Flüchtlingsrat kritisiert Abschiebungshaft und warnt vor Schönfärberei
Die positive presseöffentliche Bilanz (vgl. PE des Justizministeriums SH v. 2.7.2013), die die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk nach ihrem Besuch im Abschiebungsgefängnis Rensburg am Montag gezogen hat, ist für den Flüchtlingsrat des Bundeslandes nur bedingt nachvollziehbar.„Dass Zivilhäftlinge – und um solche handelt es sich bei den in Rendsburg Inhaftierten – private Kleidung tragen und telefonieren dürfen und ihnen Raum für Sport und Gebet gegeben wird, sollte ständige Normalität sein.“ erklärt Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein. Dies im 10. Jahr des Bestehens der Rendsburger Abschiebungshaftanstalt als humanitäre Neuerung zu feiern, sei eingedenk der ansonsten von der Landesregierung vertretene Flüchtlingspolitik fragwürdig.
Mit Blick auf den Vollzug ist aus Sicht des Flüchtlingsrates darüber hinaus problematisch, dass es in Rendsburg immer wieder zu Verlegungen von Insassen in die Strafvollzugsanstalt Kiel kommt. Das auch für den Vollzug in Deutschland verbindliche in der Rückführungsrichtline festgeschriebene europäische Recht verbietet allerdings die Durchführung von Abschiebungshaft in Strafvollzugsanstalten kategorisch.
Mehr als nur zur Kenntnis zu nehmen, dass 87% der Insassen aufgrund von Haftanträgen der Bundespolizei hinter Rendsburger Gitter geraten, wäre aus Sicht des Flüchtlingsrates dringend angezeigt. Die Bundespolizei beantragt bei als vermeintlich illegal Eingereisten regelmäßig die Inhaftierung in der Abschiebungshaftanstalt. In ihren Haftanträgen fragt sie kaum nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Es trifft kranke Menschen, solche mit legalem Aufenthalt in anderen EU-Mitgliedsländern sowie den Überlebensnöten in Transitländern oder der Gewalt in ihren Herkunftsländern gerade noch Entkommene in gleicher Weise.
Wenn z.B. die beantragte Inhaftierung von Minderjährigen seitens der Bundespolizei damit begründet wird, dass dem Betroffenen in Haft ein Beratungsangebot des Flüchtlingsrates zugänglich sei, könnte dies noch mit einem Schmunzeln abgetan werden. „Zynisch wird es aber, wenn hier die Bundespolizei die Zustimmung der öffentlichen Jugendhilfe in der Begründung ihres Haftantrages heranzieht.“ mahnt Link, „Denn damit wird das Land in eine Mitverantwortung genommen, die über die reine Amtshilfe beim Vollzug weit hinaus geht.“
Dass die von der Bundespolizei erwirkten amtgerichtlichen Haftbeschlüsse hoch umstritten sind, wird in zahlreichen Fällen auch von obergerichtlichen Instanzen bestätigt. Das Landgericht Lübeck kassiert immer wieder Haftbeschlüsse wegen erwiesener Rechtswidrigkeit ein; z.B. jüngst im Fall des iranischen Flüchtlings Ehsan Abri im Beschluss des LG Lübeck, Az. 7T69/13 vom 26.6.2013 (vgl. unsere PEn vom 21. und 24.6.2013).
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt die Absicht der Landesregierung, das „wilhelminische Zuchthaus“ (Andreas Breitner) in Rendsburg zu schließen und die Abschiebungshaft abzuschaffen. Je eher das umgesetzt wird, desto besser!
gez. Martin Link
PE des Justizministeriums vom 2.7.2013: http://www.schleswig-holstein.de/MJKE/DE/Service/Presse/PI/2013/Justiz/130702mjke_AbschiebungshaftRD.html