Facebook gefährdet die professionelle Distanz – Ärzte im Social Web zu sorglos mit Datenschutz
Arzt mit Laptop: Ärzte müssen besonders auf Datenschutz achten (Foto: pixelio.de/van Melis)
Paris/Darmstadt (pte/21.12.2010/06:15) – Manche Berufsgruppen handeln sich ethische Konflikte ein, wenn sie Social Media für private Zwecke nutzen. Zu diesem Schluss kommen französische Forscher im „Journal of Medical Ethics“. Sie zeigten in einer Studie, wie sorglos Ärzte oft mit Facebook umgehen. „Ärzte werden gehäuft zum Ziel von Drohungen oder Belästigungen. Da das Internet – besonders soziale Seiten – oft private Daten preisgibt, erleichtert es auch das Stalking“, erklärt Jens Hoffmann, Leiter des Instituts für Psychologie und Bedrohungsmanagement http://www.institut-psychologie-bedrohungsmanagement.de.Angst vor Verlust des Patienten
Von den 200 befragten Spitalsärzten verfügten drei Viertel über ein Facebook-Profil, acht von zehn davon schon länger als ein Jahr. Jeder zweite glaubte, dass es die Beziehung zum Patienten belasten würde, gelangten diese auf die eigene Profilseite. Allerdings nehmen es die meisten Ärzte nicht so genau mit dem Datenschutz. 97 Prozent der Facebook-User sind durch frei zugängliche Daten wie etwa den realen Namen oder das Geburtsdatum eindeutig identifizierbar und 91 Prozent mit einem persönlichen Foto vertreten.
Nur sechs von zehn Facebook-Ärzten hatten zumindest eine ihrer Standard- Sicherheitseinstellungen verändert, wobei die erst kürzlich zu Facebook gestoßenen die sorglosesten waren. Von Freundesanfragen von Patienten berichteten nur sechs Prozent. Zwar behaupten 85 Prozent, sie würden derartige Anfragen automatisch ablehnen, vor allem zur Wahrung der professionellen Distanz oder bei Verdacht auf Interesse an einer Liebesbeziehung. Immerhin jeder siebte entscheidet jedoch von Fall zu Fall und würde Patienten als Freunde akzeptieren, um sie nicht zu enttäuschen oder gar zu verlieren.
Falsch gedeutete Zuneigung
„Die professionelle Distanz ist besonders bei Patienten und Klienten mit problematischem Charakter unverzichtbar“, so Hoffmann. Richter, Rechts- und Staatsanwälte sowie Ärzte gehören da etwa dazu. Zum Problem kommt es dann, wenn die berufstypische Zuwendung als private Zuneigung fehlgedeutet wird. „Stalking beginnt meistens mit dieser Verwechslung“, so der Experte. Manchmal ist das Motiv auch Wut. „Immer wieder führen Patienten den Verlauf ihrer Krankheit auf falsche Behandlung zurück und starten einen Rachefeldzug.“
Die Medical Defence Union http://www.the-mdu.com warnt Ärzte vor Facebook. Eine Reihe von Patienten hätte ihren Ärzten Angebote gemacht, die sich auf Profilangaben im Internet bezogen hatten (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/091202013/). Hoffmann rät nicht zum Facebook-Verzicht. „Allerdings sollten betroffene Berufsgruppen darauf achten, die Plattform zu privaten Zwecken nicht unter dem tatsächlichen Namen zu nutzen. Viele Probleme kann durch ein Pseudonym umgehen, das man seinen Bekannten mitteilt.“ Das Risiko, dadurch seinen Account zu verlieren, umgeht man damit allerdings nicht: Facebook fordert in seinen AGBs die Nennung des echten Namens.
Patient als Freund vorgeschlagen
Heftige Kritik musste Facebook schon vor Monaten durch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner einstecken. Die soziale Plattform würde nicht nur Daten registrierter Nutzer, sondern auch von Dritten speichern, um damit Gewinne zu machen. Ärzte, Psychologen und Anwälte hätten sich laut Aigner im Ministerium beschwert, dass Emails mit Facebook-Freundschaftsvorschlägen Namen von Patienten enthalten haben. Mehr Privatsphäre und Datensicherheit für Berufsgruppen, die unangenehme Entscheidungen treffen müssen, forderten zuletzt auch Soziologen (siehe: http://pressetext.com/news/101206023/).
Originalstudie unter http://jme.bmj.com/content/early/2010/11/07/jme.2010.036293?q=w_jme_ahead_tab