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Kultur & Wissenschaft

Hoffnung für Schlaganfall-Patienten

Professor für Neuroradiologie wendet neue Therapie erfolgreich an

Der Schlaganfall ist noch immer ist die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen. Bundesweit erleiden jährlich mehr als 200.000 Menschen einen akuten „Hirn-Infarkt“. Allein in Schleswig-Holstein sind es gut 5.500 Patienten. Ihnen kann jetzt besser geholfen werden: Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) wendet das Institut für Neuroradiologie in Kiel ein neues Verfahren an, mit dem Blutgerinnsel aus den großen Hirngefäßen schnell und effizient entfernt werden können. Nicht mit Medikamenten, nicht mit Laserstrahlen, sondern rein mechanisch. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Die Rate liegt bei
90 Prozent.
Wettlauf gegen die Zeit

Oft beginnt es mit harmlosen Symptomen. Der Arm lässt sich nicht gut bewegen, kribbelt vielleicht. Schwindel. Meist werden diese Anzeichen eines Schlaganfalls nicht ernst genommen. Das führt dazu, dass viele Betroffene nicht rechtzeitig zum Arzt gehen. Vor allem, weil sie keine Schmerzen spüren. Dabei ist Zeit der alles entscheidende Faktor. Professor Dr. Olav Jansen (49), Leiter des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), erläutert: „Ein Patient mit Schlaganfall-Symptomen befindet sich in einer lebensbedrohlichen Notsituation und muss so schnell wie möglich in eine spezialisierte Notaufnahme gebracht werden.” Jansen spricht von einem Diagnose- und Behandlungs-Zeitfenster von maximal sechs Stunden. Ansonsten drohen irreversible Hirnschäden durch Unterversorgung der betroffenen Areale
mit Blut.
Schwere Folgen drohen

Und die langfristigen Folgen sind verheerend. Auch wenn nicht jeder Schlaganfall tödlich endet – bei vielen hinterlässt der Verschluss von wichtigen Gefäßen im Gehirn bleibende Schäden wie Lähmungen oder Sprach- und Bewusstseinsstörungen. Bei etwa 15 bis 20 Prozent der Patienten sind die großen Arterien verstopft. Teile des Gehirns werden nicht mehr durchblutet, in diesen Bereichen droht der Verlust der Hirnfunktion. Jansen betont: „So ein Schlaganfall kann auch jüngere Menschen treffen, die durch angeborene Gefäßerkrankungen oder erworbene Herz-Rhythmus-Störungen anfälliger sind. Eine herkömmliche Therapie mit Medikamenten reicht dann nicht mehr aus.”
90 Prozent der verstopften Gefäße öffnen sich wieder

Das UKSH, Campus Kiel, wendet jetzt eine neue Behandlung an, die vielversprechend scheint. In Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Unternehmen entwickelte das Institut für Neuroradiologie unter Leitung von Prof. Jansen ein neuartiges Verfahren, um die Blutgerinnsel, die meist aus dem Herzen oder der Halsschlagader stammen, zu entfernen und die Versorgung zum Gehirn wieder herzustellen. Rund 40 Mal wurde es bereits in Kiel und Lübeck eingesetzt. Prof. Olav Jansen zeigt sich stolz: „Seit gut einem Jahr wenden wir diese Therapieform an, mit einer Wiederöffnungsrate der Gefäße von 90 Prozent.”
Das Verfahren ist so simpel wie genial

Besonders stolz ist Jansen, weil er selbst nach zwanzig Jahren in der Forschung eine so simple wie geniale Methode gefunden hat: Er nennt sie Thrombektomie – sprich: das Entfernen eines Blutpfropfs. Wie er das schafft? Mit Hilfe der so genannten Stentriever-Technologie. Eine Wortschöpfung aus den Begriffen Stent und retrieve, Englisch
für herausholen.
Blutgerinnsel verfängt sich in Stent

Stents werden Patienten eingesetzt, um Gefäße zu weiten. Jansen entwickelte Nickel-Titan-Stents weiter. Diese Stentriever werden dem Patienten mittels eines Katheders über die Leiste minimal-invasiv eingeführt – unter Vollnarkose. Die Ärzte bringen dieses feine Metallnetz-Röhrchen, zwei bis drei Zentimeter lang, höchst flexibel und dabei trotzdem stabil, in die betroffene Arterie. Dort drückt es sich ins Gerinnsel und das Gerinnsel verfängt sich. Mithilfe eines zweiten Katheders erzeugen die Operateure einen leichten Unterdruck und ziehen dann das Röhrchen samt Gerinnsel aus dem Gefäß heraus.
Kurzer Eingriff – langfristige Wirkung

„Der Eingriff dauert 15 bis 20 Minuten, und es klappt erstaunlich gut”, schwärmt Professor Jansen. Nach gut sieben Tagen wird der Patient entlassen. Und die bisher behandelten Patienten – wie geht es denen heute? „Sie haben extrem gute Verläufe“, sagt Jansen. „Auch wenn bei ihnen Folgen bleiben können. Es geht ihnen viel besser als früher.” Kein Zweifel: Das neue Verfahren dürfte neue Hoffnung bringen für viele Schlaganfall-Patienten.