BUND-Flussstudie: Deutsche Flüsse schwer geschädigt. Für Hochwasserschutz und zur Sicherung der biologischen Vielfalt Umbau in naturnahen Zustand dringend erforderlich
Berlin (ots) – Neun Jahre nach der Überschwemmungskatastrophe an Elbe und Donau vom August 2002 hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Bundesregierung aufgefordert, ihre Koalitionsvereinbarung endlich umzusetzen und für einen verbesserten Hochwasser- und Naturschutz an den deutschen Flüssen zu sorgen. Der Umweltverband kommt in einer heute veröffentlichten Studie mit dem Titel „BUND-Vision für Flusslandschaften in Deutschland“ zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der Flüsse durch Landwirtschaft, Industrie und Schifffahrt ökologisch schwer geschädigt ist.
Anstatt die natürlichen Überschwemmungsflächen zu vergrößern, würden die Flüsse durch den Bau von Dämmen und Barrieren weiter eingeengt. Dies widerspreche eindeutig den Zielen der EU-Hochwasserrichtlinie. Der BUND forderte, die Flüsse zu renaturieren und wieder zu lebendigen Gewässern umzugestalten. Zunächst müsse dies an jenen Flüssen umgesetzt werden, die nur noch eine geringe Bedeutung für die Schifffahrt hätten. Hier müssten die Deiche zurückgebaut und die Auenflächen ausgeweitet werden. Außerdem müssten Wehranlagen in bestimmten Flussabschnitten entfernt und die Ufer verbreitert werden.
Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender: „Die Flüsse und Flusslandschaften zählen zu den schönsten, artenreichsten und zugleich auch sensibelsten Lebensräumen Mitteleuropas. Auen und breite Flussufer sind für die natürliche Hochwasservorsorge und für die Sicherstellung von sauberem Trinkwasser von unschätzbarem Wert. Deswegen sind saubere und frei fließende Flüsse mit lebendigen und hochdynamischen Auen überlebenswichtig. Die Bundesregierung hat angekündigt, die Flüsse in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen und den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Doch passiert ist so gut wie nichts. Im Gegenteil, der ökologische Zustand der deutschen Flüsse verschlechtert sich weiter.“
Während Flussbaumaßnahmen und der Bau von Dämmen weiter voranschritten, verharre die überwiegende Mehrzahl der nach dem Jahrtausendhochwasser von 2002 angekündigten Deichrückverlegungen in der Planungsphase. Hinzu komme, dass Wiesen und Auenflächen in den letzten Jahren verstärkt für den Anbau von Biomasse genutzt würden. Dies habe zu einem erheblichen Anstieg der Schadstoffeinträge in die Flüsse geführt. Einleitungen aus der Industrie, beispielsweise aus der Kaliindustrie, belasteten die Gewässer zusätzlich. Darüber hinaus würden aufgrund nicht angepasster landwirtschaftlicher Methoden jährlich Millionen Tonnen fruchtbaren Ackerbodens in die Gewässer geschwemmt und die Durchgängigkeit der Flüsse durch Wehre und Wasserkraftwerke vermindert. Als Ergebnis dieser Belastungen seien ein Rückgang der Brut-, Laich- und Wandermöglichkeiten für zahlreiche Tiere, die Verschlechterung der Wasserqualität und häufigere zerstörerische Überschwemmungen zu beobachten.
Sebastian Schönauer, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wasser: „Ob Hochwasserrichtlinie, Wasserrahmenrichtlinie oder Maßnahmepläne für den Flussschutz – in den letzten Jahren gab es im Gewässerbereich eine regelrechte Verordnungswut. Doch Anspruch und Wirklichkeit des Gewässerschutzes in Deutschland driften weit auseinander. Dabei würde beispielsweise durch die Reaktivierung von Auen auch die Volkswirtschaft profitieren, da die Schäden durch künftige Hochwasser deutlich reduziert würden. Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen ihre Zusagen beim Gewässerschutz jetzt einlösen. Ein erster Schritt ist, unsere Flüsse zumindest teilweise wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.“
Der Eintrag von Schadstoffen sei durch die Abkehr von der Intensivlandwirtschaft und den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft zu verringern. Dringend erforderlich sei ein Verbot des Baus von neuen Infrastruktur- und Industrieanlagen in potentiellen Überflutungsgebieten. Neue Wasserkraftanlagen an den Flüssen dürften ebenfalls nicht mehr genehmigt werden. Zur Renaturierung würden sich insbesondere jene Flussabschnitte eignen, die im Rahmen der laufenden Schifffahrts-Verwaltungsreform als „Restwasserstraßen“ eingestuft worden seien. Dort müssten vorrangig verbaute Uferstreifen und Dämme zurückgebaut sowie neue Auen angelegt werden.
Winfried Lücking, Leiter der Gewässerpolitik beim BUND: „Die derzeit stattfindende Erstellung einer neuen Netzstruktur für die Bundeswasserstraßen muss genutzt werden, um den ökologischen Umbau der Flüsse voran zu bringen. Dazu ist eine Überprüfung der wasserbaulichen Vorhaben für die Güterschifffahrt und deren Ausrichtung an den ökologischen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie erforderlich. Die Restwasserstraßen sollten als Wassertourismusnetz weitgehend naturnah gestaltet werden.“
Die Studie „BUND-Vision für Flusslandschaften in Deutschland“ steht als pdf zum Download in Kurz- und Langfassung bereit unter: http://www.bund.net/lebendige_fluesse