Broschüre „Jehovas Zeugen in Lübeck und Umgebung“
Quelle zu Max Kipke: Lebensbericht von Max Kipke zitiert in der Broschüre „Jehovas Zeugen in Lübeck und Umgebung“ von Andreas Mitgutsch und Jochen Schiffer. 20.000 Telegramme und Briefe an Adolf Hitler: Jahrestag eines weltweiten Aufrufs
von Jehovas Zeugen, religiöse Unterdrückung zu beenden. Wegen ihrer friedlichen Haltung und politischen Neutralität mussten Jehovas Zeugen schon viele Anfeindungen ertragen. Besonders zur Zeit des Nationalsozialismus waren sie Verfolgung ausgesetzt. Am 7. Oktober 1934 protestierten sie daher mit rund 20.000 Telegrammen und Briefen gegen die Unterdrückung.
Kiel, 7. Oktober –Vor genau 90 Jahren bewiesen Jehovas Zeugen in Deutschland und 50 weiteren Ländern ihren außergewöhnlichen Mut, indem sie öffentlich die Behandlung durch das NS-Regime verurteilten. „Hitler-Regierung, Berlin, Deutschland. Ihre schlechte Behandlung der Zeugen Jehovas empört alle guten Menschen und entehrt Gottes Namen“, so war es in den zahlreichen Telegrammen zu lesen, die an die deutsche Regierung gesandt wurden. „Hören Sie auf, Jehovas Zeugen weiterhin zu verfolgen, sonst wird Gott Sie und Ihre nationale Partei vernichten.“
Dann unterzeichneten die Absender ihre Schriftstücke mit „JEHOVAS ZEUGEN“ und fügten den Ortssitz der Gemeinde hinzu. Auch die Ortsgemeinden in Schleswig-Holstein beteiligten sich an der Aktion. „Man muss den Mut dieser Menschen wirklich bewundern“, kommentiert Michael Tsifidaris, Regionaler Sprecher von Jehovas Zeugen, und erzählt von Max Kipke, einem Familienvater aus Lübeck: „Er hat sich nicht nur in Gemeinschaft mit anderen an der Protestaktion beteiligt, er ging sogar so weit, seinem Betriebsrat den Brief persönlich vorzulesen.“ Dieses furchtlose Handeln konfrontierte Hitler mit dieser aus seiner Sicht „lächerlichen“ Minderheit. Doch deren couragiertes Handeln war nicht das erste Aufeinandertreffen.
Ultimatum an Hitler
Bereits im Februar 1934 hatte sich Joseph F. Rutherford, ein Vertreter der Religionsgemeinschaft, an Adolf Hitler gewandt. „Falls bis zum 24. März 1934 auf dieses ernstliche Begehren keine Antwort erfolgt und von Seiten Ihrer Regierung nichts getan wird, um den oben erwähnten Zeugen Jehovas in Deutschland Erleichterung zu gewähren, dann wird Gottes Volk [die Zeugen Jehovas] in anderen Ländern […] mit der Veröffentlichung der Tatsachen über Deutschlands ungerechte Behandlung von Christen beginnen“, hatte er in einem Brief gewarnt. Doch dieses Ultimatum ließ Hitler verstreichen.
Als sich das NS-Regime am 7. Oktober 1934 mit der Flut an Telegrammen und Briefen konfrontiert sah, reagierten die Nationalsozialisten mit einer verstärkten Verhaftungswelle durch die Gestapo. Für viele Zeugen Jehovas bedeutete das grausame Verfolgung, KZ und sogar den Tod. Tsifidaris berichtet: „Bis 1935 war bereits die Hälfte der Zeugen Jehovas in Lübeck verhaftet worden, unter ihnen auch Max Kipke und seine Frau Wanda, die zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Kind erwartete. Das Hanseatische Sondergericht Hamburg verurteilte Max zu 6 Monaten Haft und unmittelbar nach seiner Entlassung musste die nun hochschwangere Wanda ihre Haft antreten. Auch nach ihrer Rückkehr ging die Verfolgung durch die Gestapo weiter und die Familie musste wiederholt nächtliche Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen.“
Am 22. Juni 2023 beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig, für die unter dem NS-Regime verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas ein Mahnmal in Berlin zu errichten. Damit soll an ihre Zivilcourage und Standhaftigkeit erinnert werden, die länderübergreifend am 7. Oktober 1934 mutig zum Ausdruck kam und
niemals vergessen werden sollte.