Bischofsvertreter mahnt Respekt vor Mensch und Tier an
Kinder tobten auf Strohballen und streichelten Kälbchen oder Schweine und die Erwachsenen ließen sich bei strahlendem Sonnenschein und in entspannter Atmosphäre auf dem Festplatz bei Essen, Schnack und Aktionen treiben oder genossen das Musikprogramm mit fetzigen Schlagern oder Blasmusik im Zelt – so lässt sich das schleswig-holsteinische Landeserntedankfest in Süderbrarup zusammen fassen, zu dem ca. 2.500 Gäste gekommen waren.
Unter dem Motto „Leben braucht Wurzeln – ernten, danken, geben“ begann der Tag mit einem bunten Umzug vom Bahnhof zum Festplatz, angeführt vom Feuerwehrmusikzug, begleitet von Groß und Klein und reich an verschiedensten geschmückten Fahrzeugen – vom Bollerwagen über Traktoren bis hin zur Kutsche, die von zwei Kaltblütern gezogen wurde.
Noch vor dem Gottesdienst gab es den ersten Höhepunkt des Tages im Eingang des Festzeltes auf dem Festplatz: Von Applaus begleitet übergab die Süderbraruper Landjugend dem Minister des Landes für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Robert Habeck, dem Bischofsvertreter im Sprengel Schleswig und Holstein, Gothart Magaard und dem Pastor von Süderbrarup, Dr. Frank Schnoor nach alter Tradition die Erntekrone.
Im anschließenden Festgottesdienst, den die Kirchengemeinde Süderbrarup zusammen mit den anderen Kirchengemeinden der Region vorbereitet hatte und den ca. 800 Gäste gemeinsam feierten, dankte Bischofsvertreter Gothart Magaard in seiner Predigt den Frauen und Männern, die in der Landwirtschaft als „Erntehelfer Gottes“ tätig sind. „Die Arbeit in der Landwirtschaft ist Beruf und Berufung. Ich habe in den letzten Monaten bei Hofbesuchen immer wieder großes Verantwortungsbewusstsein gespürt und die Frage gehört, wie die Betriebe hier in unserer Region in der Spannung zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Fragen angemessen ausgerichtet auf die Zukunft hin ausgerichtet werden können.“ Diese Verantwortung angemessen wahrzunehmen, sei auch der biblische Auftrag an die Menschen: „Der sogenannte Herrschaftsauftrag an uns Menschen ‚Füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Tiere‘ bekommt nur dann seinen Sinn, wenn er zurück gebunden wird an den Auftraggeber.“ Als Botschafter Gottes sei der Mensch dazu angehalten, in seinem Namen die Erde zu hüten. Dies gelte besonders im Hinblick auf die landwirtschaftliche Nutzung von Tieren, aber auch für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen: „Faire Preise müssen weltweit bezahlt werden.“ In dem „globalen Dorf Erde“ gehörten auch „die Bäuerin aus Peru und der Aids-Waise aus Somalia“ dazu. „Sie sind“, so Magaard, „wie wir selbst, mit hinein verflochten in dieselben globalen Zusammenhänge. Und so geht es uns viel an, wenn Menschen vor unseren europäischen Küsten ertrinken, weil sie vor den Lebensumständen in ihrem eigenen Herkunftsland fliehen müssen und der einzige Ausweg ein kleines Boot im offenen Meer zu sein scheint.“
Der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Dr. Robert Habeck sagte in seinem Grußwort: „Dank zu sagen für die Ernte, heißt sich klar zu machen, dass wir trotz aller Technik angewiesen sind auf etwas, dass wir nicht beeinflussen können: auf Regen und Sonne, auf Boden, Wasser und Luft. Erntedank bedeutet Demut vor der Schöpfung zu empfinden. Und es erinnert uns an die an die Verpflichtung, die sich daraus ergibt: dass wir unsere Lebensmittel nicht auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen produzieren dürfen.“
Werner Schwarz, Präsident des Landesbauernverbandes Schleswig-Holstein, betonte in seinem Grußwort, dass der Dank für die Ernteergebnisse bis heute mehr sei als Tradition und Folklore. Angesichts fast einer Milliarde hungernder Menschen seien die Lebenswichtigkeit der Ernteergebnisse und die Herausforderungen für die weltweite Landwirtschaft nicht zu unterschätzen. „Die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt“, erklärte Schwarz, „und sie steigt schneller als das Angebot.“ Er betonte, dass die Welternährung nur bei einem möglichst geringen Ressourcenverbrauch verbessert und gesichert werden könne. Zugleich kritisierte der Präsident des Bauernverbandes die Verschwendung von Lebensmitteln. Die Hälfte dieser Verschwendung fände während der Produktion, der Nachernte und der Lagerung zumeist in Ländern statt, in denen gehungert würde. „Die andere Hälfte, das müssen wir selbstkritisch sagen“, so Schwarz, „aber bei der Weiterverarbeitung, der Auslieferung und dem Konsum.“
Ausgehend von dem Motto des Tages „Leben braucht Wurzeln – ernten, danken, geben“ erinnerte die Vizepräsidentin des LandFrauenVerbandes, Birgit Feddersen, daran, dass bereits Eltern ihren Kindern „Wurzeln und Flügel“ mit auf den Lebensweg geben. Die Ernte, die die Eltern schließlich zurückbekommen, sei die Liebe der Kinder. Der LandFrauenVerband versuche daher, Menschen genau unter diesen beiden Aspekten durch Seminare und Qualifizierungen, Aktionen und Gesundheitskampagnen zu unterstützen: „Wir möchten, dass unsere Mitglieder und ihre Familien mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen und dass sie mit Wissen ihre vorhandenen Wurzeln stärken, aber auch Flügel entwickeln können.“
Das Tagesresumée, das Propst Helgo Jacobs als einer der Verantwortlichen für das Landeserntedankfest in Süderbrarup zog, fiel rundherum positiv aus: „Die Vorbereitung war ein tolles Miteinander mit hoher Motivation aller Beteiligten – und das waren mit über 40 verschiedenen Organisationen wirklich viele“, fasste Propst Helgo Jacobs zusammen. „Dieses gute Miteinander in der Vorbereitung und die entspannte und tolle Atmosphäre heute ist ein Spiegel des sehr lebendigen und guten Gemeinschaftslebens hier vor Ort in Süderbrarup. Ich freue mich über unser Erntedank-Dorf als ein symbolisches Heilwerden der Welt – und über die Bereitschaft der Gäste hier in Süderbrarup, die Welt auch an anderen Orten heiler werden zu lassen.“ Verschiedene Standbetreiber spenden beispielsweise den Erlös ihrer Verkäufe für einen guten Zweck und mit der Kollekte von mehr als 4.300 Euro an Brot für die Welt sollen zum Beispiel Kleinbauern in 3. Welt-Ländern unterstützt werden.