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Politik & Wirtschaft

Erneuerbare Energien und Tourismus: Gäste weniger kritisch als befürchtet

„Urlauber in Schleswig-Holstein beurteilen Windkraftanlagen, Biogasstandorte und Solarflächen zwar nicht immer als schön, aber gestört fühlen sich nur wenige“ – so lautet das Fazit der „Einflussanalyse Erneuerbare Energien und Tourismus in Schleswig-Holstein“, die unter der Federführung der IHK Schleswig-Holstein vom Bundesverband Windenergie, dem Bauernverband Schleswig-Holstein, dem Tourismusverband Schleswig-Holstein, Dithmarschen Tourismus, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Nordfriesland und der TenneT TSO GmbH gemeinsam in Auftrag gegeben worden war. Die Ergebnisse wurden heute im Rahmen einer Veranstaltung im NordseeCongressCentrum in Husum der Öffentlichkeit vorgestellt.

„Die nunmehr verlässlich ermittelte Sicht unserer Gäste bestätigt, dass wir uns nicht ausschließlich mit Konfliktlösungen zwischen den Nutzungsansprüchen von zwei Zukunftsbranchen Schleswig-Holsteins beschäftigen müssen. Das macht Mut und wir sollten uns darauf konzentrieren, Erneuerbare Energie für unsere Gäste erlebbar zu machen. Das steigert noch einmal die Akzeptanz“, so Peter Michael Stein, Hauptgeschäftsführer der IHK Schleswig-Holstein.

Mit drei verschiedenen Methoden untersuchte das beauftragte Kieler Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT), welche Anlagen Urlauber wahrnehmen, warum sie sich gestört fühlen und ob sie deshalb zukünftig wegbleiben wollen. Im Gegensatz zu der am 7. Juli 2014 zum gleichen Thema in Rostock vorgestellten Untersuchung für Mecklenburg-Vorpommern beruhen die für Schleswig-Holstein erhobenen Daten damit auf einer wesentlich umfassenderen und differenzierteren Basis. In den drei Teilstudien wurden Schleswig-Holstein-Urlauber befragt und ihre Antworten mit denen von Gästen in anderen Urlaubsländern verglichen. In einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung mit mehr als 7.500 Teilnehmern im Januar 2014 zeigte sich, dass Urlauber in Schleswig-Holstein Windkraftanlagen häufiger wahrnehmen als in anderen norddeutschen Urlaubsländern. Aber: Störungsgefühl und Meidungsabsicht sind in Schleswig-Holstein sogar geringer ausgeprägt als in anderen Ländern. So gaben 65 Prozent der Schleswig-Holstein-Urlauber an, Windkraftanlagen wahrgenommen zu haben, aber nur 6 Prozent fühlten sich gestört. Damit liegt das Störgefühl auf dem Niveau von Hochhäusern oder Autobahnen. Wegen der Windkraftanlagen, Biogasstandorte und Solarflächen nicht wiederkommen wollten zwischen 1 Prozent (an der Ostsee) und 2 Prozent (an der Nordsee). „Diese Vermeidungsrate liegt genau auf dem Niveau, das wir schon in der Gästebefragung Schleswig-Holstein im Jahr 2011 für Landschaftsbildveränderungen gemessen haben“, kommentiert Projektleiter Kai Ziesemer vom NIT. Andere Gründe wie schlechtes Wetter, ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis oder unschöne Ortsbilder führten bei deutlich mehr Gästen zu Ablehnung.

„In Schleswig-Holstein ist es offenbar bisher gelungen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien bei den Gästen positiv zu besetzen. Allerdings bedeutet dies keinen Freifahrschein für einen ungezügelten Ausbau. Alle Beteiligten sind aufgefordert, die weitere Entwicklung sensibel zu beobachten und ausgewogen zu begleiten“, so Dr. Jörn Klimant, Vorsitzender des Tourismusverbandes Schleswig-Holstein e. V.

Die tieferliegenden Zusammenhänge von Wahrnehmung und Störung untersuchten die Kieler Forscher in drei intensiven Gruppendiskussionen mit Gästen in Büsum, Schleswig und Grömitz in den Osterferien 2014. Heraus kam, dass vor allem die Einsicht in die Notwendigkeit alternativer Stromerzeugung bei Urlaubern für Akzeptanz sorgt. So bewerten die meisten Gäste zum Beispiel Windkraftanlagen nicht unbedingt als schön, aber: „Wenn wir keine Atomkraft mehr wollen und auch keine Kohlekraftwerke, dann bleiben uns ja nur Wind, Wasser und Sonne – und irgendwie muss man die Energie ja einfangen“, wie ein Gast sagte. Für einige Urlauber gehören die Windkraftanlagen inzwischen auch schon zum Landschaftsbild Schleswig-Holsteins dazu, mit durchaus positiven Imageaspekten: „Ein Windrad sagt auch immer: Hier wird sauberer Strom produziert, ohne Abgase, ohne Umweltbelastung.“

„Die Studie hat gezeigt, dass auch bei den Gästen die Symbolwirkung einer Windenergieanlage überwiegt. Wir zeigen hier in unserem Land, wie Energiewende lebt“, freut sich Nicole Knudsen, Leiterin des BWE Landesbüros, „die Studie hat zur Versachlichung der Diskussion beigetragen und deutlich gemacht, dass es keine Konflikte zwischen den beiden Kernbranchen Tourismus- und Energiewirtschaft gibt. Wir werden nun gemeinsam die Potenziale und Chancen nutzen, die sich für eine Kooperation anbieten.“

Urlauber reagieren aber durchaus sehr sensibel, wenn die Energieanlagen zu nahe am Aufenthaltsort stehen oder so groß sind, so dass sie das Landschaftsbild dominieren, oder wenn sich Monotonie im Landschaftsbild einstellt. „Die Zusammenhänge und Begründungen passen sehr gut zu Untersuchungen, die wir bereits im Jahr 2000 zu Windkraftanlagen und Tourismus durchgeführt haben“, so Ziesemer.

„Unsere Kulturlandschaft, von den Landwirten geprägt, hat beim Tourismus einen hohen Stellenwert. Das zeigen auch die neuesten Zahlen vom Statistikamt Nord. Ein einvernehmliches Nebeneinander von Gewinnung Erneuerbarer Energien und Tourismus kann der Studie entnommen werden. Der oftmals überschätzte Maisanbau, gleichgesetzt mit Monokultur, wird von den Touristen nicht als Problem bzw. Beeinträchtigung gesehen und wahrgenommen“, ergänzt Klaus Dahmke vom Bauernverband Schleswig-Holstein e. V.