Glaubhaft

Bangladesch: Politische Krise begünstigt Verfolgung von Christen

Extremisten greifen vielerorts Minderheiten an – Christen vom Ausmaß des Hasses überrascht. (Open Doors, Kelkheim) – Der fluchtartige Rücktritt der langjährigen Premierministerin Scheich Hasina Wazed am 5. August hat Bangladesch in eine tiefe Krise gestürzt. Die chaotische Situation haben islamistische Extremisten im ganzen Land genutzt, um Angehörige von Minderheiten anzugreifen. Wie Partner von Open Doors berichten, sind Christen hiervon am stärksten betroffen, besonders im Nordwesten und Südwesten des Landes. Viele ihrer Häuser und Farmen wurden geplündert oder zerstört, zahlreiche Christen wurden verprügelt, mit dem Tode bedroht oder vertrieben. Die nachfolgenden Berichte geben einen beispielhaften Einblick in die Situation.

Nachdem Salma all ihren Besitz verloren hat, konnten lokale Partner sie mit Nothilfe versorgen

Salma: „Warum sollte mich jemand angreifen?“

Salma, eine 36-jährige Christin muslimischer Herkunft, lebt zusammen mit ihrer 75-jährigen Mutter und ihrer 14-jährigen Tochter im Norden von Bangladesch. In der Nacht des 5. Augusts rief Salmas Bruder sie an und riet ihr, sich in Sicherheit zu bringen; er hatte von bevorstehenden Angriffen auf Angehörige von Minderheiten gehört. Salma war hin- und hergerissen zwischen der Angst vor Verfolgung und der Angst, ihr Haus und ihren über viele Jahre mühsam erworbenen Besitz zu verlieren. „Ich habe niemandem etwas zuleide getan. Warum sollte man uns also angreifen?“ Um Mitternacht hörten die drei Frauen jedoch, wie sich eine aufgebrachte Menge dem Haus näherte, und ergriffen die Flucht. Niemand half ihnen. Aus einem Versteck in der Nähe mussten sie mitansehen, wie die Angreifer die Eingangstür aufbrachen, das Haus verwüsteten und all ihren Besitz zerstörten oder plünderten – selbst die Schulbücher ihrer Tochter.

Ranjit – die meisten kannten ihn seit seiner Kindheit

Auch Ranjit Kisku lebt im Norden des Landes und gehört einer ethnischen Minderheit an. Neben der für seinen Stamm üblichen Landwirtschaft führt der 40-jährige Christ ein kleines, erfolgreiches Unternehmen und hat es zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Er berichtet: „Kurz nach dem Rücktritt der ehemaligen Premierministerin wurde ich von einheimischen Muslimen bedroht. Aber ich habe das nicht so ernstgenommen.“ Schließlich lebt Ranjit immer noch in dem Dorf, wo er aufgewachsen ist; die meisten Dorfbewohner kennen ihn seit seiner Kindheit. „Ich habe sie nie verletzt oder beleidigt, also dachte ich, ich sei ich nicht ihr Feind.“ Doch noch am späten Abend des 5. Augusts wurde sein Haus angegriffen: „Sie brachen Türen und Fenster auf, zerstörten den Kühlschrank, den Reiskocher, Geschirr, das Waschbecken … – einfach alles!“ Auch eine größere Geldsumme, die er gerade für ein Projekt geliehen hatte, wurde geraubt. Seine Nachbarn sahen dem Treiben tatenlos zu.

„Vertreibt die Christen aus Bangladesch!“

Am 10. August arbeitete Safiq Biswas gerade auf dem Feld, als eine Gruppe ortsansässiger Muslime sein Haus angriff. Safiqs Tochter rief ihn an und warnte ihn, es seien Männer auf der Suche nach ihm und sie skandierten Slogans wie „Vertreibt die Christen aus Bangladesch!“ Sie behaupteten außerdem, Safiq sei der Anführer der Christen in dieser Gegend, und mehr noch: „Er lockt unschuldige Muslime auf den falschen Weg. Deshalb muss er dieses Dorf verlassen. Er hat kein Recht, hierzubleiben! Diese Art von Übeltäter sollte sterben!“ Angesichts solcher Drohungen kehrte Safiq erst nach einigen Tagen zurück in sein Haus und war geschockt von dem Ausmaß der Zerstörung und der Plünderungen: „Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Ich hatte Glück, dass ich zu der Zeit nicht zu Hause war. Sonst hätten sie mich vielleicht getötet!“

Lokale Partner von Open Doors nehmen derzeit überall in Bangladesch Kontakt zu Pastoren vor Ort und anderen Verantwortlichen auf, um Christen in Not ausfindig zu machen und ihnen zu helfen. Dabei haben sie mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, unter anderem mit den Ausgangsbeschränkungen im Land aufgrund der labilen Sicherheitslage. Ein Partner erklärt: „Wir arbeiten daran, die Verfolgten sofort mit Nahrungsmitteln und Notunterkünften zu versorgen, damit sie in dieser Krise überleben können.“ Open Doors bittet um Gebet für die Christen und alle Helfer.

Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 steht Bangladesch an 26. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

Quellen: Open Doors