BND-Funkzellendaten: Bundesregierung unterstützt gezielte Tötungen
Zur Herausgabe von Funkzellendaten durch den Bundesnachrichtendienst an die NSA und zur laufenden Sitzung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) erklärt Sebastian Harmel, Bundestagskandidat der PIRATEN aus Sachsen, nach seiner persönlichen Meinung:
»Die Frage, ob Menschen in Afghanistan auf Basis der Daten, die der BND übermittelt hat, getötet wurden oder nicht, muss gar nicht mehr im Detail beantwortet werden, um Klarheit zu erhalten. Allein dass der Bundesnachrichtendienst Funkzellendaten aus Afghanistan an die US-amerikanischen Geheimdienste übermittelt und damit deren Nutzung überhaupt erst ermöglicht, ist erschreckend. Die Bundesregierung hat sich durch die Weitergabe von Informationen der Strategischen Fernmeldeaufklärung des BND und der elektronischen Kampfführung der Bundeswehr an US-Nachrichtendienste indirekt an der Tötung von Menschen ohne Chance auf Anhörung oder Gerichtsprozess beteiligt.
Das ist insofern brisant, als schon General Klein vor zwei Jahren im Untersuchungsausschuss zum Luftangriff von Kundus über die so genannte ›Joint Priority Effects List‹, also eine gemeinsame Wirkungsvorrangliste sprach. Kein Politiker kann daher scheinheilig behaupten, davon nichts gewusst zu haben. Auf diesen Listen werden Menschen in Afghanistan auf Basis von Informationen von Spitzeln oder telefonischen Abhörmaßnahmen aufgenommen und kategorisiert. Neben Vorgangsnummer, Foto, Name und Funktion wird in einer weiteren Spalte auch ein Urteil gefällt: ›c‹ für Gefangennahme oder ›k‹ für Tötung. Deutsche Einsatzkräfte im Ausland sind dazu angehalten, lediglich ein ›c‹ zu vergeben. Doch verfügen über den Targeting-Prozess der Target Support Cell und das Fusion Center des Regional Command North natürlich auch die US-Geheimdienste und Streitkräfte über diese Informationen.
Ein ganz normaler Vorgang also? Nicht ganz, denn wenn wir es in Afghanistan so machen, was war dann mit der Operation Unified Protector in Libyen und dem Irak-Krieg? Greifen wir dadurch auch in den Bürgerkrieg in Syrien ein, wo die Flottendienstboote der deutschen Marine vor der syrischen Küste kreuzen und Informationen an den BND übermitteln? Durch den mangelnden Kontrollwillen der Regierungskoalition unter CDU/CSU und FDP beteiligen wir uns grundgesetzwidrig an Kriegen und verantworten den Tod oder die Folterung von Menschen in anderen Ländern.
Schlimmer noch: Die Regierungskoalition hat diese Entscheidungen an Parlament und Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) vorbei gefällt. Interessanterweise stellt das PKGr das Vorgehen der Regierung noch nicht einmal grundsätzlich in Frage. Doch es gibt kein Recht einer Regierung auf Geheimnisse vor ihren Bürgern. Wir brauchen eine grundsätzliche Revision der Geheimdienstarbeit und dürfen uns hier auch nicht vor der Frage der Abschaffung scheuen. Weiterhin ist eine grundsätzliche Reform des parlamentarischen Kontrollgremiums erforderlich, damit es überhaupt wieder eine parlamentarische Kontrolle gibt.«