Benefizkonzert für Japan in Lübeck
Es war eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Soiree. Nach einführenden Worten Tadahiro Masujimas wurde am letzten Dienstag im gut gefüllten Großen Saal der Musikhochschule Lübeck ein Benefizkonzert für Japan geboten. Am Anfang der Veranstaltung stand die Orgelsymphonie fis-Moll op.28 von Louis Vierne (1870-1937).
Obgleich Vierne um das Jahr 1911 von menschlichen und beruflichen Schicksalsschlägen heimgesucht wurde, war auch in dieser Zeit seine Schaffenskraft ungebrochen. Die in dieser schwierigen Lebensphase entstandene 3.Symphonie zeichnet sich durch eine große stilistische und formale Geschlossenheit aus. Wenngleich die Themen der einzelnen Sätze (Allegro maestoso, Cantilene, Intermezzo, Adagio, Final) ausgesprochen individuelle Charakterzüge tragen und auf den ersten Blick voneinander unabhängig sind, erkennt man in ihren Kopfmotiven doch eine allen gemeinsame Intervallstruktur.Vierne arbeitete an der Komposition vom 18.Mai bis zum 14.September 1911. Er widmete das Werk Marcel Dupre, der Vierne im Sommer desselben Jahres in sein Haus nach Saint-Valery-en-Caux eingeladen hatte. Der junge Dupre spielte am 12.März 1912 die Uraufführung des technisch anspruchsvollen Stücks in der Pariser Salle Gaveau.
Arvid Gast spielte dabei virtuos und brillant an der Orgel.
Es folgte die Sonate für Klavier und Klarinette von Francis Poulenc (1899-1963).
Francis Poulenc gehörte zu der französischen „Groupe des six“. Sie wollten allen romantischen Geist aus ihren Werken verbannen und das rechte Gleichgewicht von Gefühl und Vernunft wiederherstellen, das den französischen Klassizismus kennzeichnet. Auf die Chromatik, das charakteristische Ausdrucksmittel der Spätromantik, sollte verzichtet werden, auch sollte man nicht Schönberg, „dem gewaltigen Musiker“, folgen, der „die Chromatik zu ihrer äußersten Konsequenz der Atonalität“ geführt habe. Es gelte dagegen, die diatonische Harmonik in ihre herrschende Stellung wieder einzusetzen. Sie bekräftige „die reine, feste Tonalität, das Grundprinzip der wahren Architektur“.
An dieses Programm hielt sich von den Komponisten der „Gruppe der Sechs“ strenggenommen nur Francis Poulenc (1899-1963), der mit seinen formklaren Kammermusiken wie z.B. der Sonate mit Klarinette (1962) die Bläserliteratur um unsentimentale, ironisch-geistreiche Stücke bereichert hat.
Taira Kaneko (Klarinette) und Yoko Yamada (Klavier) gestalteten die Sonate mit viel Verve und Esprit.
Es folgte ein intellektuelles, akrobatisches und artifizielles „Solo für Thomas“- „Essay für Violine solo“ mit Vera Schmidt (Violine) von Dieter Mack (geb.1954).
Am Ende des ersten Teils des karitativen Events standen die drei Romanzen für Oboe und Klavier op.94 von Robert Schumann (1810-1856).
Das letzte Opus der Dresdner Zeit sind die drei Romanzen op.94 für Oboe mit Begleitung des Klaviers, die im Dezember 1849 komponiert wurden. Auf die Frage seines Verlegers Simrock, ob man nicht dem Publikumsgeschmack entsprechen und auf dem Titelblatt die Oboenstimme auch ad libitum für Klarinette anzeigen könne, antwortete Schumann verärgert: „Wenn ich originaliter für Klarinette und Klavier komponiert hätte, würde wohl etwas ganz anderes geworden sein. Es tut mir sehr leid, aber ich kann nicht anders.“
Diethelm Jonas, Oboe, und Konstanze Eickhorst,Klavier, gestalteten den Klangzauber der faszinierenden Sonate ausdrucksvoll und intensiv.
Nach der Pause folgten Stücke von Toshio Hosokawa (geb.1955), Michio Miyagi (1894-1956) und Genta Horigome in der Bearbeitung von Nobuaki Nobusawa.
Der Chor der Singeleiter Lübeck unter der Leitung Darko Bunderlas präsentierte dann ein japanisches Volkslied aus Hokkaido in der Bearbeitung Osamu Shimizus und „Furusato“ von Teiichi Okano (1878-1941) in der Bearbeitung Lee aBes, wobei japanische Studierende und Mitwirkende, Tadahiro Masujima (Tenor) und Natali Shibukawa (Klavier) die japanische Wesensschau und das japanische Seelenleben subtil zum Ausdruck brachten. Außerdem bot die junge Sofia Kusanowa leidenschaftlich und hingebungsvoll „Teru no Uta“ von Aoi Teshima (geb.1987) aus dem Film „Die Chroniken von Erdsee“.
Alle Akteure wurden schließlich bei dieser beachtlichen Veranstaltung von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern mit langanhaltendem Beifall bedacht.
Lutz Gallinat