Politik & Wirtschaft

Ex-Pressesprecher von Lübeck, Matthias Erz, warnt vor schleichendem Demokratieabbau

Bürgermeister-Kandidat beklagt mangelnde Transparenz im Lübecker Rathaus und warnt vor einem schleichendem und nachhaltigen Demokratieabbau. Matthias Erz, Kandidat für die Lübecker Bürgermeisterwahlen am 6. und 20. November 2011, hat vor einem schleichenden Demokratieabbau im Lübecker Rathaus gewarnt und beklagt mangelnde Transparenz auf allen Ebenen der Entscheidungs- und Willensfindung im Rathaus der Hansestadt. „Wer die Probleme dieser Stadt in den Griff bekommen will, muss die Bürger jedoch stärker einbeziehen und alle Phasen der Willens- und Entscheidungsbildung durchsichtig und nachvollziehbar machen“, sagt Erz. Davon sei die jetzige Rathausspitze weiter entfernt denn je.

In den vergangenen zehn Jahren sei die Information der Bürgerinnen und Bürger durch die Akteure im Rathaus immer schlechter geworden, sagt der frühere Senatpressesprecher und Presseamtsleiter der Hansestadt Lübeck. Erz,59, tritt für die Wählerinitiative Lübecker BUNT gegen den Amtsinhaber Bernd Saxe an.

So sei die Rathauszeitung unter Saxe massiv unter Einspardruck gesetzt worden und sämtliche Redaktionsstellen in der Verwaltung gestrichen worden. Die fachliche und sachliche Information der gewählten Bürgerschaftmitglieder durch den Verwaltungschef reduziere sich zudem auf ein Mindestmaß und sei oft „weder klar noch wahr“, so Erz. So werde von Verwaltungsmitarbeitern sogar erwartet, Unterlagen und Fakten in den Verwaltungsvorlagen zu manipulieren, um die Bürgerschaft zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten im Sinne Saxes oder seiner Partei zu bewegen.

„Diese bestürzenden Vorgänge, die ich zehn Jahre lange aus nächster Nähe, hautnah und ständig miterlebt habe, zeigen, dass Herr Saxe keine Achtung vor dem Wähler und der von ihm gewählten Gemeindevertretung hat und sich selbst lieber als eine Art gesalbter kleiner König im Rathaus inszeniert“, so Saxes ehemaliger Sprecher. Man müsse sich sogar die Frage stellen, ob dieser Mann überhaupt die charakterliche Reife besitze, ein derart wichtiges Amt in der Hansestadt zu begleiden.

„Passend dazu herrscht in den entscheidenden Gremien der Bürgerschaft und den einflussreichen Besprechungsrunden der Verwaltung ein Klima der Geheimbündelei und Kungelei“, sagt Erz und nimmt Bezug auf das eigene Erleben während seiner fast 15 Jahre dauernden Tätigkeit für Senat und Bürgermeister. „Transparenz und Demokratie sind lediglich wohllfeile Worte, die einigen Akteuren gerne und vielfach über die Lippen kommen“, sagt Erz.

Seiner Beobachtung nach würden die „Grundlagen unserer Demokratie“ jedoch ständig mit Füßen getreten, wie auch die jüngste Entwicklung im Hauptausschuss beweise. Dort plane der Vorsitzende (SPD) eine Abschaffung von spontanen Anfragen von Ausschussmitgliedern – getarnt unter dem Vorwand höherer Ausschusseffizienz. „Wenn dies durchgeht und die Bürger dadurch weiter aus dem Rathaus gedrängt werden, müssen wir die Kommunalaufsicht einschalten und die Rechte des Bürgers notfalls vor Gericht durchsetzen“, kündigt Erz an.

Hintergrund: Im Hauptausschuss, dem zweitwichtigstes Organ der Hansestadt, das alle Entscheidungen der Bürgerschaft vorbereitet und auch eigene Machtbefugnisse hat, sollen künftig keine spontanen Anfragen im öffentlichen Teil mehr zugelassen werden, jedenfalls wenn es nach dem Willen seines Vorsitzenden Henri Abler geht. „Dabei waren bislang diese Anfragen der Bürgerschaftmitglieder die einzigen Punkte, mit denen das ohnehin schon spärliche Publikum etwas anzufangen wusste,“.sagt Erz. „Sie waren sozusagen das einzig Greifbare in diesem Gremium, das sich ansonsten gern hinten Aktenbergen, Fachchinesisch und Insiderwissen versteckt und keinerlei Anstalten macht, den Bürger zu beteilgen oder sein Handeln durchsichtig, eben transparent zu machen.“

Trotz billig erschwinglicher Technik komme dort niemand auf die Idee, das „basisdemokratische“ Medium Internet zu nutzen, um beispielsweise alle Vorlagen dort leicht lesbar zu präsentieren oder gar Live-Übertragungen aus diesen Sitzungen im Internet zuzulassen. „Dass sich viele Ausschüsse, vor allem aber der wichtige Hauptausschuss am liebsten als geheime Runden verstehen und überwiegend nichtöffentlich tagen, belegt diese bittere Analyse“, sagtt Erz. Die Sitzungen dauern in der Regel ein bis zwei Stunden, zuweilen auch länger. Die Öffentlichkeit, inklusive Presse, wird jedoch nach maximal einer halben Stunde hinausgeworfen, manchmal auch schon nach zehn Minuten. „Dies hat nichts mit Transparenz zu tun und unterhöhlt unsere Demokratie“, sagt Erz.

Der Diskussionsbeitrag des Bürgermeister-Anwärters Erz unter dem Slogan „Bunte Farbenlehre“ ist im soeben im Internet auf der Seite des Lübecker BUNT (www.luebeckerbunt.de/transparnez.html ) erschienen. Er hat folgenden Wortlaut und steht unter der Überschrift

„Was hat Transparenz mit Demokratie zu tun?“

Uns Deutschen ist nach dem Sieg der Alliierten über die kollektive deutsche Nazi-Raserei im Jahre 1945 die Demokratie zurückgeschenkt worden. Diese Gesellschaftsverfassung der Volksherrschaft wurde bekanntlich in Griechenland vor über 2500 Jahren erdacht und erstmals erprobt. Sie gilt bis heute als die bestmögliche Lebensform und ist wesentlich auch von deutschen Denkern, Aktivisten, Widerständlern und Querdenkern zu dem geformt worden, was sie heute zum weltweiten Erfolgsmodell macht.

Zur Demokratie, für die derzeit tausende von Menschen – so in den kriselnden arabischen Ländern – täglich unter Einsatz ihres Lebens kämpfen, gehört als wesentliches Element die aktive Teilnahme an den staatlichen Entscheidungen und der beständigen, engagierten demokratischen Willensbildung. Damit dies möglich ist, müssen alle gewählten Vertreter des Volkes sich stets bewusst sein, dass sie nur stellvertretend und auf begrenzte Zeit tätig sind und nicht etwa aus eigener Machtbefugnis oder gar göttlicher Erwähltheit.

Der Souverän ist das Volk, das stets darüber informiert sein muss, was seine Vertreter in seinem Namen beschließen und durchsetzen. Transparenz des Handelns und ein immerwährender gegenseitiger Informationsfluss sind die Grundsäulen der Demokratie.

Dies vorausschickend beklagen wir seit langem, dass die Demokratie im Lübecker Rathaus und in allen Gremien der Bürgerschaft entgegen aller Lippenbekenntnisse von vielen Mandats- und Funktionsträgern schnöde, manchmal auch nur unbedacht, missachtet wird.

Jüngstes Beispiel: Im Hauptausschuss, dem zweitwichtigstes Organ der Hansestadt, das alle Entscheidungen der Bürgerschaft vorbereitet und auch eigene Machtbefugnisse hat, sollen künftig keine spontanen Anfragen im öffentlichen Teil mehr zugelassen werden, jedenfalls wenn es nach dem Willen seines Vorsitzenden (SPD) geht. Dabei waren bislang diese Anfragen der Bürgerschaftmitglieder die einzigen Punkte, mit denen das ohnehin schon spärliche Publikum etwas anzufangen wusste. Sie waren sozusagen das einzig Greifbare in diesem Gremium, das sich ansonsten gern hinten Aktenbergen, Fachchinesisch und Insiderwissen versteckt und keinerlei Anstalten macht, den Bürger zu beteilgen oder sein Handeln durchsichtig, eben transparent zu machen.

Trotz billig erschwinglicher Technik kommt dort niemand auf die Idee, das basisdemokratische Medium Internet zu nutzen, um beispielsweise alle Vorlagen dort leicht lesbar zu präsentieren oder gar Live-Übertragungen aus diesen Sitzungen im Internet zuzulassen. Dass sich viele Ausschüsse, vor allem aber der wichtige Hauptausschuss am liebsten als geheime Runde verstehen und überwiegend nichtöffentlich tagen, belegt diese bittere Analyse. Die Sitzungen dauern in der Regel ein bis zwei Stunden, zuweilen auch länger. Die Öffentlichkeit, inklusive Presse, wird jedoch nach maximal einer halben Stunde hinausgeworfen, manchmal auch schon nach zehn Minuten. Dies hat nichts mit Transparenz zu tun und unterhöhlt die Demokratie.

Dass sich sogar die Lübecker Nachfahren von Karl Kautsky, Ferdinand Lassalle, August Bebel und Willy Brandt nicht schämen, diesen demokratiefeindlichen Bestrebungen den Weg zu ebnen, zeigt, wie nötig ein kompletter Umschwung im Rathaus ist – sowohl an der Verwaltungsspitze, wie auch in der Bürgerschaft und in den großen Parteien, die nicht verstehen, dass sie sich selbst abschaffen, wenn sie so weitermachen.

Denn eine Demokratie fällt vielleicht manchmal gleichsam vom Himmel – wie eben 1945. Doch wer sie nicht jeden Tag verteidigt, ebnet Diktatoren und Unterdrückungsregimes den Weg. „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ – dieser Aufruf von Willy Brandt nach seiner Wahl zum Bundeskanzler 1969 ist bis heute noch nicht in allen Köpfen angekommen, noch nicht einmal in allen Köpfen der Funktionsträger seiner eigene Partei in seiner geliebten Heimatstadt – der Hansestadt Lübeck.
Das muss sich ändern, und zwar schnell!
Weitere Informationen über den Lübecker BUNT: http://www.luebeckerbunt.de

Ein Gedanke zu „Ex-Pressesprecher von Lübeck, Matthias Erz, warnt vor schleichendem Demokratieabbau

  • politokologie

    Laut LN Bericht hat Erz auf der Londoner Themse das Jollensegeln gelernt. „Segeln auf der Themse ist zwar nicht ganz einfach, zum einen wegen der starken Strömung, zum anderen wegen der unsteten Windverhältnisse aufgrund der Häuser und Bäume am Ufer. Dazu kommt die psychologische Hürde, nicht mit dem Wasser in Berührung kommen zu wollen. Letzteres ist leider oft unvermeidlich. Der Vorteil solch schwieriger Bedingungen ist allerdings, dass einen dann kaum noch etwas schocken kann, und man sich fast jedes Revier zutraut.“
    Ob dieses Vertrauen in die eigene Qualifikation allerdings für die Bürgermeisterei in Lübeck und die vielen saxonischen Hinterhalte ausreicht, erscheint fragwürdig. Und das mit der Transparenz, na ja. Das Saxe-Lager hat ihn zwar damals beim Queen-Besuch mit Hilfe heute führenderLeute der Regionalpresse böse und hinterhältig verhauen, aber kann Hass Basis für gute Politik in einer durch und durch korrupten Stadtpolitik und -verwaltung sein? Erz schied in genseitigem Einvernehmen aus den Diensten der Stadt aus und kassierte dafür runde 160 Tausend €, mit denen wird nun wohl sein Wahlkampf finanziert. Dagegen ist nichts zu sagen, nur fehlt mir der Hinweis auf diese Zahlung im LN-Vorstellungsartikel. Gehört das nicht auch zur Transparenz – auch die wahre Rolle in Sachen Bunt und Dr. Stamm? Es gibt mir da zu viele Versionen – fast so, wie bei Saxes oft verlogenen Politargumentationen!

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