, Journalistinnen, Ehrenamtliche
und andere in sozialen Netzwerken in Misskredit gebracht, verleumdet und bedroht. Ein Land, in
dem üble Pöbeleien und Hetze konstruktive Kritik und eine lebendige Streitkultur in der Sache
zunehmend in den Hintergrund drängen. Es gibt Galgen auf Demonstrationen und die Forderung
nach der Todesstrafe für angebliche „Volksverräter“. Die so bezeichneten demokratischen
Politiker lassen sich oftmals nichts anderes „zu Schulden kommen“, als dass sie Rassismus
auch als solchen benennen.
Ein Land, in dem die Unabhängigkeit der Berichterstattung offen bestritten, die Medien als
„Lügenpresse“ diffamiert und Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit behindert, bedroht
und sogar gewaltsam angegriffen werden. Es ist ein Land, in dem die Hetzer politische
Mitverantwortung für zunehmende Gewalt tragen. Das Land, in dem wir leben, ist ein Land, in
dem Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund zunehmen, bis zu 20.000 allein 2015 – darunter
921 Gewalttaten. Es ist ein Land, in dem zwei- bis dreimal pro Woche Brandsätze in
Wohngebäude geworfen werden. Die Täter nehmen in Kauf, Familien zu töten. Sie
beabsichtigen es sogar.
Ist das noch unser Land? Was ist unser Land?
Das Land, in dem wir leben, ist ein reiches Land. Die Wirtschaft wächst, die Zahl der
Erwerbstätigen ist hoch, die der Arbeitslosen niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Das Land, in
dem wir leben, ist ein Land, das jungen Menschen Perspektiven gibt. Ein Land, in dem sie
frühzeitig Förderung erfahren, gute Bildungswege durchlaufen, die ihnen später berufliche
Sicherheit geben, in der sie ihre Familien gründen können. Ein Land, in dem sie in Frieden und
Freiheit leben können. Von so einem Land hätten unsere Großeltern nur träumen können.
Ein Land, in dem sich nach den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit eine demokratische
Streitkultur entwickelt hat, in der meistens das Argument und nicht die Lautstärke zählt, in der es
vorgetragen wird. Es ist ein Land, das sich seiner Verantwortung auch jenseits seiner Grenzen
stellt. Dessen Außenminister weltweit Ansehen genießt und der das ihm entgegen gebrachte
Vertrauen dazu nutzt, um unermüdlich überall für Frieden und Entspannung zu arbeiten, damit
auch Menschen in anderen Teilen der Welt vielleicht einmal die Lebensqualität erleben, die bei
uns Alltag ist.
Es ist ein Land, in dem unendlich viele Menschen Schutzsuchende willkommen heißen und sie
mit Wärme und Herzlichkeit aufnehmen. Sie tun das, weil es ihr Job ist – viele tun es auch in
ihrer Freizeit. Danke dafür!
Ein Land, in dem Vielfalt als Reichtum gilt und Starke für Schwache einstehen – über Generationen hinweg, quer durch die Bevölkerung. Es ist ein Land, in dem Menschen zusammenhalten. In dem sie füreinander da und solidarisch miteinander sind.
Es ist ein Land, das nicht – wie im letzten Jahrhundert – Kriege anzettelt und aus dem Menschen
flüchten müssen, sondern ein Land der guten Nachbarschaft nach innen und außen, das heute
Zielpunkt von Hoffnungen und Träumen vieler Menschen in allen Teilen der Welt geworden ist.
Was für ein schöner Unterschied!
Das Land, in dem wir leben, hat viele Gesichter. Wir wissen, dass Freiheit und Demokratie nicht
von allein bleiben. Unserer Vergangenheit lehrt uns, dass wir ihren Feinden entschlossen
entgegen treten müssen.
Über die Flüchtlingspolitik mag man unterschiedlicher Meinung sein. Wer aber deshalb die AfD
wählt oder durch Nichtwahl solchen Parteien Einfluss auf Regierungsbildungen verschafft,
bekommt nicht nur eine andere Flüchtlingspolitik, sondern etwas ganz anderes: Heute wollen
diese Demokratiefeinde das Asylrecht „aussetzen“, morgen vielleicht die Meinungsfreiheit,
übermorgen die Menschenwürde? Selten war es so wichtig wie in dieser Zeit, dass wir wachsam sind und klar Haltung zeigen:
Für Vielfalt in unserem Land, für Engagement in und für die Demokratie,für leidenschaftliche, kontroverse Debatten im Parlament,für Toleranz und Humanität und gegen Antisemitismus und Gewalt.
Dafür möchte ich im Namen meiner Fraktion werben. Wir werden rechtem Populismus und
rechter Hetze immer entschlossen entgegentreten. Wenn die Republik nach rechts rückt, rücken
wir nicht mit. Diese 152 Jahre alte Sozialdemokratische Partei Deutschlands kennt die Feinde
der Demokratie nur zu gut. Auch Karl Otto Meyer hat das in diesem Hause immer wieder zum
Ausdruck gebracht.
Lassen wir nicht zu, dass Gewalt und Hetze ein hässliches Bild unseres Landes prägen. Wir
geben der Vernunft eine Stimme. Wir gestalten das Land, in dem wir leben. Die freiheitliche
Demokratie ist das Beste, was unserem Land jemals widerfahren ist. Ich danke Ihnen!
Hier die Rede als Video: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html