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Politik & Wirtschaft

Erfolgreiche Energiewende – nur mit dem echten Norden

Zur aktuellen Debatte um das EEG erklärt der energiepolitische Sprecher Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Detlef Matthiessen:

Die entscheidenden Gesichtspunkte in der aktuellen EEG-Debatte sind die Folgenden:

  1. Mengenbegrenzung der Onshore-Windenergie (2500 MW „Bundesdeckel“; in SH z.Zt. bereits 1400 MW genehmigt)
  2. Vergütungshöhe
  3. Direktvermarktungselemente
  4. Übergangsregelungen / Vertrauensschutz
  5. Regelungen des Offshore-Windmarktes.

Das sind für die Unternehmen der Erneuerbaren in SH entscheidende Fragen.
Weitere wichtige Punkte für uns im Norden sind:

  1. Reichweite der Vergütung in windschwächeren Gebieten, die 60-Prozent-Regel
  2. Berechnung der EEG-Umlage
  3. Befreiungstatbestände EEG-Umlage und Netznutzungsentgelte.

Dann interessieren außerhalb des EEG auch Fragen wie:

  1. Kapazitätsmärkte, intelligente Netze, das sogenannte Strommarktdesign, für das sich sicherlich ein schöneres Wort finden ließe und wo bei den Stichworten Standardlastprofil, Bilanzkreis, Ex-ante-Ausgleich, Managementprämie etc.

10. Und, die Frage muss erlaubt sein, ob der hochregulierte und in allen Sektoren subventionierte Stromsektor für sich das Wort „Markt“ für sich beanspruchen darf, wo doch der schwankende Preis mit all seinen Kurven den Endkunden nicht erreicht. Der Kunde, die „demand-side“ spielt nicht mit am Markt. Hinterm Zähler ist die Preiskurve plötzlich nur noch eine waagrechte Linie. Das ist kein Markt, sondern eine von Großkonzernen geprägte Planwirtschaft.

2013 sank der Stromverbrauch in Deutschland von 606,7 auf 596 Terawattstunden, also um mehr als 10,7 TWh oder 1,8 Prozent. Erfreulich, dass in Deutschland Energiesparen also Wirklichkeit zu werden verspricht.

Absolut unerfreulich hingegen: Die Kohleverstromung stieg erheblich. Das ist ein Skandal. Der Ausstieg aus dem Atomprogramm darf nicht auf Kosten des Klimaschutzes gehen. Wir müssen, wollen, können und werden den Strommarkt auf 100 Prozent erneuerbare Füße stellen. Nicht nur Schleswig-Holstein kann Exporteur von EE-Strom werden, auch Deutschland als Ganzes kann und wird in Zukunft weiterhin eine positive Bilanz erreichen. Die Sonne schickt uns keine Rechnung. Wir haben unendlich Energie. Lügen pflastern den langen Weg des Atomausstiegs und der Energiewende:

–            „Die Lichter gehen aus“ – so hieß es – wenn wir nicht in das Atomprogramm einsteigen.

–            Mehr als 1 Prozent Regenerativstrom – so hieß es – könne das Stromnetz nicht verkraften.

–            Die Verlängerung der Atomlaufzeiten sei eine Energierevolution – so hieß es noch in der letzten Legislaturperiode.

Wenige Beispiele von vielen. Hier und heute heißt es:

Wir brauchen eine Strompreisbremse und könnten uns so viel erneuerbare Energien nicht leisten. Maßstab ist dabei die sog. EEG-Umlage, die als Differenz der gesetzlichen Vergütung für erneuerbare Energie gegenüber dem jeweiligen Preis, der sich an der Strombörse gebildet hat, gerechnet wird.

Diese Berechnung stimmt hinten und vorne nicht und ist absolut nicht geeignet, die Kosten der Energiewende abzubilden. Warum? Dafür gibt es im Wesentlichen vier Gründe:

  1. Der weitaus größte Block der EEG-Umlage sind Vergangenheitskosten.
    Hierbei spielt insbesondere der intensive Zubau im PV-Bereich bei relativ hohem Preisniveau die Hauptrolle. Heute gehört Solarstrom als die Quelle mit den weitaus höchsten Preisdegressionen zu den Preisdämpfern.
  2. Der Anteil der Windenergie hingegen ist nur minimal in der EEG-Umlage enthalten. Kein Grund gerade den Billigmacher der Energiewende aus Kostengründen zu deckeln.
  3. Insbesondere große Energieverbraucher sind massenhaft von der EEG-Umlage befreit, was in demselben Maße die nichtbefreiten Kunden im Strommarkt belastet. Die EEG-Umlage wäre also bei Gleichverteilung viel kleiner.
  4. Hier wird’s etwas kompliziert: Die Art der Berechnung – Differenz Vergütung EEG gegenüber Börsenpreis – führt zu einem Paradoxon. Der sog. Merit-Order-Effekt beschreibt, dass Erneuerbare wegen ihrer sehr geringen variablen Kosten den Börsenpreis senken. Das heißt, je mehr Erneuerbare Energie erzeugt wird, desto stärker sinkt der Preis, desto größer wird die Differenz und damit die EEG-Umlage, mit der der Endkunde belastet wird. Für den Industriestrompreis in Deutschland gilt hingegen: Nie war er so billig wie heute.

Über Offshore-Windstrom hingegen wird kaum diskutiert. Er ist mit Abstand die teuerste Tasse Tee beim Kaffeekränzchen der Energiewende. Warum kein Aufschrei wegen der hohen Kosten? Das erklärt sich leicht durch die Beantwortung folgender Frage: Wer macht das Geschäft? Die Offshore-Projekte sind ganz überwiegend in der Hand der großen Stromkonzerne.

Wir wollen die Akteursvielfalt, die KMU-Struktur, die Bürger-Wind- und Solarparks erhalten. Es führt kein Weg zurück zu den Monopolen und riesigen, zentralen Großkraftwerken!

Der Bundeswirtschaftsminister spricht sich in seinem Papier für eine Fortsetzung der technologiespezifischen Förderung der Erneuerbaren Energien aus. Er erkennt auch, dass mittlerweile insbesondere Onshore-Wind und Photovoltaik die beiden großen Säulen der Energiewende sind. Insofern liefert sein Papier richtige Ansätze für die notwendige Diskussion eines „EEG 2.0“, wie er sich ausdrückt. Das EEG 1.0 sei das Gesetz von 2000 mit den vielen Änderungen bis 2013.

Unverständlich bleibt dabei seine Forderung einer Mengenbegrenzung im Windenergiebereich und die Übertragung des damit verbundenen, bislang nur aus der Solarstromecke bekannten Instruments des „atmenden Deckels“ auf die Windenergie. Danach wird die Vergütung bei einer Überschreitung der gesetzlich festgelegten Menge (des „Deckels“) im Folgejahr die Vergütung herabgesetzt. Das EEG 1.0 kennt solche Mengenbegrenzungen nicht, dort steht bei den Ausbauzielen das Wort „mindestens“ und drückt damit aus, dass der Gesetzgeber eine möglichst große Menge Erneuerbarer Erzeugung erreichen will (siehe auch Paragraph 1 EEG Absatz 2).

Gerade in Schleswig-Holstein ist es von herausragender Bedeutung, dass die Windenergie-Wirtschaft nicht auf ihren Projekten sitzen bleibt oder gar durch eine verminderte Vergütung bei bestehenden Pachtverträgen, zu einem bestimmten Preis bestellten Windenergieanlagen oder vergebenen Bau- und Planungsaufträgen in rote Zahlen rutscht. Eine herabgesetzte Vergütung bereits zum Jahresende 2014 festzulegen, verkennt die oft jahrelangen Vorläufe der Windkraftprojekte.

Zusammengefasst:

Das Gabriel-Papier, seine Eckpunkte zu Novellierung des EEG, bietet eine brauchbare Diskussionsgrundlage. Das Albig-Papier, die Überlegungen unseres Ministerpräsidenten, ist die richtige Antwort des Nordens, nicht nur aus Landessicht, sondern für die Energiewende insgesamt.

Bei aller Kritik an der Strompreisbremse als Kampfbegriff der Energiewendegegner streben auch wir auskömmliche Vergütungen in einem zukünftigen EEG an, die den Impuls für eine Ausbaudynamik gewährt, jedoch Überförderung vermeidet.

Dass der schleswig-holsteinische Landtag zur Windenergie an unseren Küsten und zur Wirtschaft der Erneuerbaren insgesamt steht, darüber besteht hier im Hohen Hause glücklicherweise Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg. Ich schlage vor, dass wir dieses Thema, insbesondere im zuständigen Wirtschaftsausschuss, vertieft diskutieren, vereinheitlichen und dann nach dem Motto „Getrennt marschieren, vereint zuschlagen“ in den Gremien unserer Parteien – insbesondere auf Bundesebene – für die Energiewende und unser Land Schleswig-Holstein kämpfen.

Eine Synopse der Vorschläge zur EEG-Reform von uns Grünen sowie Bundeswirtschaftsminister Gabriel finden Sie unter http://oliver-krischer.eu/fileadmin/user_upload/gruene_btf_krischer/2014/Synopse_Gruene_Eckpunkte_EEG_vs__Gabriel.pdf.