ARGE-Umbau positiv gestalten – Hiller-Ohm wirbt für das „Kooperative Jobcenter“

Die Diskussionen um den Umbau der ARGEn nach dem Verfassungsgerichtsurteil nehmen auch in Lübeck an Fahrt auf. Die Lübecker Bürgerschaft fordert in einem einstimmig gefassten Beschluss auch künftig „Hilfe aus einer Hand für Langzeitarbeitslose“ und Lübecks Wirtschaftssenator Halbedel hat seine Skepsis gegenüber den Vorschlägen des Bundesministeriums für Arbeit bekundet. In Berlin stellen sich diese Woche ebenfalls Befürworter und Gegner eines „Kooperativen Jobcenters“ den Fragen der Bundestagsabgeordneten.Gabriele Hiller-Ohm, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales: „Ich unterstütze in der Debatte die grundsätzliche Orientierung an dem von Bundesminister Scholz vorgeschlagenen „Kooperativen Jobcenter“. Es ist das realistischste Nachfolgemodell für die ARGEn. Zugleich muss dieses Modell noch stärker konkretisiert werden und insbesondere für die kommunale Seite deutlichere Handlungsspielräume eröffnen!“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Dezember 2007 beinhaltet zwei Kernaussagen:
1. Eine möglichst enge Zusammenarbeit der Träger des Arbeitslosengeldes II (Bund) und der Kosten der Unterkunft (Kommunen) im Sinne einer „Leistung aus einer Hand“ ist wünschenswert.
2. Die bisherige Form der Kooperation, wie sie in den ARGEn vorgenommen wird, ist auf Grund der Verfassungslage nicht gesetzeskonform. Auf dieses Urteil muss die Politik nun bis Ende 2010 eine Antwort geben.
Auch nach Einschätzung der Lübecker Bürgerschaft haben sich die ARGEn bewährt. Das „Kooperative Jobcenter“ hält an den Prinzipien der ARGEn im Grundsatz fest. Eine
Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit – wie sie jetzt zum Beispiel auch von den Grünen in Schleswig-Holstein gefordert wird – wäre ein Rückschritt, weil sie die gerade vom Bund übernommene Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen wieder zurücknehmen würde. Wir brauchen diese gesamtstaatliche Verantwortung!
An erster Stelle muss das Wohl der von Arbeitslosigkeit Betroffenen stehen. Dabei dürfen die Fortschritte, die bei der Vermittlung Langzeitarbeitsloser durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gemacht wurden, nicht zerstört werden. Die ARGEn leisten hier zunehmend gute Arbeit. Die Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit garantiert bundeseinheitliche Standards und Vermittlungsmöglichkeiten auch in den überregionalen Arbeitsmarkt. Eine Kommunalisierung der Arbeitsvermittlung Langzeitarbeitsloser wäre hingegen ein Rückfall in die Zeiten der Sozialhilfe. Es hing damals vom Engagement der einzelnen Kommunen ab, welche Chancen Langzeitarbeitslosen eröffnet wurden. Heute haben alle
Langzeitarbeitslosen Zugang zu den Arbeitsförderungsinstrumenten. Allein in den letzten zwei
Jahren wurde damit die Zahl der Langzeitarbeitslosen um rund 700 000 Menschen bundesweit gesenkt! Mit dem „Kooperativen Jobcenter“ soll diese erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik fortgesetzt werden.
Der zweite wichtige Grund der gegen die Kommunalisierung der Arbeitsvermittlung Langzeitarbeitsloser spricht, ist die politische Realität. Wohl keine Bundesregierung würde den
Kommunen die Verantwortung für die Arbeitsvermittlung übergeben, die Leistungen aber bedingungslos weiter bezahlen. Dies ist auch verfassungsrechtlich gar nicht möglich, denn eine Zusammenarbeit von Bund und Kommune hat das Verfassungsgericht ja gerade ausgeschlossen.
Das bedeutet: Das verfassungsrechtliche Verbot der Zusammenarbeit von Bund und Kommune, das gerade erst vor zwei Jahren auf Druck der Länder beschlossen wurde, müsste wieder rückgängig gemacht werden. Abgesehen davon, dass es dafür derzeit keine politischen Mehrheiten in Bund und Ländern gibt, wäre die Folge auch ein gravierendes finanzielles Problem für die Kommunen: Der Bund würde sich nicht nur zunehmend aus der Finanzierung der Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit zurückziehen, Länder und Kommunen würden auf den Mehrkosten sitzen bleiben.
Ungeklärt ist auch, was mit den Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit geschehen soll, die zurzeit gemeinsam mit den Angestellten der Kommunen in den ARGEn arbeiten. Wären die Kommunen bereit, diese bundesweit rund 40.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu übernehmen?
Insofern spricht viel dafür, nach einem Modell zu suchen, das eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Agentur für Arbeit und Kommunen sichert. Eine Legalisierung der ARGEn
durch eine erneute Grundgesetzänderung, wie Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Döring fordert, wäre sicherlich wünschenswert. Eine verfassungsändernde Mehrheit ist dafür im Moment aber ebenfalls unrealistisch.
Es bleibt das „Kooperative Jobcenter“, das aber auch noch deutlichen Spielraum für Verbesserungen lässt: Es muss möglichst nah an die Forderung nach einer „Leistung aus einer Hand“ kommen und es muss noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Einflussmöglichkeiten für die Kommunen beinhalten.
Um den Einfluss der Kommunen zu stärken, sollte zum einen ein verpflichtender Beirat eingeführt werden, in dem alle regionalen Arbeitsmarktakteure eingebunden werden. Darüber hinaus müssen die Entscheidungen des vorgesehenen „Kooperationsausschusses“ verbindlich sein und dürfen nicht einseitig durch die Agentur für Arbeit verändert werden. Drittens sollte die Agentur den Kommunen deutlich mehr „Freie Förderung“ zugestehen, das heißt: Die Kommunen können eigene, auf den regionalen Arbeitsmarkt zugeschnittene Instrumente einsetzen. Nicht zuletzt muss
auch eine von mir seit Jahren vorgebrachte Forderung umgesetzt werden. Um die individuellen Hilfsmöglichkeiten „vor Ort“ zu verbessern, muss es eine „Öffnungsklausel“ geben, die es den Jobcenter-Mitarbeitern ermöglicht, im Härtefall auch über die Grundleistung (347 Euro plus Kosten
der Unterkunft) hinaus Beihilfen zahlen zu können. Auch dies würde den kommunalen Spielraum deutlich erweitern.
Werden diese – und noch einige andere – Bedingungen erfüllt, kann das „Kooperative Jobcenter“ ein geeignetes Nachfolgemodell für die ARGE auch in Lübeck werden!“









