55. Nordische Filmtage Lübeck: Das Programm des Filmforum
Das Programm des Filmforums der 55. Nordischen Filmtage Lübeck spannt einen großen Bogen von der persönlichen Spurensuche in fernen Ländern, über aktuelle politische Themen bis hin zu einfühlsamen und sehr vergnüglichen Geschichten aus dem Norden. Im 26. Jahr des „Filmforums“ der 55. Nordischen Filmtage Lübeck (30.10.-03.11.13) wurden von den fürs Programm ausgewählten Filmemacherinnen und Filmemachern neben sehr heimatbezogenen Themen auch internationale Inhalte als Filmstoffe ausgesucht. Sie haben sich auf Spurensuche fernab von Norddeutschland begeben, sich in anderen Ländern und Kulturen umgesehen und daraus ist eine bunte und vielfältige Palette an Filmen entstanden. Die Mischung aus genau beobachteten individuellen Geschichten und den berührenden Schicksalen in fernen Ländern macht die besondere Vielfalt des diesjährigen Filmprogramms aus. „Die Auswahl zeigt, wie dicht die Dokumentarfilmer mit ihren Themen am Puls der Zeit sind – und wie sehr die Realität auch die Spielfilmregisseure inspiriert. Sie vermitteln Lebensgefühl, reflektieren den Alltag oder verwandeln ganz persönliche Geschichten und Faszinationen in vielseitig interessierende Beiträge“, begeistert sich Doris Bandhold, Leiterin des Filmforum.
Im Deutschland der 1960er Jahre angesiedelt ist „Banklady“, die spannende Geschichte um die erste deutsche Bankräuberin Gisela Werler, gespielt von Nadeshda Brennicke, die persönlich beim Festival in Lübeck ihren Film vorstellt. In der Abenteuer-Komödie „Sputnik“ basteln die zehnjährige Rike und ihre Freunde 1989 in der brandenburgischen Provinz an einer Erfindung. Auch Regisseur Markus Dietrich, in diesem Jahr Mitglied der Kinder- und Jugendfilm Jury, stellt seinen Film persönlich in Lübeck vor. In der Gegenwart spielt „Tore tanzt“ von Katrin Gebbe, die es mit ihrem Spielfilmdebüt als einziger deutscher Beitrag in den Wettbewerb der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele von Cannes schaffte. Sie zeigt einen jungen selbsternannten „Jesus-Krieger“, der bewusst gewaltfrei und keusch leben möchte, aber in einen Strudel aus eskalierender Gewalt gerät. In Hamburg spielt der vergnügliche Film „Einmal Hans mit scharfer Soße“ von Regisseurin Buket Alakus, u.a. prominent besetzt mit Schauspielerin Idil Üner und Max von Thun, nach dem Bestseller von Atice Akyün. Regisseurin und Hauptdarstellerin kommen zum Festival. Der Film wird bei den NFL in Zusammenarbeit mit dem Blindenverein SH und dem NDR als Hörfilmfassung gezeigt.
Erneut im Filmforum vertreten ist Florian Eichinger mit „Nordstrand“, dem zweiten Teil seiner Trilogie über familiäre Gewalt; im verlassenen Elternhaus an der Nordsee versuchen die Brüder Marten und Volker mit der Vergangenheit abzuschließen. Guerilla-Filmer Henrik Peschel („Rollo-Aller!“) inszenierte mit „Si-o-se Pol“ erstmals einen Film mit leisen Tönen und erzählt stimmungsvoll eine Geschichte über Freundschaft und Mitgefühl. Nicht fehlen darf auch die neueste Märchenverfilmung „Vom Fischer und seiner Frau“ des Flensburgers Christian Theede, der seinen Film persönlich vorstellt. Mit Fabian Busch und Katharina Schüttler in den Hauptrollen. Wenig versöhnlich geht es dagegen in „DeAD“ zu, Sven Halfars Kinodebüt, das hinter die Kulissen bürgerlicher Scheinwelten blickt.
Die fürs diesjährige Programm ausgesuchten engagierten Dokumentarfilme setzen sich z.B. mit Themen auseinander wie asylsuchende Musiker in „Can’t be silent“ von Julia Oelkers. Sie begleitet die Tournee von „Strom & Wasser feat. The Refugees“ von Heinz Ratz, der in 80 deutschen Asylbewerberheimen großartige Musiker gefunden hat und ihnen wieder eine Stimme gibt. Um Musik geht es auch in „Ciao Cello“ von Hannes Treiber, wenn junge Cellisten bei einem Wettbewerb das Publikum begeistern. Hierzu wird es nach der Vorführung des Films am 1. November einen Auftritt eines der Protagonisten geben. Mit der DDR Vergangenheit setzt sich „Fallwurf Böhme – Das wundersame Leben des Wolfgang Böhme“ auseinander. Ein hintergründiges Sportlerporträt über den einstigen Handball Nationalspieler Wolfgang Böhme, der 1980 plötzlich ausgemustert wird. Regisseur Jürgen Hobrecht („Die Lübecker Märtyrer“, 2010 bei den NFL) zeigt erneut einen ergreifenden Dokumentarfilm: „Wir haben es doch erlebt – Das Ghetto von Riga“, ist nach jahrelanger Recherchearbeit entstanden. U.a. mit finanziellen Mitteln der Possehl-Stiftung und der Gemeinnützigen Sparkassenstiftung Lübeck. Der historischen Figur Friedrich Hebbel widmet sich Martina Fluck („Theodor Storm – So komme, was da kommen mag“). Sie setzt ihm, passend zum 200. Geburtstag, in ihrem Film „Friedrich Hebbel – Traumbilder“ ein Denkmal. Ebenso bekannt ist der dänische Philosoph Kierkegaard, dem Wilfried Hauke sein Doku-Drama „Kierkegaard – Gefährliche Gedanken“ widmet. Sein Geburtstag jährt sich in diesem Jahr ebenfalls zum 200. Mal. Das Künstlerporträt „Max Beckmann – Der Maler“ inszenierte Michael Trabitzsch, der aus Neumünster stammt.
In die Ferne zieht es Regisseur Bernhard Hetzenauer, der in „Und in der Mitte der Erde war Feuer“, angetrieben von seiner eigenen Familiengeschichte, dokumentarisch eine fast 100-jährige Psychologin porträtiert, die 1939 vor den Nazis nach Ecuador floh. Ebenfalls in Ecuador spielt „Cesars Grill“ von Dario Aguirre. Die Arbeit an dem sehr persönlichen Porträt eines Vegetariers über seinen grillfleischbegeisterten Vater sorgte dafür, dass Dario Aguirre 2010 seinen damaligen Film nicht selbst in Lübeck vorstellen konnte. Im afrikanischen Togo ist Thomas Böltkens Dokumentarfim „Nana Benz“ entstanden, der die Geschichte der legendären Königinnen des westafrikanischen Stoffhandels vorstellt. Die Unternehmerinnen waren die ersten Mercedes Fahrerinnen der westafrikanischen Küste. Das Schicksal afrikanischer Flüchtlinge in einer Hamburger Kirche liegt Rasmus Gerlach im Film „Lampedusa auf St. Pauli“ am Herzen (2012 mit „Apple Stories“ vertreten). Von Italien nach Lüneburg führt die Reise von Enea und seinen Freunden in dem liebevollen und herzerfrischenden Dokumentarfilm „The Special Need“ von Carlo Zoratti, der in Locarno beim Festival stehende Ovationen erhielt. Nicht minder beeindruckend als die menschlichen Protagonisten in den genannten Filmen ist Krista, eine Holstein-Kuh, die frisch gebadet, gefönt und gestylt zur schönsten Kuh Deutschlands auserkoren wird. In Szene gesetzt von Antje Schneider und Carsten Waldbauer in ihrem Dokumentarfilm „Die schöne Krista“.
Insgesamt 15 Kurzfilme im Filmforum sind im Wettbewerb für den mit 3.000 Euro dotierten CineStar-Preis 2013 vertreten. Die diesjährige Jury, bestehend aus Sylke Gottlebe (Mitglied im Aufsichtsrat von „German Films“ und langjährige Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Kurzfilm), Hartmut Lange (Schauspieler, Lübeck) und Söhnke Boye (Freundeskreis NFL) vergeben den Preis am 2. November bei der Filmpreisnacht. In „Stürzende Tauben“ ist eine junge Lübeckerin in einer der Hauptrollen zu sehen und die ebenfalls aus der Hansestadt stammende Britt Dunse hat mit „Rotkäppchen, Dackel und der Wolf“ eine wunderbare Version des altbekannten Märchens für Gehörlose und Hörende geschaffen. Auch Regisseur Florian Sailer stammt aus Lübeck und stellt beim Festival „Comeback to Go“ vor.
Weitere Preview-Highlights in Lübeck bei den Filmtagen als Hörfilmfassungen sind zum einen der neueste „Tatortreiniger – Angehörige“, der neben Bjarne „Schotty“ Mädel einen herausragenden Florian Lukas in der Rolle Fanny Fee zeigt. Ebenso wie der „Polizeiruf 110: Liebeswahn“ mit Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau als bewährtes Ermittlerpaar. Diese Filme sind ebenfalls in Kooperation mit dem Blindenverein Schleswig-Holstein und dem NDR entstanden.
Informationen zum Gesamtprogramm der Filmtage und den Vorführzeiten gibt es ab 19. Oktober 2013 auf der Festival Homepage: www.filmtage.luebeck.de