Daniel Günther: Angemessene Ausstattung der Polizei macht Bürgerwehren überflüssig!
Es gibt viele Menschen in Schleswig-Holstein, die sich in unserem Land nicht mehr ausreichend geschützt fühlen. Das ist eine Tatsache, die sich nicht vom Tisch wischen lässt. In manchen Stadtteilen unseres Landes trauen sich Bürger nachts nicht mehr auf die Straße, weil sie sich dort bedroht fühlen.In Geschendorf und Umgebung sind die Anwohner in Sorge, dass Einbrecher sie jetzt vermehrt heimsuchen werden. Die Polizeistation ist 13 Kilometer weit weg, nachdem die Landesregierung die örtliche Polizeistation zusammengelegt hat. Am Kieler Ostufer sind die Menschen in heller Aufregung, weil seit Monaten ein Feuerteufel sein Unwesen treibt. Keiner weiß, welcher Keller oder Dachstuhl als nächstes brennt. Die Sorge, Opfer zu werden, treibt Bürgerinnen und Bürger zunehmend dazu, das Handeln selbst in die Hand zu nehmen.
7.529 Haus- und Wohnungseinbrüche hat es allein im vergangenen Jahr gegeben. Ein Drittel davon passierte am hellichten Tag. Wer einmal Opfer geworden ist, der weiß, wie einschneidend ein Einbruch für einen Menschen ist. Ein Einbruch ist immer auch ein Eindringen in die intimste Privatsphäre eines Menschen. Wenn Fremde in den intimsten Dingen herumgewühlt haben, wenn Schubladen herausgerissen und die Wohnung oder das Haus von Einbrechern auf den Kopf gestellt wurde. Wenn der Familienschmuck, an dem viele unbezahlbare Erinnerungen hängen, plötzlich weg ist. Dann bricht für diese Menschen eine Welt zusammen. Viele sind dadurch traumatisiert. Eine Tatsache, die vielfach unterschätzt wird.
Darum muss bei Wohnungseinbrüchen die Möglichkeit der Einstufung als „minder schwerer Fall“ gestrichen werden. Wer einen Einbruch begeht, der muss auch angemessen für seine Tat bestraft werden. Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung auf, sich der Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern anzuschließen. Ermittler müssen die Möglichkeit haben, bei Wohnungseinbruchsdiebstählen das Instrument der Telekommunikationsüberwachung auch zu nutzen. Das ist aber bislang bei Wohnungseinbrüchen nicht möglich. Obwohl es sich de facto um schwere Straftaten handelt.
Wer sich die Kriminalitätsstatistik anschaut, stellt schnell fest: Nur ein Bruchteil aller Wohnungseinbrüche wird überhaupt aufgeklärt. 12,6 Prozent im Jahr 2014, also nur jeder achte Einbruch. Das bedeutet ganz konkret: Im vergangenen Jahr konnten die Täter in 6.761 Fällen nicht ermittelt werden. Dass die Einbruchszahlen – dank des verstärkten Fokus‘ der Polizei – konstant geblieben sind, ist sicher ein Erfolg. Aber es ist kein Erfolg, auf dem sich die Politik ausruhen kann. Schleswig-Holstein liegt bei den Aufklärungsquoten weiter deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Die Telefonkommunikationsüberwachung kann dabei helfen, die Verfolgungsmöglichkeiten von Einbruchsdiebstählen und damit auch die Aufklärungsquote zu verbessern.
Das große Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung führt dazu, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Schicksal verstärkt selbst in die Hand nehmen und in ihrer Nachbarschaft auf Streife gehen. Solche Bürgerwehren, wie sie sich aktuell vor allem im südlichen Schleswig-Holstein gründen, sind eine Antwort der Bürgerinnen und Bürger auf die falsche Prioritätensetzung der Landesregierung.
Wenn in einem kleinen Dorf innerhalb weniger Woche drei Einbrüche passieren, dann kann ich die Angst der Einwohner sehr gut nachempfinden. Und ich kann ihre Motivation, selbst auf Streife zu gehen, durchaus nachvollziehen.
Nur: Solche Bürgerwehren ersetzen nun einmal keine Polizei. Sie sind nicht dafür ausgebildet, auf Verbrecherjagd zu gehen. Das ist und bleibt die Aufgabe des Staates. Und nicht die des Bürgers, der sich damit im Übrigen selbst in Gefahr begibt. Was ist, wenn der Täter plötzlich eine Schusswaffe zieht?
Wenn die Polizeiexpertin der SPD, Frau Lange, Bürgerwehren „unkritisch“ sieht, dann ist dies schon eine sehr gewagte Aussage. Der ich an dieser Stelle entschieden widerspreche!
Jede Bürgerwehr, die sich gründet, ist eine zu viel.
Wenn Menschen in Schleswig-Holstein das Gefühl haben, der Staat könne seine Sicherheit nicht mehr gewähren, dann läuft etwas gewaltig schief!
Schließlich setzt die Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols auch das Vertrauen in den effektiven Schutz durch den Staat voraus. Wenn der Staat seine Kernaufgabe nicht mehr ausreichend ausübt oder den Eindruck vermittelt, er könne diese Aufgabe nicht erfüllen, dann wird das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt. Darum sind die rot-grün-blauen Kürzungen bei der Landespolizei auch in keinster Weise nachvollziehbar. Wer für weniger Polizei sorgt, der darf sich nicht darüber wundern, wenn sich Verunsicherung breit macht und das Vertrauen in den Staat leidet.
Das versteht doch wahrlich kein Schleswig-Holsteiner: Für unnötige Kleinstoberstufen an Gemeinschaftsschulen, dafür haben Sie Geld. Für eine Reform der Lehrerausbildung, die zusätzliche Doppelstrukturen schafft, haben Sie Geld. Aber um notwendige Strukturen bei der Polizei zu erhalten, dafür haben Sie am Ende kein Geld. Um Ihre Wünsch-Dir-Was-Politik zu bezahlen, sparen Sie an der Sicherheit der Menschen. Das passt nicht zusammen!
Ich freue mich, dass zumindest die Bundes-Grünen die Problematik endlich erkannt haben und mehr Polizisten fordern. Es ist schon ein interessantes Phänomen von SPD und Grünen: Die beiden schleswig-holsteinischen Landesverbände hinken in ihren Positionen ihren Bundesparteien hinterher.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass SPD-Parteichef Gabriel öffentlich für die Vorratsdatenspeicherung wirbt, während Herr Dolgner uns noch vor ein paar Tagen weismachen wollte, wir seien nicht auf der Höhe der Zeit.
Die fortschreitende Zusammenlegung und Zentralisierung von Polizei und der damit verbundene Rückzug aus der Fläche verschärfen das Problem zusätzlich. Für jeden Bürger ist es doch wichtig, dass er Polizeikräfte sieht und als Ansprechpartner wahrnimmt!
Schon heute hinkt Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich bei der Polizeipräsenz hinterher.
Während hierzulande für 364 Einwohner ein Polizist zuständig ist, sieht das Verhältnis bei all unseren Nachbarn weitaus besser aus. Es ist eine traurige Realität. Nur in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sieht es genauso düster aus.
Und in beiden Ländern wird bei der Polizei auf- und nicht abgebaut.
Wir fordern die Landesregierung darum auf, sich verstärkt mit dem Phänomen der Bürgerwehren und ähnlicher Initiativen zu befassen und sich wissenschaftliche Expertise hinzuziehen. Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Welche Folgen hat sie?
Die Landesregierung muss endlich die zunehmende Unsicherheit der Bevölkerung ernst nehmen und umgehend ihre Struktur- und Personalentscheidungen überprüfen. Sie muss endlich den geplanten Stellenabbau bei der Landespolizei stoppen und dafür sorgen, dass Polizeidienststellen erhalten und nicht geschlossen werden!
Nur eine angemessene Ausstattung der Polizei macht Bürgerwehren und Co. überflüssig!