FUL: Darum brauchen wir Wählervereinigungen: Olaf Nevermann, Vorstandsmitglied der FUL, kritisiert die Äußerungen der etablierten Parteien zu den Lübecker Wählergemeinschaften.
Olaf Nevermann: „Die sogenannten etablierten Parteien fordern die 5-Prozenthürde wieder einzuführen. Die Bürgerschaft sei unregierbar geworden. Mit sieben, acht oder mehr Fraktionen seien keine Entscheidungen herbeizuführen. Alle wollten sich nur bedienen. Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen? Alle in der Bürgerschaft vertretenen Personen sind Demokraten (anders als in der Weimarer Republik) und vernunftbegabte Menschen, wieso sollten sie keine Entscheidungen herbeiführen können. Ist es nicht so, dass jetzt das reflexhafte Ablehnen von Ideen und Anträgen der jeweils anderen politischen Richtung nicht mehr funktioniert? Ist jetzt vielleicht das Diktat der etablierten Parteien gefährdet? Es ist ja auch so einfach, wir schließen Kooperationen oder Koalitionen und peitschen durch, was immer wir wollen. Wie wäre es denn jetzt mal mit sachlicher Überzeugungsarbeit, statt ideologischem Schlagabtausch. Übrigens zur Erinnerung – im deutschen Bundestag sitzen zurzeit sechs Parteien. Mir ist von einer Unregierbarkeit Deutschlands nichts bekannt.
Haben sich unsere Parteien SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP etwa nicht an den staatlichen Kassen vergriffen? Muss an dieser Stelle etwa an die vielen Fälle der Selbstbedienung und Selbstversorgung in unseren Parlamenten erinnert werden? Was kostet denn die Demokratie in unserer Stadt? Exakt 770.000 Euro. Das sind 0,13 Prozent des gesamten Lübecker Haushaltes! Dies sollte uns die Demokratie schon wert sein. Die desolate Haushaltslage jetzt in die Diskussion einzubringen, ist dreist und unverhältnismäßig. Die Wählervereinigungen haben keine 1.300 Millionen Euro Schulden verursacht. Dies waren einzig und allein die etablierten Parteien auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene.
Und wer hat denn die Unterscheidung in große (mit viel Geld und vielen Räumen), mittlere (etwas weniger Geld und zwei Büros) und kleine Fraktionen (wenig Geld und einem Büro) in einem Lex FUL – Beschluss direkt nach unserer Gründung eingeführt. Im Grundgesetz steht von so etwas nichts! Dort steht auch nichts von Fraktionen zweiter Klasse oder minderen Rechtes, die in Ausschüssen kein Stimmrecht haben. Hier in Lübeck ist gerade bei den Etablierten ein seltsames Demokratieverständnis im Umlauf! Genau deshalb gibt es Wählervereinigungen, weil wir Bürger es satt haben, wie wir von den etablierten Parteien ruiniert und vorgeführt werden! Und zum Schluss – lassen Sie uns doch unsere Anfängerfehler machen, Sie haben sie in Ihren Anfängen auch gemacht und machen sie bis heute!“
Foto: Olaf Nevermann, Vorstandsmitglied FUL