Politik & Wirtschaft

Gabriele Meißel, Parteilose Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters: Flughafenausbau in Absurdistan

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Mit unanfechtbarem Beschluss vom 18.7.2005 hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgerichts unter dem Az. 4 MR 1/05 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband S-H) gegen den Antragsgegner (Landesverband für Straßenbau und Verkehr S-H) gegen den Planfeststellungbeschluss des Antragsgegners vom 20.1.2005 angeordnet. Prozessrechtlich ist damit als endgültige Regelung eines vorläufigen Zustandes bisher zwar nur bindend entschieden, dass die beigeladene Stadt Lübeck als Träger des Vorhabens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine Genehmigung hat. Der Sache nach handelt es sich um ein Begräbnis erster Klasse… Schon der als Planungsgrundlage zugrunde gelegte Ausgangssachverhalt des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses, es handele sich bei der vorgesehenen Integration des Rollweges R in die Startbahn sowie der Verlängerung der Start- und Landebahn und des Rollweges um einen „Ausbau“ auf rechtlich gesicherter Grundlage „liegt erkennbar nicht vor“ und führt zu einem „schwerlich zu behebenden Mangel der Planung“. Seit 1959 sind vielmehr in erheblichem Umfang das Gesicht des Flughafens Blankensee prägend verändernde Anlagen errichtet worden, „denen es an einer rechtlichen Legitimation fehlen dürfte.“ Die offenkundig fehlerhafte Tatsachengrundlage belegt eine „offenkundige ergebnisrelevante Fehlerhaftigkeit des Abwägungsvorgangs insgesamt und muss schon für sich genommen den Erfolg des Klagebegehrens nach sich ziehen“. Darüber hinaus hat der Senat „keinen ernsthaften Zweifel daran, dass die angegriffene Planfeststellung gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben verstößt und auch vor diesem Hintergrund jedenfalls derzeit der Aufhebung unterliegen muss“. Insbesondere ist der notwendige Ausgleich zwischen den Belangen des Vogelschutzes und den Verkehrsinteressen des Flughafenbetreibers „auch nicht ansatzweise ver- oder gesucht worden“. Schließlich ist auch das europarechtliche Verschlechterungsverbot des Gebiets „Wulfsdorfer Heide und Blankenseeniederung“ unbeachtet geblieben.

Was hören wir hierzu von Herrn Bürgermeister Saxe in der Sitzung des Hauptausschusses am 3.8.2005? Ein Zusammenwirken böser Mächte hat den Planfeststellungsbeschluss zu Fall gebracht: eine überraschende Rechtsauffassung des Gerichts ebenso wie überspannte Anforderungen des Natur- bzw Vogelschutzes, statt dessen eine Verkennung der Arbeitsplatzsituation. Dass die Stadt Lübeck offenbar jede Antwort auf den rechtlichen Hinweis des Gerichts vom 31.8.2004 (!) schuldig geblieben ist, fehlt in den ebenso wortreichen wie von juristischer Sachkenntnis ungetrübten Ausführungen ebenso wie der Hinweis auf die vom OVG ausdrücklich zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Was ist so unvorhersehbar daran, dass sich ein Oberverwaltungsgericht dem zuständigen obersten Gerichtshof des Bundes anschließt? Was hindert im Jahr 2004 immer noch an der Erkenntnis, dass auch Planungsvorhaben in erheblichem Umfang europarechtlich geprägt sind? Welchen Anlass hätte ein Gericht (!), sich über Aspekte zu verbreiten, die juristisch für die konkrete Entscheidung ohne Bedeutung sind?

Kaum erhellender auch das Zuspiel an den smarten Flughafenanwalt: er kenne den Sachverhalt erst ab seinem Einstieg in das Verfahren im Jahr 2004 und sei von der Rechtsauffassung des OVG überrascht. Sind die Lektüre von Akten und das Studium oberstgerichtlicher Rechtsprechung in Anwaltskreisen unüblich geworden? In welcher Weise ist das aus Steuergeldern unterhaltene Rechtsamt der Stadt beteiligt worden? Ist etwa die Rechtswahrnehmung der Stadt gleich vertrauensvoll privatisiert worden?

Die schlichte Wahrheit ist: das durchgeführte Planungsverfahren ist praktisch unrettbar verloren. Die phantasievolle Ankündigung irrealer Zeiträume für eine Neuauflage, die nunmehr erstmals jahrzehntelang aufgelaufene Rechtsmängel beheben müsste (Saxe: „Ein Jahr und ein Tag“), wird privaten Investoren nicht genügen und taugt auch nicht als Placebo für die Bevölkerung. Wem Arbeitsplätze wirklich am Herzen liegen, der sollte durch ordentliche Verwaltungsarbeit Rechts- und Planungssicherheit schaffen und nicht Steuermittel rechtlich und tatsächlich unsinnig verschwenden !